Die Wiener Börse besteht als Wertpapierbörse bereits über 200 Jahre und gehört zu den ältesten Börsen der Welt. Sie wurde 1771 unter der Regierung der Kaiserin Maria Theresia gegründet. Damals wurden Anleihen ausgegeben, um den durch die Kriegsführung stark gestiegenen Finanzbedarf des Staates zu decken. Für diese Papiere gab es aber noch keinen funktionsfähigen Markt. Die Besitzer konnten solche Staatsschuldverschreibungen oft nur mit Verlust verkaufen. Dies wirkte sich nachteilig auf die Kreditwürdigkeit des Staates aus.
Im Zuge ihrer Finanzreformpläne beschloß die Kaiserin 1761 auch die Errichtung einer Wertpapierbörse in Wien. Diese Börse sollte ein Ort sein, wo Käufer und Verkäufer öffentlicher Papiere einander treffen und durch Vermittlung beeideter Sensale Geschäfte abschließen konnten. Durch täglich ausgegebene Kurszettel sollten die Marktpreise allgemein bekannt gemacht werden. Noch heute heißen die amtlichen Vermittler an der Wiener Börse Sensale. Die Börsengründung des Jahres 1761 dürfte nur zur Unterstützung einer Anleiheemission sowie einer Konversion gedient haben. Ihr weiterer Bestand läßt sich nach 1762 nicht mehr nachweisen. Der Plan, in Wien eine Wertpapierbörse auf Dauer zu errichten, wurde jedoch weiter verfolgt. Die Pläne des Präsidenten der Hofrechenkammer Graf Zinzendorf wurden 1767 im Staatsrat beraten, jedoch erst am 1 August 1771 erging ein kaiserliches Patent, in dessen Einleitung darauf hingewiesen wurde, wie schädlich für den Staatskredit das Fehlen einer Börse in Wien sei. Ihre Errichtung wurde daher angeordnet. Das Patent enthielt die wesentlichen Bestimmungen für diese Börse und setzte ihre Eröffnung für den 1. September 1771 fest.
Die Börse war eine staatliche Einrichtung, stand unter Leitung und Aufsicht eines von der Regierung bestellten Börsekommissars und erhielt das Monopol für den Handel in Schuldverschreibungen der öffentlichen Hand. Außerdem wurde mit Wechseln gehandelt, die auf aus :artige Plätze (z.B. Paris, London. Frankfurt/Main) gezogen waren. Dies entsprach dem heutigen Devisenhandel. Als Vermittler wurden wieder beeidete Sensale bestellt. Die Kurse mußten am folgendem Tage vor dem Börsenlokal angeschlagen werden. Für Obligationen bestand Börsenzwang, außerhalb der Börse zustandegekommene Geschäfte waren verboten und ungültig.
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