Nach dem Hare/Niemeyer-Verfahren (s.o.) wird zunächst errechnet, wieviele der 656 Sitze eine Partei erhält. Hierfür wird ausschließlich der Anteil der Zweitstimmen herangezogen. Anschließend wird die für die jeweilige Partei ermittelte Zahl abermals mittels Hare/Niemeyer auf Länderebene aufgeschlüsselt. Hierzu ist entscheidend, wieviele Zweitstimmen im Verhältnis der Gesamt-Zweitstimmenanzahl einer Partei auf Bundesebene das jeweilige Bundesland beigesteuert hat. Daher werden kleine, bevölkerungsarme Länder tendenziell immer weniger Abgeordnete entsenden können als große, bevölkerungsreiche. (Eine Aussage, die für die PDS in der Pauschalität nicht gilt.)
Beträgt beispielsweise die errechnete Zahl der Sitze für die einer Partei in einem Bundesland zustehenden Sitze zehn, so werden zunächst die in diesem Land errungenen Direktmandate abgezogen. Sie kommen in jedem Fall in den Bundestag, selbst wenn die Partei, der der erfolgreiche Kandidat angehört, wegen der Sperrklausel bei der Sitzverteilung ansonsten unberücksichtigt bleibt. Bleiben nun angenommen fünf Sitze nach Abzug der Direktkandidaten von der Partei zu besetzen, so werden diese der Reihenfolge der von ihr vorab (und vom Wähler mit seiner Zweitstimme bestätigten) aufgestellten Namen auf der Landesliste aufgefüllt. Dabei werden selbstverständlich diejenigen Personen übersprungen, die bereits durch den Wahlkreissieg in den Bundestag ziehen können.
Der Wähler wählt mit seiner Zweitstimme eine sogenannte starre Liste, d.h. er stimmt für die von der Partei vorgegebene Liste. Dieses Vorgehen bildet den Gegenpol zu den ebenfalls in Deutschland auf Länderebene anzutreffenden Wahlsystemen, in denen der Wähler von den Parteien zwar auch quasi als Vorschlag jeweils eine Liste vorfindet, aber in die Lage versetzt wird mit Hilfe mehrerer Stimmen innerhalb dieser Liste eine andere Reihenfolge zu bestimmen und andere Präferenzen zum Ausdruck zu bringen (Lose gebundene Liste). Neben den bereits im anderen Zusammenhang beschriebenen Nachteilen einer starren Liste bezüglich der Macht des Einzelnen auf die Personenzusammensetzung im Parlament gibt es auch den Vorteil, daß die Partei die Zusammensetzung der Fraktion nach Gesichtspunkten wie die der Repräsentation einzelner Interessensgruppen, Expertenbesetzung auf jedem wichtigem Gebiet oder Geschlechterquote relativ planungssicher gestalten kann.
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