Schaut man MTV oder VIVA, so ist Protestpotential oder Utopismus allenfalls als Spurenelement erkennbar. Dominierend ist dagegen die Inszenierung von Images, die Behandlung ewiger Themen wie Liebe, Eifersucht, persönliches Glück/ Unglück. Es fragt sich an diesem Punkt ob die Überwiegende, sich in den Plattenverkaufscharts niederschlagende Jugendkultur nicht viel eher an solchen quasi archetypischen Themen sich abarbeitet, als an Protestpotential oder Utopismus. Wird hier also ein Minderheitenteil der Jugendkultur mit der Jugendkultur als Gesamtphänomen verwechselt?
Die Frage so zu stellen, hieße MTV als Anfang von Jugendkultur zu setzen und nicht als deren Endpunkt, kurz: Jugendkultur mit Jugendsubkultur gleichzusetzen. MTV kommt in etwa die Funktion zu, welche einst die Zeitschrift Tempo innehatte, zu welcher festgestellt wurde, daß sie stets mit zwei Jahren Verspätung all die Diskurse ihrem Tempoleser zugänglich macht, die bei denen, die sie entwickelten, längst ad acta sind.
Tempo und MTV sind in diesem Sinne Mittler zwischen der stilproduzierenden Exilanten/Minderheit (deren Eintritt in die Hauptkultur unter Wahrung der im Außen aufgebauten Identität erfolgt) und einer nach verständlich gemachten Zeichen suchenden Mehrheit (die ihren Eintritt in die Hauptkultur zu den Bedingungen vollziehen möchte, die ihnen genannt werden, den Außenstatus mithin als unerträglich empfinden würde).
Das Außen - \"the privileged poor\"[11]
Poor, weil sie von Jobs zu Jobs sich hangeln und die Zahlen stets auf der Sollseite des Kontos stehen, privileged, weil sie um die Themen wissen (Intellektuelle) oder ahnen (Fans), die im Außen verhandelt werden, was der Türsteher erkennt und sie umsonst in die Disco läßt. Ideen, Lebensgefühl, Ideologien werden hier \"gelebt\" vor der Voraussetzung eines weitgehend (vorerst noch) freiwilligen Exilantentums. Die zum Underground zu zählende Jugendkultur meint es ernst und hat doch viel Spaß, die besten Partys, die feinste Musik, kurz: Das Neue, nie Dagewesene, auf das irgendwie utopisch Verweisende. Das ruft die Zaungäste auf den Plan. Doch bevor diese über den Zaun schauen, um diesen dann zu überklettern, bevor er ganz abgerissen wird und zum offenen Tor für jedermann wird, steht Kommunikation. Kommunikation verläuft in verschiedene Richtungen mit verschiedenen Zwecken.
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