Da die Vergangenheit der FDP in der Regierungsverantwortung vor ihrer Koalition mit der SPD trotz differierender Haltungen beispielsweise in der Deutschlandpolitik oder in der Spiegel-Afff°re zur CDU insgesamt eher bfØrgerlich-konservativ geprf°gt war, stellt sich die Frage, wie es zu ihrem Sinneswandel kommen konnte. Dabei ist sicherlich von grof¨er Bedeutung, daf¨ die FDP sich in der Zeit von 1966 bis 1969 in der ffØr sie ungewohnten Oppositionsrolle befand, die ihr auf der anderen Seite erst den notwendigen Raum zur inhaltlichen Modernisierung gab. FfØr die Opposition konnten in dieser Zeit vorrangig die von der grof¨en Koalition verabschiedeten aber in der BevfÐlkerung umstrittene Notstandsgesetzgebung als auch ein von vielen empfundener Reformstau als Kristallisationspunkte fungieren.
In der Opposition muf¨te sie aber auch mit ansehen, wie Plf°ne der Koalition die Runde machten, das Verhf°ltniswahlrecht durch ein Mehrheitswahlrecht zu ersetzen. Ist die Sperrklausel zur jener Zeit schon zur HfØrde geworden, so wf°re die Abf°nderung der Wahlmodalitf°ten in geplanter Form der sichere Tod der FDP auf Bundesebene gewesen. Lediglich die SPD sagte sich noch zu Zeiten der grof¨en Koalition von diesem Vorhaben los.(FrfÐlich, 1990: 14)
1966 hat die FDP fØber die Optionen der Partei in der Opposition beraten. Dabei zeigte sich, daf¨ die Ost- und Deutschlandpolitik das entscheidende Betf°tigungsfeld darstellte, den Auffassungen der Grof¨en Koalition entgegenzutreten.(Heitmann, 1989: 44) Die Koalition war in diesen Fragen - nicht offiziell, da die SPD den Kurs mittrug, der ihr nicht behagte - miteinander zerstritten.(Ebd.: 89) Die SPD zeigte sich bzgl. der Westgrenze Polens Status-Quo orientiert, plf°dierte wesentlich deutlicher noch ffØr eine Entspannungspolitik und wollte die BfØndnisblfÐcke im Gegensatz zur CDU durch ein gesamteuropf°isches Sicherheitssystem ersetzen.(Vgl. ebd.: 67) Im Bereich der Auf¨enpolitik kristallisierten sich in der FDP Standpunkte heraus, die wesentlich nf°her an denen der f±Brandt`schen SPDf° lagen als an der CDU. So forderte Rubin 1967 eine an den Realitf°ten angepaf¨te Deutschland und Ostpolitik und meinte damit die Anerkennung der Oder-Neif¨e-Linie und eine f±Zurkenntnisnamef± eines anderen deutschen Staates auf deutschen Boden. Ein auf diesem Feld (zu diesem Zeitpunkt) sturer Parteivorsitzender Mende wurde 1968 auf dem Parteitag durch Scheel abgelfÐst, der innerhalb seiner Partei als gemf°f¨igter Reformer galt und dem eine Entspannungspolitik mit dem Osten besonders am Herzen lag.
Von einiger Wichtigkeit bei dieser allmf°hlichen Neuorientierung ist, daf¨ die Gesellschaft in dieser Zeit weitreichenden Wandlungen unterlag, ohne die eine Hinwendung zu einem linksliberalen Profil schwer nachvollziehbar wf°re. Letztlich ist das Verhalten der FDP daher auch als Reaktion auf Entwicklungen in der BevfÐlkerung anzusehen.
Zum einen umfaf¨t diese gesellschaftlichen Umwf°lzung eine Art f±Erwachenf° der BfØrger, die sich nunmehr auch in den politischen Dingen einzumischen gedachten. Eine Aufbruchstimmung wurde spfØrbar. Mit PersfÐnlichkeiten wie Karl-Hermann Flach und Ralf Dahrendorf und seinen f×berlegungen zur Erneuerung der Demokratie in der Bundesrepublik hatte die Partei Integrationsfiguren ffØr das anwachsende Protestpotential aufzuweisen, wenngleich diese nicht ffØr die gesamte Partei standen. Dennoch war von f±allen Parteien die FDP diejenige, in der die amorphen Ideen und Stimmungen der Zeit am meisten rezipiert wurden.f°(Heitmann, 1989: 93ff.) Auch wandelte sich in dieser Periode die Werteorientierung. Standen nach dem 2.Weltkrieg die materiellen Werte im Vordergrund und galt das Streben hauptsf°chlich dem Erlangen von Wohlstand, rfØckten nun auch Gedanken in das Blickfeld, wie die Welt besser und menschlicher zu gestalten sei. Dabei wurde es Vielen schwer gemacht, in Anbetracht des Vietnam-Krieges die einseitige und intensive Orientierung der Bundesrepublik an die USA gutzuheif¨en.
Zum anderen wandelte sich die Sozialstruktur der Bundesrepublik, und zwar in einer ffØr die f±Alt-FDPf± problematischen Weise. Eine grof¨e Gruppe der typischen FDP Wf°hler der jungen Republik, der sog. alte Mittelstand (Handwerker, Einzelhf°ndler, Landwirte etc.) nahm stetig ab (Vgl. Geif¨ler, 1996: 111), hingegen entstanden und wuchsen neue Mittelschichtsgruppen, die Reformen aufgeschlossener gegenfØberstanden.(Vgl. LfÐsche/Walther, 1996: 71 u. 75) Die regionalen Schwerpunkte der FDP-Wf°hler verlagerten sich von den lf°ndlichen Gebieten hin zu den urbanen Dienstleistungszentren.(Heitmann, 1989: 94)
Aus diesem Blickwinkel betrachtet war die neue f±F.D.P.f± ein Gebot von MarketingfØberlegungen (und bei ihrer StimmenanteilsgrfÐf¨enordnung ein Gebot zum f×berleben der Partei).
Insgesamt sprach daher die gesellschaftliche Atmosphf°re im Land ffØr eine allmf°hliche AblfÐsung altliberaler Standpunkte und machte eine Hinwendung zur SPD - die gerade eine Entwicklung zur Volkspartei durchgemacht hatte - nahezu zwingend. Als zusf°tzliche Geburtshelfer der f±neuenf± Partei verstanden sich dabei offensichtlich weite Teile der Presse (vor allem STERN und SPIEGEL, aber auch FRANKFURTER RUNDSCHAU und SfØDDEUTSCHE ZEITUNG), die Partei ffØr die Reformer (und gegen die Altliberalen) in der Partei ergriffen.
Zu diesem entscheidenden gesellschaftlichen Klima gesellten sich noch zwei weitere Argumente, die ffØr eine Neuorientierung sprachen. Zum einen gab es in Nordrhein-Westfalen seit 1966 eine funktionierende Koalition mit der SPD. Zum anderen trat die rechtsgerichtete NPD zwischen 1966 und `69 in sieben Landtagen ein und lief¨ der FDP nur links Raum ffØr die oppositionelle Profilbildung, eine Absage an einen neu aufkommenden Nationalismus wurde forciert.
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