Mit dem Namen Karl-Hermann Flach verbindet sich die linksliberale f¯ra wie mit kaum einen Anderen. Er wurde 1971 zum Generalsekretf°r der FDP gewf°hlt, verstarb jedoch bereits 1973 (was auch ein Grund daffØr sein mag, weshalb sich die Partei in ihrer praktischen Politik nicht eines dauerhaften und stringenten linksliberalen Profils befleif¨igte).
Mit seiner Streitschrift: \"Noch eine Chance ffØr die Liberalen\" war vermutlich nicht die Partei im engeren Sinne, sondern primf°r der Liberalismus im weiteren Sinne der Adressat des Titels. Es geht ihm um eine Rehabilitierung dieser politischen Tradition und vor allem um eine f®richtigef Interpretation derselben. Seine Deutung bringt uns wieder direkt zur Ausgangsfrage, nf°mlich die, ob der Liberalismus seiner Natur nach links ist.
Flach stellt fest, daf¨ der Liberalismus teilweise versagt hat, da er sich als Interessenvertreter privilegierter Schichten mif¨brauchen lief¨ und bfØrgerlich-konservativ erstarrte(Flach, 1977: 9) Liberalismus definiert er als \"Einsatz ffØr grfÐf¨tmfÐgliche Freiheit des einzelnen Menschen und Wahrung der menschlichen WfØrde in jeder gegebenen oder sich verf°ndernden gesellschaftlichen Situation.\"(S.12) Der Liberale kennt keine letzten Wahrheiten, es bedarf der geistigen Freiheit und des Schutzes von Minderheiten, da jede Fortentwicklung als Abweichung von der herrschenden Lehre beginnt.(Siehe S.13)
Eine Gesellschaft braucht stf°ndig Verf°nderung, da erstarrte Macht- und Besitzverhf°ltnisse freiheitsfeindlich wirken.(S.15) (Daher verlf°uft nach Flach auch die zentrale Frontlinie fØberall zwischen konservativ und liberal, die wiederum durch alle BlfÐcke und Parteien geht - siehe S.74) Der Liberale sieht in der Begrenzung, Aufteilung und Kontrolle der Macht seine Aufgabe.(S.16)
Alsdann wird Flach deutlicher:
\"Der Kapitalismus als vermeintlich logische Folge des Liberalismus lastet auf ihm wie eine Hypothek. Die Befreiung des Liberalismus aus seiner Klassengebundenheit und somit vom Kapitalismus ist daher die Voraussetzung seiner Zukunft.\"(S.17)
Der Liberalismus hat nicht erkannt, daf¨ mit dem f×bergang vom Absolutismus zum Rechtsstaat nur der erste Schritt zu einer liberalen Entwicklung der Gesellschaft geleistet wurde.(Ebd.) Der Liberalismus begnfØgte sich mit der Gleichheit der Startchancen auf dem Papier, und sicherte ebendiese nicht in der Realitf°t.(Vgl. S.18) Die Liberalen \"duldeten eine Verfestigung der sozialen Verhf°ltnisse, die den theoretischen und juristischen Freiheitsbegriff zur Waffe in den Hf°nden einer begrenzten Schicht in der Abwehr der AnsprfØche breiter Schichten pervertierte.\"(S.18f.)
Privateigentum an Produktionsmitteln und Marktfreiheit ffØhrt zu Ungleichheit, VermfÐgenskonzentration zur wachsenden Disparitf°t (Vgl. S.21f.)(nach dem geheimnisvollen Prinzip des Kapitalismus sammelt sich VermfÐgen vorwiegend dort weiter an, wo schon welches vorhanden ist - S.26). Wettbewerb hingegen ist ffØr Wachstum und Fortschritt notwendig, er lf°f¨t sich aber mit verschiedenen Eigentumsformen organisieren. Es stellt sich die Frage nach der Verwendung und Verteilung des Profits.
Der Verfasser plf°diert ffØr eine vergesellschaftete Privatwirtschaft: neue Formen der Mitbeteiligung (Stf°rkung der BfØrgerrechte am Arbeitsplatz - S.34), genossenschaftliche Produktionsweise, ffØr grfÐf¨ere Unternehmen hf°lt er die Idee einer gemeinnfØtzigen Stiftung bereit.(Vgl.S.28f.) Ziel ist es, die Zahl der KleineigentfØmer auf Kosten der Grof¨en zu erhfÐhen.(S.30) Die Entscheidung bei Grof¨investitionen kann darfØber hinaus nicht Privatleuten anvertraut werden, es bedarf Prioritf°ten und der BerfØcksichtigung der fÏkologie.(S.31)
Auch die studentischen Unruhen werden von Flach analysiert. Er wirft den Protestlern dogmatische und letztlich systemerhaltende Positionen vor (vgl. S.48ff.), hf°lt ihr aber zugute, daf¨ erst durch den Protest einer breiten Schicht deutlich wurde, \"daf¨ unsere brave parlamentarische Demokratie vielen alten autoritf°ren Strukturen nur aufgepfropft wurde, die unter der Decke formaler Freiheit ein munteres Eigenleben weiterffØhren.\"(S.44) Die junge Linke verdankt der Liberalismus, seine Eigentumsideologie neu zu fØberdenken und sich fØber seine historischen Verfestigungen hinweg auf seine Wurzeln zu besinnen.(S.47)
Freiheit, Gleichheit und Wachstum (oder Effektivitf°t) mfØssen in einem ausgeglichenem Verhf°ltnis gegenfØberstehen, ffØr soziale Ungerechtigkeit gibt es keine liberale BegrfØndung.(Siehe S.66 u.68) So muf¨ auch das Recht die Besitzlosen vor den Besitzenden und die Schwachen vor den Mf°chtigen schfØtzen, nicht umgekehrt.(S.79)
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