6.3.1) Überblick
Die wesentlichen Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und Arbeitnehmers werden bestimmt durch:
. Gesetz
. Kollektivvertrag
. Betriebsvereinbarung
. Arbeitsvertrag
Arbeitsrechtliche Gesetze, Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen enthalten meist einseitig zwingende Bestimmungen. Dies bedeutet, daß die Regelung nicht durch eine Norm der nächstniedrigen Stufe zum Nachteil des Arbeitnehmers abgeändert werden kann. Eine Änderung zugunsten des Arbeitnehmers ist hingegen möglich.
Ist eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung auch zugunsten des Arbeitnehmers nicht möglich, spricht man von zweiseitig zwingendem Recht (z.B. Verbot, sich bei aufrechtem Arbeitsverhältnis den Urlaub in Geld ablösen zu lassen).
Die wesentlichen Pflichten des Arbeitnehmers sind:
. Arbeitspflicht
. Treuepflicht
Die wesentlichen Pflichten des Arbeitgebers sind:
. Entgeltzahlungspflicht
. Fürsorgepflicht
6.3.2) Arbeitspflicht
Die Hauptpflicht des Arbeitnehmers besteht in der Erbringung der vereinbarten Arbeitsleistung. Art und Umfang der Arbeitsleistungen und der Ort, wo diese Arbeitsleistung zu erbringen ist, werden meist durch den Arbeitsvertrag bestimmt. Ist nichts vereinbart, sind die den Umständen nach angemessenen Arbeiten zu leisten. Die Arbeit ist in der Regel höchstpersönlich zu erbringen (Ausnahme Hausbesorger), d.h., der Arbeitnehmer darf sich nicht durch dritte Personen vertreten lassen.
Der Arbeitsvertrag legt die Tätigkeit des Arbeitnehmers in groben Zügen fest (z.B.: "Buchhalter").
Durch Weisungen (Anordnungen) des Arbeitgebers wird die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Rahmen des Vertrages näher bestimmt. Der Arbeitgeber hat ein Weisungs- oder Direktionsrecht (z.B.: "Rechnen Sie heute die Außenstände ab").
Nebenbeschäftigungen sind grundsätzlich zulässig, es sei denn, sie sind durch Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber ausgeschlossen. In gewissen Berufen (Angestellte bei Kaufleute, Zivilingenieure, Wirtschaftstreuhändern und dergleichen) bestehen jedoch gesetzliche Wettbewerbsverbote.
Inhalt der Arbeitspflicht: Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft, sein sorgfältiges Bemühen; er haftet jedoch grundsätzlich nicht für den Erfolg der Arbeitsleistung.
6.3.3) Treuepflicht des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers zu beachten und eine Beeinträchtigung dieser Interessen zu unterlassen. Diese "Treuepflicht" fordert nur ausnahmsweise ein positives Handeln (z.B. Pflicht zur Meldung eines dem Arbeitgeber drohenden Schadens, Pflicht zur Leistung von Über-stunden in Notstandssituationen). Häufiger hingegen ergeben sich aus der Treue-pflicht Unterlassungspflichten, die oft auch ausdrücklich durch Gesetz geregelt sind (z.B. Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Verbot der Annahme von Schmiergeldern, Wettbewerbsverbote und dergleichen).
6.3.4) Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers
Entgelt ist alles, was der Arbeitnehmer für seine Arbeit erhält. Es gibt die unterschiedlichsten Formen des Entgelts wie z.B. laufendes Entgelt (Stundenlohn, Wochenlohn, Monatsgehalt), Sonderzahlungen (Weihnachtsremuneration, Urlaubs-remuneration), Überstundenentgelte, Erfolgs- und Leistungslöhne (Prämien, Provisionen, Akkordlöhne), Zulagen und Zuschläge (Erschwerniszulage, Schicht-zulagen, Nachtzulagen und dergleichen).
Aufwandersatz zähl hingegen nicht zum Entgelt. Aufwandersatz ist beispielsweise der Ersatz für die Kosten (Fahrt, Nächtigung und dergleichen) einer Dienstreise, Schmutzzulagen und dergleichen.
laufendes Entgelt
Entgelt Überstunden-
entgelt
Aufwandersatz Zulagen
Die Höhe des Entgelts wird bestimmt durch
. Gesetz (z.B. für die Vertragbediensteten des Bundes)
. Kollektivvertrag (für die meisten Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft)
. Einzelarbeitsvertrag.
Entgeltvereinbarungen in Einzelarbeitsverträgen sind nur dann gültig, wenn sie günstiger sind als der für das jeweilige Arbeitsverhältnis durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung (Kollektivverträge, Satzungen, Mindestlohntarife) festgesetzte Mindestlohn.
In bestimmten Fällen besteht eine Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des Entgelts, obgleich der Arbeitnehmer keine Arbeit leistet. Man spricht in diesen Fällen von einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung.
Die wichtigsten Fälle der Entgeltfortzahlung sind:
. Entgeltfortzahlung bei Krankheit
. Entgeltfortzahlung wegen Störungen in der Risikosphäre des Arbeitgebers
. Pflegefreistellung
. Entgeltfortzahlung aus sonstigen wichtigen Gründen
6.3.4.1) Entgeltzahlungspflicht bei Erkrankung des Arbeitnehmers
Bei Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, Berufskrankheit, Unfall oder Arbeitsunfall hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts, soferne er die Erkrankung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Dieser Anspruch auf Entgeltfortzahlung steht nur für einen bestimmten Zeitraum zu; dauert die Arbeitsunfähigkeit darüber hinaus, erhält der Arbeitnehmer Leistungen der Sozialversicherung (Krankengeld, Unfallrente und dergleichen).
6.3.4.1.1) Entgeltfortzahlung für Arbeiter
Arbeiter haben nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (BGBl. Nr. 399/1974) Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Unglücksfall in folgenden Ausmaß:
6.3.4.1.2) Entgeltfortzahlung für Angestellte
Angestellte haben gemäß § 8 Abs. 1 und 2 Angestelltengesetz Anspruch auf Entgeltfortzahlung in folgendem Ausmaß:
Arbeiter Angestellter
der Anspruch gebührt erst nach 14 Tagen (Wartezeit) keine Wartezeit
Anspruchszeitraum 1 Jahr ein halbes Jahr
Erstattung des dem Arbeitnehmer gezahlten Entgelts durch den Kranken-versicherungsträger (Erstattungsregelung) keine Erstattungsregelung
6.3.4.2) Entgeltfortzahlung bei Störungen in der Risikosphäre des Arbeitgebers
Der Arbeitnehmer schuldet die Bereitstellung seiner Arbeitskraft, nicht aber den Arbeitserfolg. Ist daher der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung bereit, kann er jedoch die Arbeit aus Gründen, die beim Arbeitgeber liegen, nicht erbringen, so hat er trotzdem Anspruch auf das Entgelt (z.B. bei Stromausfall im Betrieb, Ausfall einer Maschine, Auftragsmangel und dergleichen).
6.3.4.3) Pflegefreistellung
Ein durch das Gesetz besonders geregelter Fall einer Dienstverhinderung ist die sogenannte "Pflegefreistellung" (§16 Urlaubsgesetz, BGBl. Nr. 390/1976 in der Fassung BGBl. Nr. 833/1992).
Nach dieser Bestimmung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Weiterzahlung seines Entgelts, wenn er nicht arbeiten kann,
1. weil er einen erkrankten nahen Angehörigen (z.B. Kinder, Eltern) pflegen muß, der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebt, oder
2. weil jene Person, die sein Kind ständig betreut hat, plötzlich ausfällt (z.B. weil die Pflegeperson selbst erkrankt) und der Arbeitnehmer daher sein Kind selbst betreuen muß.
Dieser Anspruch auf Weiterzahlung des Entgelts trotz Unterbleiben der Arbeits-leistung gebührt innerhalb eines Jahres, insgesamt (d.h. unabhängig davon, wie oft eine Pflegefreistellung in Anspruch genommen wird) bis zum Höchstausmaß von einer Wochenarbeitszeit (in der Regel also 40 Stunden pro Jahr).
Darüber hinaus besteht ein weiterer Anspruch im Ausmaß einer Wochenarbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer sein im gemeinsamen Haushalt lebendes erkranktes Kind (bis zum 12. Lebensjahr) pflegen muß und der Freistellungsanspruch für die erste Woche schon verbraucht wurde. Das Entgelt, das der Arbeitgeber für diese zweite Woche Pflegefreistellung dem Arbeitnehmer weiterzahlt, wird dem Arbeitgeber vom zuständigen Krankenversicherungsträger ersetzt.
6.3.4.4) Entgeltfortzahlung aus sonstigen Gründen
Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er aus wichtigen, seine Person betreffenden Gründen an der Arbeitsleistung verhindert ist. Solche Fälle der Dienstverhinderung sind beispielsweise
. wichtige familiäre Ereignisse (z.B. Teilnahme an Eheschließungen oder von Beerdigungen naher Angehöriger),
. Vorladung vor Behörden,
. Wohnungswechsel (Übersiedlung),
. Arztbesuche usw.
Der Anspruch steht für jeden einzelnen Fall der Dienstverhinderung (also immer wieder) zu.
Die Dauer der Entgeltfortzahlung (pro Verhinderungsfall) ist jedoch mit einer Woche begrenzt.
Die für Arbeiter geltende gesetzliche Bestimmung (§ 1154 b ABGB) kann durch Kollektivvertrag oder Arbeitsvertrag auch zum Nachteil des Arbeitnehmers abgeändert werden; die für Angestellte geltende gesetzliche Regelung (§ 8 Abs. 3 AngGes.) ist hingegen zwingend, d.h. durch Kollektivvertrag und Einzelarbeits-vertrag nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abänderbar.
6.3.5) Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Unter der Fürsorgepflicht versteht man die Verpflichtung des Arbeitgebers, die schutzwürdigen Interessen seiner Arbeitnehmer zu wahren. Der Arbeitgeber hat die Organisationsgewalt im Betrieb. Er bestimmt, auf welche Art und Weise gearbeitet wird. Er muß daher auch dafür sorgen, daß dem Arbeitnehmer bei der Arbeit kein Schaden an schutzwürdigen Rechtsgütern (Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Eigentum) entsteht. Zahlreiche arbeitsrechtliche Bestimmungen haben ihre Grundlage letztlich in der Idee der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.
So zum Beispiel:
. Das gesamte Arbeitnehmerschutzrecht (siehe weiter unten)
. Der Gleichbehandlungsgrundsatz: Der Arbeitgeber darf einzelne Arbeit-nehmer ohne sachlichen Grund nicht schlechter Behandeln als die Mehrheit der übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer.
. Freizeitgewährung zum Zwecke der Postensuche: Während der Kündigungsfrist hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Freizeit zum Zwecke der Postensuche zu geben (z.B. nach dem Angestelltengesetz acht Stunden pro Woche, wenn der Arbeitgeber kündigt).
. Bei Ausstellungen von Dienstzeugnissen darf der Arbeitgeber keine Hinweise in das Zeugnis aufnehmen, die dem Arbeitnehmer die Erlangung eines anderen Arbeitplatzes erschweren.
. Die Entgeltfortzahlungspflicht (siehe oben) beruht ebenfalls auf der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.
6.3.6) Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Grundsätzlich ergibt sich aus der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeit-nehmer, welches Entgelt der Arbeitnehmer erhält (Vertragsfreiheit). Die allenfalls (durch Kollektivverträge, Mindestlohntarife und dergleichen) vorgesehenen Mindest-entgelte dürfen durch die Vereinbarung zwar nicht unterschritten werden, darüber hinaus bestehen jedoch nur zwei Beschränkungen in der Vertragsfreiheit:
6.3.6.1) Gleichbehandlungsgebot
Das Gleichbehandlungsgebot zwischen den Geschlechtern (§ 2 des Gleich-behandlungsgesetzes, BGBl. Nr. 108/1979, novelliert 1992).
Das Gleichbehandlungsgesetz verfolgt das Ziel, die Benachteiligung von Frauen im Berufsleben, insbesondere die im Vergleich zu den Männern geringere Entlohnung, zu beseitigen. Zu diesem Zweck sieht das Gesetz u.a. vor:
. Aufgrund des Geschlechtes darf niemand im Arbeitsverhältnis diskriminiert (aus unsachlichen Gründen benachteiligt) werden.
. Für gleiche und gleichwertige Arbeit gebührt der gleiche Lohn. Die diskriminierten Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Angleichung ihres Entgelts.
. Bei Diskriminierungen bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz und bei Beförderungen gebührt Schadenersatz.
. Eine diskriminierte Kündigung kann bei Gericht angefochten werden.
. Stellenausschreibungen müssen geschlechtsneutral abgefaßt werden (z.B. "Sektretariatskraft" statt "Sekretärin").
Das Einkommen der Arbeitnehmer ist also von der arbeitsvertraglichen Stellung (z.B. Arbeiter oder Angestellter), aber auch vom Geschlecht abhängig. Frauen verdienen in der Privatwirtschaft deutlich weniger als Männer in gleicher arbeitsvertraglicher Position.
6.3.6.2) Gleichbehandlungsgrundsatz
Er ist nicht gesetzlich geregelt, sondern wurde von der Rechtsprechung entwickelt. Der Arbeitgeber darf einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich gegenüber der Mehr-heit benachteiligen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz schützt daher nur den Einzelnen vor einer Diskriminierung im Vergleich zur Mehrheit.
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