Maria Theresia (1740 - 1780) bewahrte selbst in den schweren Schicksalsschlägen ihrer Regierung (Erbfolgekriege!) ihr naives und unerschütterliches Gottvertrauen. Dies zeigte sich in Stiftungen und Wohltätigkeitsarbeit. Sie erwartete dafür "gebührenden Lohn". Dies erschien ihr nicht der Fall, als ein Kardinal nicht einmal die Exkommunikation eines Herzogs verhindern konnte.
Staatskanzler Graf Wenzel Kaunitz-Rittberg (1768) nützte diese eingetretene Verstimmung, um die folgenden Staatskirchlichen Ideen durchzusetzen:
1. Vorstufe zum Josephinismus
. Er richtete eine von den Freimaurern beherrschte Behörde ein, die das früher beanspruchte Recht, in die äußeren Dinge der Kirche schützend und verbietend einzugreifen (ius circa sacra), auf die inneren Vorgänge ausdehnte - die Giunta economale.
. Der Verkehr mit Rom auch in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre wurde verboten, die Besetzung höherer Stellen nach der Nützlichkeit für den Staat durchgeführt, Klostereintritte an strenge Bedingungen geknüpft.
. Die Tätigkeit der Mailänder Behörde war gleichsam die Vorübung für die von Joseph II. und seiner Mutter geschaffenen zentralen Behörden des Gesamtstaates.
2. Vorstufe
Rechtsordnung:
früher: das Recht wurde von den Geboten Gottes her begründet
jetzt: es setzte sich die Lehrmeinung durch, daß nur der Nutzen der Menschheit und die vernünftige Einsicht in die Menschheitsziele gesetzliche Regeln aufstellen dürften.
Jansenismus:
Er kam aus den Niederlanden.
Die Jansenisten
stellten dogmatische Fragen hintan zugungsten eines Auserwählungsbewußtseins, das etwa folgendes besagte:
Weil Maria Theresia ehrlich fromm sei, seien alle ihre Maßnahmen gottgefällig
und lobenswert. So habe sie die Verantwortung ernst genommen, die Kirche zur
Armut zurückzuführen (in der Lombardei), sie für das Wohl des Staates
einzuspannen, etwa durch die Reform der Universitätsausbildung des Klerus.
In der Studienhofkommission wurde gegen den Widerstand des Wiener
Erzbischofs Kardinal Migazzi beschlossen, die künftigen Geistlichen müßten
durch eine gründliche Ausbildung in Rechtswissenschaft,
Landwirtschaftswesen, Volksschulpädagogik usw. zu Staatsdienern auf dem
Lande erzogen werden; Glaubenslehre und Bibelkunde seien nicht so wichtig.
Andererseits übertrug die Kaiserin die für den Staat unumgängliche Sorge
("allzeit ein politikum") für die Volksbildung fast zur Gänze der Kirche.
Was sich unter Maria Theresia angebahnt hatte, steigerte sich unter ihrem Sohn zum Jophinismus.
Wesen des Josephinismus
Joseph II.: seit 1765 Kaiser, 1780 bis 1790 selbständiger Regent der österreichischen Erblande, vertrat
grundsätzliches Staatskirchentum.
als "aufgeklärter Herrscher" bewertete er das Menschliche und Diesseitige höher als das Übernatürliche - Göttliche. Religion habe lediglich die Aufgabe, auf sittlicher Ebene die Glückseligkeit der Menschen zu fördern, eine Verkündigung geoffenbarte Wahrheiten habe nur dann zu erfolgen, wenn sie mit der Vernunft durchschaut werden könnten und praktische Werte vermittelten.
Aus der Stellung des Herrschers als Diener des Staates und erstes Glied der Kirche erwachse ihm die Pflicht, diese Belange der Kirche zu regeln und sie der Wohlfahrt der Staatsbürger anzupassen.
Der Josephinismus wollte nicht unkirchlich sein, ging aber von einem falschen Kirchenbegriff aus. Er sah die Kiche nicht als das mit Jesus Christus geeinte und in seiner Lehre, dem Gnadenleben und den berufenen Amtsträgern verbundene Volk Gottes an, sondern als eine auf den Menschen bezogene Organisation, die wichtigeren Gemeinschaft zum Wohle der Menschen, dem Staat, Halt und Sittlichkeit bieten konnte.
Maßnahmen im Sinne des Rationalismus
Die "vernunftgemäße" Aufgabe der Kirche mußte eine vernunftgemäße Ausbildung voraussetzen. Diese schien Joseph II. in den tridentinischen Seminarien und den Klosterschulen nicht gewahrt. So verlangte er das Studium nur an den öffentlichen Anstalten, an Lyzeen und Universitäten.
Die Hörer wurden an Generalseminarien zusammengefaßt, sie waren für mehrere Diözesen gemeinsam und standen unter der Leitung eines staatlichen Beamten.
Das Hauptgewicht im Studium wurde auf das Kirchenrecht, die Kirchengeschichte, die praktische Einführung in die Seelsorgsmethoden und die Erteilung des Religionsunterrichts (Pastoraltheologie und Katechetik) gelegt.
Dogmatik trat nur im Sinne eines geschichtlichen Überblicks auf, eine philosophische Durchleuchtung (spekulative Theologie) der Glaubenslehre trat völlig zurück.
Jegliches Verständnis fehlte dem Josephinismus für:
den Nutzen des Gebetes
die Wallfahrten
die betrachtenden Frömmigkeitsformen
die Heiligenverehrung als Vorbilder, etc.
Durch eine Reihe einschneidender Maßnahmen wurden die ganze Flut barocker Andachten eingedämmt und sinnvolle Gebräuche ausgerottet, wie
. die Segnung von Flur und Stall
. die Fronleichnamsprozession
. Bittgänge und Vierzigstündiges Gebet
. Herz-Jesu-Kult
. Volksmission
Maßnahmen im Sinne des Pragmatismus
Nützlichkeit für den Staat beherrschte das Denken des Josephinismus.
Klöster wie Orden der Kartäuser, Kamaldulenser und weibliche Zweige der Karmeliter und Franziskaner wurden aufgelöst, weil sie keinen Nutzen brachten.
Solchen Nutzen brächten nur die
. eigentliche Pfarrseelsorge
. der Jugendunterricht
. die Krankenpflege.
Pfarregulierung:
Ein Großteil vor allem der nieder- und oberösterreichischen Stifte betreute die Pfarreien der Umgebung.
Josephs Neuerung:
. Administrator für die Belange der Seelsorge in den Pfarren, der zugleich das Vermögen des Klosters verwaltete
. Prior für die inneren geistlichen Dinge
Die Einkünfte der Klöster sollten nur für die drei "Nutzbarkeiten" Verwendung finden. Überflüssiges solle anderen Pfarreien oder der Schule zufallen.
So kam es zu einer dritten Art der "Klosterreform":
Wenn eine neue Pfarre gegründet oder eine entlegene Seelsorgstelle verselbständigt wurde, meldete man den finanziellen Bedarf dafür an, und die lokalen Behörden erhielten den Auftrag, ein geeignetes Koster ausfindig zu machen, dessen Grundbesitz oder Einkünfte dafür ausreichten. Dann wurde es aufgehoben.
Alle veräußerten Kirchengüter bildeten zusammen den unter Verwaltung der Länder stehenden "Religionsfonds".
Er bestand als eigene "Rechtspersönlichkeit" bis 1938 und diente der Besoldung des Klerus, der baulichen Pflege der Kirchen und karitativen Anstalten und zum Unterhalt der katholischen Privatschulen. Nach dem 2. WK ging der Religionsfonds in das Eigentum der Republik Österreich über, die dafür jährlich den einzelnen Diözesen nach ihrer Kopfzahl einen Zuschuß leistet. (z. B. Augustinerstift St. Pölten)
Säkularisation => Spinnen von Intrigen => wertvolle Kulturgüter verschleudert, kostbare Bibliotheken fanden keinen Käufer, ...
Die Wiener Zentralbehörden sahen den eigentlichen Nutzen der Pfarrseelsorge in:
der Erziehung des Volkes zum Gehorsam unter die wohlmeinende Obrigkeit
der Anleitung zur richtigen Arbeit und rechten Sittlichkeit, die den Frieden im Lande gewährleistet
Seit 1782 bemühte sich die "Geistliche Hofkommission" mit Hilfe der Bischöfe, übergroße und dadurch unüberschaubare Pfarrsprengel zu teilen. So wurden rund 640 Seelsorgsbereiche allein in NÖ, OÖ, der Steiermark und Kärnten neu abgegrenzt, entweder als Pfarreien oder Lokalkaplaneien.
Zur Deckung des großen Personalbedarfs wies man die Ordenspreister der aufgehobenen Köster an, solche Stellen zu übernehmen.Sie galten fortan als Weltpriester.
Der größte Teil der heutigen österreichische Pfarren geht in seiner Gliederung auf die josephinische Zeit zurück.
"Pfarregulierung":
Es wurde darauf geachtet, möglichst die staatlichen Verwaltungssprengel (Gemeinden, Katastralgemeinden, Kreise) mit den kirchlichen in Einklang zu bringen. Es sollte keine Grenzüberschneidung geben. Nach anfänglichen Problemen führte Joseph eine "Diözesanregulierung" nach dem Grundsatz durch, daß Bischofssitz und Landeshauptstadt, Landesgrenze und Bistumsgrenze zusammenfallen, jedoch überschaubare Sprengel entstehen sollen.
Der Verlauf des Josephinismus
Am Anfang der Regierung des Kaisers überstürzten sich die Maßnahmen.
Der Wiener Nuntius Garampi, unterstützt vom Erzbischof Kardinal Migazzi, protetstierte heftig. Es drohte nämlich die Gefahr einer Abspaltung von Rom, die Bildung der österreichischen Nationalkirche.
Gerade das josephinische Ehepatent, das eben vorher erflossen war und die Geistlichen zu zivilen Standesbeamten machte, griff das sakramentale Wesen der Ehe an.
Das Toleranzpatent (1784), das den meisten Religionen in der Habsburgermonarchie die Freiheit des Kultes und Bekenntnisses brachte, schien die Lehre von der wahren Kirche in Frage zu stellen.
Aufgrund von Widerständen alpenländischer frommer Dorfgemeinschaften widerrief der Nachfolger Josephs, Leopold II., z. B. das Verbot der Christmette und ließ das Hl. Grab in der Karwoche wieder zu.
Was jedoch blieb, war bedauerlich genug. Das System der Unterordnung der Kirche unter den Staat, das Staatskirchentum, die Verbeamtung der Geistlichkeit, die Verurteilung des Volkes zu passiver Haltung - das alles konnte nicht aufgewogen werden durch die bessere Organisation der Seelsorge und die (übrigens freudig aufgenomenen) neuen Singmessen, die ursprünglich als Kampfmaßnahmen gegen den römischen Gottesdienst gedacht waren.
Noch 50 Jahre blieb das Kirchenverwaltungssystem als Nachjosephinismus in Kraft; man nahm es hin und gewöhnte sich daran und nur mit Mühe könnte sich die Kirche aus der Umklammerung des Staates lösen.
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