\"Ein ehemaliger Gouverneur von Ohio [USA] beschrieb seine Erfahrungen so: \'Während
meiner Tätigkeit als Gouverneur habe ich gelernt, dass alle Todeskandidaten eines
gemeinsam haben: sie sind arm. Es gibt noch andere Gemeinsamkeiten - geringe
Intelligenz, wenig oder gar keine Bildung, wenig Freunde, zerrüttete Familien -, aber die
Tatsache, dass sie kein Geld hatten, war einer der Hauptfaktoren bei ihrer Verurteilung
zum Tode!"
Kann man unter Berücksichtigung dieses Wissens, dieser Erfahrungen die Todesstrafe
noch befürworten?
Betrachtet man diese Aussage \"... dass sie kein Geld hatten, war einer der Hauptfaktoren
bei ihrer Verurteilung zum Tode.\" etwas näher, wird deutlich, dass vor allem
sozial schwache und andere gesellschaftliche Randgruppen in den USA mit dem Tod
bestraft werden . Es wäre sinnvoller und notwendig, die Armut in der Gesellschaft zu
beseitigen, um der Schwerstkriminalität entgegenzutreten, als die Todesstrafe zu
fordern.
Die Todesstrafe behandelt nur die Symptome einer vielleicht verfehlten
Gesellschaftspolitik, die eigentlichen Ursachen für die Kriminalität - nämlich die Armut
und andere soziale Umstände - werden durch die Todesstrafe nicht verändert. Die
Gesellschaft braucht weniger Angst vor Wiederholungstätern zu haben, als Angst vor
einer wachsenden Armut und Entstehung einer Zwei-Drittel-Gesellschaft. Denn dies ist
eine Gefahr, welche die Schwerstkriminalität wesentlich mitverursacht.
Die Gesellschaftsgruppe der sozial schwachen stellt trotz steigender Armut
glücklicherweise eine Minderheit in den Vereinigten Staaten dar. Aber hieran wird die
Problematik deutlich, dass Recht nicht gleich Recht ist, insbesondere nicht bei der
Todesstrafe. In den USA werden sogar Jugendliche und Geisteskranke hingerichtet:
\"Am 11. September 1985 wurde ein junger Mann in Texas für einen Mord hingerichtet,
den er als 17-jähriger begangen hatte."
"Morris Mason, ein 32 Jahre alter schwarzer Landarbeiter, wurde am 26. Juni 1985 in
Virgina auf dem elektrischen Stuhl exekutiert. Im Laufe seines Lebens war er in drei
psychiatrischen Einrichtungen untergebracht, wo man ihn als geistig auf der Stufe eines
achtjährigen Kindes Zurückgebliebenen beurteilte. Obwohl drei Psychiater
unabhängig voneinander zu dem Ergebnis kamen, dass Morris Mason über einen Zeitraum
von acht Jahren an paranoider Schizophrenie litt, lehnte das Gericht es ab, den
Geisteszustand des Angeklagten von einem weiteren Psychiater beurteilen zu lassen.
Sein Pflichtverteidiger hatte nicht die notwendigen Mittel, um einen privaten Gutachter zu
beauftragen.\"
Die häufigsten Todesurteile werden in den USA gegen Schwarze ausgesprochen. An den
folgenden Zahlen wird klar, dass Richter und Geschworene oftmals nicht objektiv genug
entscheiden. Häufig spielen rassistische Vorurteile gegenüber Farbigen bewusst oder
unbewusst bei der Urteilsfindung eine Rolle:
\"48 Prozent der Todeskandidaten sind Schwarze oder Angehörige anderer Minderheiten,
obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nur zwölf Prozent beträgt. In einigen
Bundesstaaten liegt der Anteil der Schwarzen unter den Todeskandidaten erheblich
höher: in Alabama zum Beispiel bei 66 Prozent. Schwarze, die wegen Mordes an
Weissen verurteilt werden, werden weitaus häufiger mit dem Tode bestraft als Weisse. Weisse, die Schwarze ermordet haben, werden dagegen äusserst selten zum Tode verurteilt. Von den 18 Hinrichtungen, die 1986 (in den USA!) durchgeführt wurden, fanden 16 wegen Mordes an Weissen statt.\"
|