2.1.1 Die Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung
Die Wahlen vom 19. Januar machten eines ganz klar deutlich: die Mehrheit des deutschen Volkes strebt einen Normalzustand an und spricht sich gegen die radikalen Parteien aus. Die SPD konnte sich behaupten, jedoch stellte die Mehrheit der Abgeordneten die bürgerlichen Parteien (DDP, DVP, Z).
Eine genauere Betrachtung des Wahlergebnisses ist jedoch notwendig.
. Die KPD hatte ihren Mitgliedern den Boykott der Wahlen empfohlen (deshalb fallen sie aus dieser Statistik raus)
. SPD und USPD erreichten zwar 45,5% der Stimmen, an eine Regierungsbildung war jedoch nicht zu denken (Grund: Ereignisse der letzten Wochen)
. Das Wahlergebnis der Mittelparteien (Z, DDP, DVP: ca. 43%) ist auf die Angst vor revolutionären Veränderungen zurückzuführen. Das Bürgertum wählte das politisch kleinste "Übel"
Aufschlüsse dazu, zeigt im Vergleich die Reichstagswahl vom 20. Juni 1920; die Koalition erreichte nicht mehr die Mehrheit. Die Angst vor Revolutionen war abgewendet, und die Bürger wählten nun entsprechend ihrer Einstellung und Überzeugung.
2.1.2 Die verfassungsgebende Nationalversammlung
Die aus den Wahlen hervorgegangene Nationalversammlung wurde Anfang Februar in Weimar eröffnet. Für die Wahl des Versammlungsortes (der der ganzen Epoche seinen Namen gab) gibt zwei Mögliche Gründe:
1. Die offizielle Version: an die geistigen Traditionen soll angeknüpft werden.
2. Die inoffizielle Version (der eigentliche Grund): man wollte der brodelnden, revolutionären Stimmung in Berlin entfliehen, um auf dem Land "ganz in Ruhe" die Grundlagen des neuen Staates zu legen.
Die wesentlichen Aufgaben der Nationalversammlung: sie musste eine Verfassung schaffen und den Abschluss des Friedensvertrages mitgestalten.
Am 10. Februar wurde das "Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt" verabschiedet, mit den folgenden wichtigen Entscheidungen:
. Ein Reichspräsident (Reichspräsident) soll sofort gewählt werden, der die Regierungsgeschäfte bis zum Amtsantritt der nach der neuen Verfassung zu wählenden Regierung führt
. Er soll parlamentarische Reichsminister berufen
. Die Verfügung dieser Minister bedürfen der Gegenkennzeichnung durch den Reichspräsident
2.3.1 Die Wahl Eberts zum Reichspräsidenten
Am darauffolgenden Tage wurde Friedrich Ebert mit ca. 73% bzw. 277 von 379 Stimmen zum Reichspräsidenten gewählt.
Noch am selben Tag berief Ebert ein Reichskabinett aus den Reihen der SPD, DDP und des Zentrums. Die Leitung hatte Philipp Scheidemann (SPD).
Nach der Stabilisierung der "jungen" Republik in den zwanziger Jahren, hielt Ebert sich immer mehr aus der Tagespolitik heraus, hat er doch zu Anfang bedeutenden Einfluss auf die Politik ausgeübt. Er führte sein Amt mit einer gewissen Distanz und wurde deshalb durch die Fachliteratur für seine hervorragenden Leistungen zum Erhalt der Reichseinheit sowie zur Errichtung einer verfassungsmäßigen sozialen Demokratie gelobt.
2.3.2 Die Verfassung und deren Konzipierungsprobleme
Für die Erarbeitung des Verfassungsentwurfs war der Staatssekretär im Reichsinnenministerium, Hugo Preuß (DDP), zuständig, deshalb gilt er allgemein als "geistiger Vater" der Verfassung.
Die Konzipierung der Verfassung stellte sich jedoch als schwieriger heraus als man ursprünglich annahm. Die Gründe für diese Schwierigkeiten lagen zum Teil in der Bismarckschen Verfassung sowie in den politischen Verhältnissen der wilhelminischen Ära. Jedoch gab es auch aktuelle Schwierigkeiten die es zu lösen galt. Die folgenden Probleme mussten berücksichtigt werden:
. Ausfall der monarchischen Spitze
. Das Volk ist an Demokratie nicht gewöhnt
. Weite Teile der Bevölkerung sind im Grunde antidemokratisch
. Aktuelle Probleme, wie Radikalismus, Wahlgesetzgebung, Rolle der Parteien, Verhältnis Länder - Reich
. Neuverteilung der Kompetenzen und der politischen Macht erwiesen sich als schwierig
2.3.3 Die Verfassung
Die von der Nationalversammlung Ende Juli angenommene Verfassung gliedert sich in zwei wichtige Hauptteile:
1. Regelung des Aufbaus und der Aufgaben des Reiches
2. Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen
Die folgenden Bereiche bzw. Bestimmungen spielten für die Entwicklung der Weimarer Republik eine entscheidende Rolle :
2.5.1 Das Volk
Die Souveränität liegt beim Volk, dessen Willen durch den Reichstag verkörpert wird. Da es den Reichspräsident direkt wählt und dadurch Volksentscheide an der Legislative mitwirken kann, hat das Volk eine außerordentliche große Bedeutung im politischen Prozess
2.5.2 Reich und Länder
Aus den Staaten des Kaiserreichs werden Länder, d.h., sie verlieren ihre Souveränität. Sie behalten die Länderregierungen und Landtage, doch zieht das Reich wichtige Bereiche an sich. Reichsrecht bricht Landrecht (Art. 13). Die Länder sind über den Reichsrat kaum an der Legislative beteiligt. Insgesamt herrscht ein latenter Dualismus zwischen Ländern und der Zentralgewalt.
2.5.3 Der Reichspräsident
. Er ist höchster Repräsentant des Staates
. Er ist an Gesetzgebung durch Art. 48 beteiligt
. Er kann den Reichstag auflösen (Art. 25)
. Er kontrolliert die Regierung (Art. 53) durch Ernennung und Entlassung von Kanzler und Ministern
. Er ist Oberbefehlshaber aller Streitkräfte (Art. 47) und Diktator auf Zeit (außerordentlicher Notstand, Art. 48)
. Der Notstandsparagraph gibt ihm das Recht der Reichsexekution
. Er wird direkt vom Volk für 7 Jahre gewählt und kann beliebig oft wiedergewählt werden
Aufgrund seiner überragenden Machtfülle wird der Reichspräsident allgemein als "Ersatzkaiser" bezeichnet
2.5.4 Parteien und Wahlen
Die Parteien sind in der Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt. Die ihnen im wesentlichen zugewiesene Aufgabe besteht in der Organisation der Wahlen.
Das Wahlrecht ist allgemein, gleich, direkt und geheim. Ein reines Verhältniswahlrecht, das keine Sperrklauseln kennt, begünstigt kleine und kleinste Parteien.
2.5.5 Der Reichstag
Ist das zentrale Organ der Weimarer Republik. Er hat den überwiegenden Teil der Legislative und in normalen Zeiten die Gesetzesinitiative, er kontrolliert die Regierung und entscheidet über Krieg und Frieden.
2.5.6 Der Reichsrat
Besitzt nur ein suspensives Veto. Insgesamt gesehen, ist er schwach und keine echte Vertretung der Länderinteressen.
2.5.7 Die Reichsregierung
Hat eine insgesamt schwache Stellung, da sie vom Reichstag durch das einfache Misstrauensvotum und vom Reichspräsident durch dessen Vertrauen abhängig ist.
2.5.8 Die Grundrechte
Ihre Stellung ist schwächer als im heutigen GG der Bundesrepublik. In der WRV sind sie nicht verstaatlicht. Während in Weimar die Grundrechte nur nach der Maßgabe der Gesetze gewährleistet wurden, können in der Bundesrepublik Gesetze nur nach Maßgabe der Grundrechte erlassen werden.
2.5.9 Zusammenfassung
Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) galt zu ihrer Zeit als eine der liberalsten Verfassungen in ganz Europa. Dies ist vor allem auf die Bereiche Arbeitsgesetzgebung, Handel und Wirtschaft bezogen.
(ckeins edit)
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