8.1) Koalitionen und Verbände des Arbeitslebens
Begriff: Unter Koalitionen versteht man die Zusammenschlüsse der Arbeitnehmer oder Arbeitgeber zum Zwecke der gemeinsamen Aushandlung bzw. Durchsetzung der Arbeits- und Entgeltbedingungen.
Entwicklung: Ursprünglich stand der Staat den Koalitionen (freiwilligen Zusammen-schlüssen) ablehnend gegenüber. Erst durch das Staatsgrundgesetz 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und durch das Vereinsgesetz aus dem gleichen Jahr sowie durch das Koalitionsgesetz von 1870 wurden die rechtlichen Voraus-setzungen für solche Zusammenschlüsse geschaffen.
8.1.1) Gesetzliche Interessenvertretungen (Kammern)
Wesen der Kammern:
durch Gesetz geschaffen
Pflichtmitgliedschaft
gesetzlicher Wirkungskreis
Selbstverwaltung mit bloßer Aufsicht des Staates
Pflichtbeiträge der Mitglieder (Kammerumlagen)
Körperschaften öffentlichen Rechts.
Zunächst hat der Staat Handelskammern geschaffen. Erst nach dem 1. Weltkrieg wurden auch für Arbeitnehmer Kammern errichtet.
Die wichtigsten Kammer auf Arbeitnehmerseite sind:
Die Kammern für Arbeiter und Angestellte
Organisation: Für jedes Bundesland ist eine eigene Arbeiterkammer eingerichtet. Die Länderkammern sind zusammengeschlossen in der Bundesarbeitskammer. Den Arbeiterkammern gehört die überwiegende Zahl der Arbeitnehmer an (ausgenommen sind insbesondere Landarbeiter und die öffentlich Bediensteten).
Aufgabe der Arbeiterkammer ist die Vertretung der wirtschaftlichen, sozialen, beruflichen und kulturellen Interessen ihrer Mitglieder. Sie haben u.a. das Recht, Vertreter in Beiräte, in Körperschaften und andere öffentliche Gremien zu entsenden, Vorschläge und Gutachten zu erstatten und zu Gesetzentwürfen Stellung zu nehmen.
Die Landarbeiterkammern sind die Interessenvertretungen der Arbeiter (nicht auch der Angestellten!) in der Land- und Forstwirtschaft. Sie haben ähnliche Aufgaben wie die Arbeiterkammern.
Die wichtigsten gesetzlichen Interessenvertretungen auf Arbeitgeberseite sind:
Die Wirtschaftskammern
Organisation: Wirtschaftskammern in den Bundesländern (z.B. Wirtschaftskammer Wien) und auf Bundesebene die Wirtschaftskammer Österreich. Sie ist die bedeutendste Interessenvertretung auf Arbeitgeberseite und erfüllt zum Teil auch staatliche Aufgaben (auf dem Gebiet des Lehrlingswesens und der Exportförderung - Außenhandelsdelegierte).
Die Kammern der Land- und Forstwirtschaft in den einzelnen Bundesländern und die Präsidentenkonferenz der österreichischen Landwirtschaftskammern sind die gesetzliche Interessenvertretung der in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Arbeit-geber.
Die Kammern der freien Berufe sind die gesetzliche Interessenvertretung der frei-beruflich Tätigen (Ärztekammern, Apothekerkammern, Rechtsanwaltkammern, Ingenieur- und Architektenkammern, Kammer der Wirtschaftstreuhändler und dergleichen).
8.1.2) Freiwillige Berufsvereinigungen
Organisation der freiwilligen Berufsvereinigungen:
Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes
freiwillige Mitgliedschaft
Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge
Aufgabenstellung nicht durch das Gesetz, sondern durch die Vereinsstatuten.
Die wichtigsten freiwilligen Berufsvereinigungen auf Arbeitnehmerseite sind:
Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB)
Er ist die wichtigste Berufsvereinigung auf Arbeitnehmerseite. Zahlreiche Gesetze haben dem ÖGB Aufgaben und Befugnisse übertragen. Er ist daher in zahlreichen Beiräten, Kommissionen und Ausschüssen vertreten und so in der Lage, die Interessen seiner Mitglieder gegenüber den Gebietskörperschaften frühzeitig zur Geltung zu bringen. Zu den wichtigsten Aufgaben zähl zweifellos der Abschluß von Kollektivverträgen (so wurden 1995 z.B. 456 Kollektivverträge abgeschlossen), die Schulungs- und Bildungstätigkeit sowie der Rechtsschutz der Mitglieder.
Die übrigen freiwilligen Berufsvereinigungen auf Arbeitnehmerseite sind nur für kleinere Berufsgruppen von Bedeutung. Dazu zählen
der pharmazeutische Reichsverband (für die angestellten Pharmazeuten)
die Land- und Forstarbeiterbünde (für die Land- und Forstarbeiter in den einzelnen Bundesländern)
Auf der Arbeitgeberseite bestehen unter anderem folgende freiwillige Berufs-vereinigungen:
die Vereinigung österreichischer Industrieller: Sie ist die weitaus wichtigste Berufsvereinigung auf Arbeitgeberseite
Verband der österreichischen Zeitungsherausgeber
Hauptverband der graphischen Unternehmungen Österreichs
Hauptverband der österreichischen Sparkassen
Zentralverband der land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeber.
8.2) Kollektive Rechtsgestaltung
Entwicklung: Kollektivverhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-vereinigungen und als ihr Ergebnis Kollektivverträge haben sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Aber erst nach dem 1. Weltkrieg wurde der Kollektivvertrag gesetzlich geregelt (durch das Einigungsamtsgesetz 1919). Auch andere generelle Normen zur Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen haben sich entwickelt. Durch das Arbeitsverfassungsgesetz (BGBl. Nr. 22/1974) wurden all diese kollektivrechtlichen Normen zusammengefaßt und systematisch geordnet (kodifiziert).
Zweck der "kollektiven Rechtsgestaltung" ist es, ein Instrumentarium zu schaffen, das es ermöglicht, für eine möglichst große Zahl von Arbeitnehmern, für alle Branchen und alle Regionen sachgerecht die Lohn- und Arbeitsbedingungen frei-zusetzen. Durch das System der freien Kollektivverhandlungen wird diese Aufgabe überwiegend von den Berufsvereinigungen und gesetzlichen Interessenvertretungen frei von staatlichem Einfluß erfüllt.
Die Instrumente der kollektiven Rechtsgestaltung sind:
der Kollektivvertrag
die Satzung
der Mindestlohntarif
die generelle Festsetzung von Lehrlingsentschädigungen
die Betriebsvereinbarung.
8.2.1) Kollektivvertrag
Begriff: Kollektivverträge sind schriftliche Vereinbarungen, die zwischen kollektiv-vertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgebern und der Arbeitnehmer abgeschlossen werden. Die Kollektivverträge regeln vor allem die gegenseitige Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und die Rechtsbeziehung zwischen den vertragsschließenden Parteien des Kollektivvertrages. Entsprechend diesem hauptsächlichen Inhalt eines Kollektivvertrages unterscheidet man daher:
Obligatorischer Teil Verpflichtet die Organisationen, die den Vertrag schufen
Normativer Teil
(Rechte und Pflichten Wird Bestandteil des einzelnen Arbeitsvertrages
der AN und AG)
Kollektivvertragsfähig (das ist die Fähigkeit, Kollektivverträge abschließen zu können) sind u.a.:
die gesetzlichen Interessenvertretungen, sie sind kraft Gesetzes kollektiv-vertragsfähig
die freiwilligen Berufsvereinigungen. Liegen die gesetzlichen Vorraus-setzungen (z.B. maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung, Unabhängigkeit vom sozialen Gegenspieler) vor, wird ihnen die Kollektivvertragsfähigkeit vom Bundeseinigungsamt verliehen
juristische Personen des öffentlichen Rechts (nur bezüglich der Arbeits-verhältnisse ihrer eigenen Arbeitnehmer)
bedeutende Vereine (die keiner kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitgeber angehören), ebenfalls nur bezüglich der Arbeitsverhältnisse zu ihren Arbeitnehmern.
Geltungsdauer: Voraussetzung für die Geltung des Kollektivvertrages ist:
Hinterlegung beim BM für Arbeit und Soziales
Veröffentlichung ("Kundmachung") in der Wiener Zeitung
Geltungsbeginn ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung oder der im Kollektivvertrag vorgesehene Zeitpunkt.
Außerkrafttreten: Mit dem Kollektivvertrag hierfür allenfalls vorgesehenen Datum (Zeitablauf), sonst durch Kündigung.
Rechtswirkungen:
Normwirkung: So wie ein Gesetz unabhängig davon gilt, ob der Einzelne das Gesetz und seinen Inhalt billigt, so gilt auch der Kollektivvertrag für die von seinem Geltungsbereich erfaßten Arbeitnehmer.
Außenseiterwirkung: Gilt der Kollektivvertrag für den Arbeitgeber, so gilt er auch für alle seine Arbeitnehmer, d.h. auch für solche Arbeitnehmer, die nicht der Gewerkschaft angehören, welche den Kollektivvertrag abgeschlossen hat.
Nachwirkung: Auch wenn ein Kollektivvertrag erloschen ist, bleiben seine Wirkungen für jene Arbeitsverhältnisse bestehen, die vom Kollektivvertrag vor seinem Erlöschen erfaßt wurden.
Istlohn-Politik: Die tatsächliche bezahlten Löhne ("Effektiv-" oder "Istlöhne") sind meist höher als die durch den Kollektivvertrag geregelten Mindestentgelte. Eine Erhöhung der Mindestentgelte allein würde daher für viele Arbeitnehmer keine Verbesserung ihres Einkommens bewirken. Daher wird beim Abschluß eines Kollektivvertrages häufig auch eine Erhöhung der Istlöhne vereinbart. Um die Spanne zwischen dem tatsächlich bezahlten Entgelt und dem Mindestentgelt (die "Lohndrift") zu verringern, werden die Mindestlöhne aber meist stärker erhöht.
Dem Kollektivvertrag entspricht für die Regelung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Heimarbeiter der Heimarbeitsgesamtvertrag.
In Zeiten schwacher Konjunktur und eines Überangebotes an Arbeitskräften ist die Lohndrift gering oder negativ.
8.2.2) Satzung
Begriff: Satzung nennt man die Ausdehnung des Geltungsbereiches eines Kollektiv-vertrages.
Zweck: Durch die Satzung sollen die vom Kollektivvertrag nicht erfaßten Arbeit-geber (die Außenseiter) gezwungen werden, ihre Arbeitnehmer zu den gleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen zu beschäftigen wie jene Arbeitgeber, die einen Kollektivvertrag abgeschlossen haben.
8.2.3) Mindestlohntarif
Begriff: Der Mindestlohntarif ist eine Verordnung, die von einer Verwaltungs-behörde erlassen wird und die Festsetzung von Mindestentgelten bzw. Mindest-beträgen für den Ersatz von Auslagen zum Inhalt hat.
Zweck: Durch den Mindestlohntarif soll in Bereichen, in denen auf Arbeitgeberseite keine kollektivvertragsfähige Körperschaft besteht (weshalb weder ein Kollektiv-vertrag abgeschlossen noch eine Satzung erlassen werden kann), die Möglichkeit geschaffen werden, Mindestentgelte festzusetzen. Mindestlohntarife werden insbesondere für Teile des Hausbesorgerentgelts, das Entgelt der Hausgehilfen und das Entgelt von Privatlehrern erlassen.
Der Mindestlohntarif kann nur Mindestentgelte und Mindestaufwands-entschädigungen, nicht aber sonstige Arbeitsbedingungen regeln. Dem Mindestlohntarif entspricht der Heimarbeitstarif für Heimarbeiter.
8.2.4) Festsetzung von Lehrlingsentschädigungen
Begriff: Durch Verordnung einer Verwaltungsbehörde (Bundeseinigungsamt) kann für bestimmte Berufsgruppen eine Lehrlingsentschädigung festgesetzt werden.
Zweck: Für Wirtschaftszweige, in denen kein Kollektivvertrag besteht, soll den Lehr-lingen ein Mindestentgelt gesichert werden.
Verfahren: Auf Antrag einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft entscheidet das Bundeseinigungsamt.
8.2.5) Betriebsvereinbarung
Begriff: Betriebsvereinbarungen sind schriftliche Vereinbarungen zwischen dem Betriebsinhaber und dem Betriebsrat.
Inhalt: In Betriebsvereinbarungen können nicht beliebige Angelegenheiten geregelt werden, sondern nur jene, die durch ein Gesetz oder durch einen Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung zur Regelung übertragen sind. Angelegenheiten, welche die Betriebsvereinbarung aufgrund gesetzlicher Ermächtigung regeln kann, sind zum Beispiel:
Festlegung der Arbeitszeit und der Arbeitspausen
die Art und Weise der Entgeltzahlung (z.B. bargeldlose Lohnzahlung)
betriebliche Disziplinarordnungen
Fragen der Betriebspensionen
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit
Leistungslohnsysteme und dergleichen
Die Festsetzung des Entgeltes ist jedoch Sache des Kollektivvertrages, nicht der Betriebsvereinbarungen (ausgenommen ganz bestimmte Entgelte, wie z.B. Jubiläumsgelder und dergleichen).
Erzwingbare Betriebsvereinbarungen nennt man jene, deren Abschluß bei einer Schlichtungsstelle erzwungen werden kann.
Nichterzwingbare ( oder fakultative) Betriebsvereinbarungen nennt man jene, die nicht erzwungen werden können, sondern nur zustande kommen, wenn sich Betriebsrat und Betriebsinhaber darauf einigen.
Ob eine Betriebsvereinbarung erzwingbar ist oder nicht, hängt davon ab, welche Angelegenheiten sie regeln will.
8.2.6) Günstigkeitsprinzip
Die verschiedenen Arten der kollektiven Rechtsgestaltung stehen in einer strengen Rangordnung zueinander. Die jeweils stärkere Norm verdrängt die schwächere.
Kollekivvertrag
Satzung
Mindestlohntarif
Betriebsvereinbarung
Arbeitsvertrag
Nur insoweit die Bestimmungen für den Arbeitnehmer günstig sind, bleiben sie bestehen, werden durch die höherrangige Norm also nicht verdrängt (Günstigkeits-prinzip).
8.3) Arbeitskampfrecht
Begriff: Unter Arbeitskampfrecht versteht man die von einer Partei des Arbeits-lebens (von einer Gewerkschaft, einem Arbeitgeberverband) ergriffenen kollektiven Maßnahmen zur Erreichung bestimmter Ziele.
Ziel der Koalitionen ist es, durch Zusammenschluß und gemeinsames Vorgehen bei der Aushandlung der Arbeitsbedingungen mit dem jeweiligen sozialen Gegenspieler (der Gewerkschaft oder dem Arbeitgeberverband) ein möglichst günstiges Ergebnis zu erzielen. Kommt eine Einigung nicht zustande (z.B. über einen Kollektivvertrags-abschluß), so bleiben den Verbänden die Mittel des Arbeitskampfes, um ihre Ziele durchzusetzen.
Die wichtigsten Erscheinungsformen des Arbeitskampfes sind:
der Streik: Darunter versteht man die gemeinsame Arbeitsniederlegung in der Absicht, nach Einigung der Streikziele die Arbeit wieder aufzunehmen.
die Aussperrung: Darunter versteht man die Ausschließung der Arbeit-nehmer von der Arbeit durch die Arbeitgeber in der Absicht, sie solange nicht wieder zu beschäftigen, bis das von den Arbeitgebern angestrebte Ziel erreicht ist.
der Boykott ist die Verabredung von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern mit dem Ziel, den Anderen vom geschäftlichen Verkehr abzusperren. Dies soll dadurch erreicht werden, daß man selber nicht mit ihm in geschäftliche Beziehung tritt und auch andere zum Abbruch bzw. zur Nichtaufnahme der geschäftlichen Beziehung auffordert.
Ein Arbeitskampfrecht (also eine gesetzliche Regelung der verschiedenen Erscheinungsformen des Arbeitskampfes) besteht in Österreich nicht. Der Staat steht dem Arbeitskampfrecht rechtlich neutral gegenüber. Dies ergibt sich aus vereinzelten gesetzlichen Bestimmungen, die sich am Rande mit Problemen des Arbeitskampfes beschäftigen. Solche gesetzlichen Bestimmungen sind:
In Betriebe, in denen Streik oder Aussperrung herrschen, dürfen die Arbeitsämter keine Arbeitnehmer vermitteln
Arbeitnehmer, die an einem Streik teilnehmen, haben keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung
Streikteilnehmer können sich in der Krankenversicherung freiwillig weiter-versicheren.
Trotz des Fehlens gesetzlicher Regelungen spielen Arbeitskämpfe in Österreich eine nur sehr geringe Rolle.
Einer der Gründe für die geringe Zahl an Streiks in Österreich ist sicherlich auch die Sozial- oder Wirschaftspartnerschaft, das ist die Zusammenarbeit der über-betrieblichen Interessenvertretungen (insbesondere ÖGB, Arbeiterkammer einerseits und Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammern andererseits) in vielen Fragen der Sozial- und Wirtschaftspolitik.
8.4) Sozialpartnerschaft
Unter Sozialpartnerschaft (im weitesten Sinn) versteht man die für Österreich typische Form des Zusammenwirkens der Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich nach dem 2. Weltkrieg entwickelt hat.
Die Sozialpartner nehmen an der staatlichen Verwaltung teil, z.B. durch die Begut-achtung von Gesetzentwürfen, die Wahl von fachkundigen Laienrichtern in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sowie das in vielen Verwaltungsvorschriften enthaltene Recht auf Beschickung staatlicher Kommissionen (z.B., Gleich-behandlungskommission), Beiräte und dergleichen.
Eine der wichtigsten Institutionen der Sozial- und Wirtschaftspartnerschaft ist die "paritätische Kommission für Lohn- und Preisfragen".
Sie beruht auf keinem Gesetz, sondern ist eine freiwillige Institution, die seit 1957 besteht.
Zusammensetzung: Mitglieder sind der Bundeskanzler, die für die Wirtschafts- und Sozialfragen zuständigen Bundesminister sowie die Präsidenten und General-sekretäre der Wirtschaftskammer Österreich, der Präsidentenkonfernez der Land-wirtschaftskammern, der Bundesarbeitskammer und des Österreichischen Gewerk-schaftsbundes.
Unterausschüsse: Es bestehen folgende Unterausschüsse:
der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen (er erstellt wissenschaftliche Studien und gibt Empfehlungen)
die Lohnunterkommission (sie gibt die Verhandlungen zwischen den Kollektivvertragspartnern zum Abschluß von Kollektivverträgen frei)
der Preisunterausschuß (er gibt Empfehlungen über Zeitpunkt und Ausmaß von Preiserhöhungen ab).
8.5) Betriebsverfassung
Begriff: Betreibsverfassungsrecht nennt man jene gesetzlichen Bestimmungen, die die Organisation der Arbeitnehmerschaft im Betrieb und Unternehmen regeln.
8.5.1) Organisation
Nach dem Arbeitsverfassungsgesetz (BGBl. Nr. 22/1974) sind Betriebsräte in allen Betrieben zu errichten, in denen dauernd mindestens 5 Arbeitnehmer beschäftigt sind, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Zahl der Mitglieder des Betriebs-rates hängt von der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer ab.
Wahlberechtigte Arbeitnehmer
Betriebsratsmitglieder
5 - 9
1
10 - 19
2
20 - 50
3
51 - 100
4
101-1000 für je 100 Arbeitnehmer
1 weiteres Betriebsratsmitglied
>1000 für je weitere 400 Arbeitnehmer
1 weiteres Betriebsratsmitglied
Welche betriebsverfassungsrechtlichen Organe in den Betrieben bzw. Unter-nehmungen zu bilden sind, ist abhängig von
der Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft (Arbeiter, Angestellte, jugendliche Arbeitnehmer) und
der Organisation des Unternehmens (Anzahl der Betriebe);
der für Kleinbetriebe typischen Organisationsform (die Gruppe der Arbeiter oder die der Angestellten umfaßt keine 5 Arbeitnehmer).
Die wichtigsten Vertretungsorgane sind:
8.5.2) Betriebsrat
Wahl: Die Mitglieder des Betriebsrates werden aufgrund des gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlrechtes für 4 Jahre gewählt. Der Betriebsrat ist das wichtigste Organ zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen im Betrieb.
Aufgaben: Der Betriebsrat hat die Interessen der Arbeitnehmer des Betriebes auf wirtschaftlichem, sozialem, gesundheitlichem und kulturellem Gebiet zu vertreten.
Befugnisse: Zur Erfüllung dieser Aufgaben hat der Betriebsrat durch das Gesetz zahlreiche Befugnisse erhalten (siehe unten).
Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder: Die Betriebsratsmitglieder haben - zur besseren Erfüllung ihrer Aufgaben - unter anderem folgende gesetzliche Rechte:
Weisungsfreiheit (sie sind an keine Weisungen gebunden und bloß der Betriebsversammlung politisch verantwortlich)
Benachteiligungsverbot (sie dürfen wegen Ausübung ihrer Tätigkeit, insbesondere bei Entgelt- und Aufstiegsmöglichkeiten, nicht benachteiligt werden)
Freizeitgewährung (sie haben Anspruch auf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Freizeit unter Fortzahlung ihres Arbeitsentgeltes. In Betrieben ab 150 Arbeitnehmern sind je nach der Zahl der vorhandenen Arbeitnehmer ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder zur Gänze von der Arbeit freizustellen)
Bildungsfriestellung (grundsätzlich stehen jedem Betriebsratsmitglied pro Funktionsperiode 2 Wochen - in Ausnahmefällen bis 4 Wochen - bezahlte Freistellung für Bildungszwecke zu)
Anspruch auf Auslagenersatz (aus dem Betriebsratsfonds)
besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz (siehe oben)
Vertretung des Betriebsrats: Vertreter des Betreibsrates nach außen ist der/die Betriebsratsvorsitzende (von den Mitgliedern des Betriebsrates gewählt).
8.5.3) Zentralbetriebsrat
Der Zentralbetriebsrat wird von allen Betriebsratsmitglieder des Unternehmens gewählt. Seine Aufgabe ist es, die (wirtschaftlichen) Mitwirkungsbefugnisse auf der Ebene des Unternehmens auszuüben. Auch jene Mitwirkungsbefugnisse, die über den Bereich eines Betriebes hinausgehen, hat der Zentralbetriebsrat auszuüben.
8.5.4) Betriebsversammlung
Die Betriebsversammlung ist die Versammlung aller wahlberechtigten Arbeitnehmer des Unternehmens.
Aufgaben:
Bestellung des Wahlvorstandes für die Betriebsratswahl
Behandlung der Berichte des Betriebsrates
Beschluß über die Einhebung einer Betriebsratsumlage
die Bestellung von Rechnungsprüfern
Beschluß über Enthebung des Betriebsrates
Die Betriebsversammlung findet mindestens einmal im Kalenderhalbjahr statt.
8.5.5) Jugendvertrauensrat
Bestellung: Er wird von der Jungendversammlung für eine Funktionsperiode von 2 Jahren gewählt.
Aufgaben: Vertretung der besonderen Interessen der jugendlichen Arbeitnehmer des Betriebes im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat
8.5.6) Betriebsratsfonds
Aufgaben:
Deckung der Kosten, die durch die Geschäftsführung des Betriebsrates entstehen
Finanzierung von Wohlfahrtseinrichtungen zugunsten der Arbeitnehmer
Aufbringung der Mittel: Der Fonds wird vor allem durch die Betriebsratsumlage finanziert (die Betriebsversammlung kann die Einhebung einer Betriebsratsumlage bis zur Höhe von einem halben Prozent des Bruttoentgeltes beschließen).
Organisation: Der Betriebsratsfonds wird vom Betriebsrat verwaltet und vom Betriebsratsvorsitzenden nach außen vertreten. Ein bis zwei Rechnungsprüfer haben die Fondsverwaltung zu prüfen.
8.5.7) Die einzelnen Mitwirkungsbefugnisse
Die dem Betriebsrat (Betriebsausschuß, Zentralbetriebsrat) zustehenden Befugnisse können nach verschiedensten Gesichtspunkten geordnet werden. Insbesondere unterscheidet man
Nach der Intensität der Mitwirkung:
Überwachungsrechte
Interventionsrechte
Mitwirkungsrechte
Mitentscheidungsrechte (Mitbestimmung) oder
nach der Angelegenheit, in der eine Mitwirkung vorgesehen ist:
Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten
Mitwirkung in personellen Angelegenheiten
Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten.
Überwachungsrecht ist z.B. das Recht des Betriebsrates, in die im Betrieb geführten Aufzeichnungen über die Bezüge der Arbeitnehmer Einsicht zu nehmen, oder das Recht, die Einhaltung der im Betrieb geltenden Normen (Kollektivvertrag, Betriebs-vereinbarungen und dergleichen) zu überwachen.
Zum Interventionsrecht zählt z.B. das Recht, beim Betriebsinhaber oder den zuständigen Stellen (wie z.B. in Arbeitnehmerschutzangelegenheiten, das Arbeit-inspektorat) in allen Angelegenheiten vorstellig zu werden, welche die Interessen der Arbeitnehmer berühren.
Informationsrecht: Der Betriebsinhaber hat dem Betriebsrat über alle Angelegen-heiten, welche die Interessen der Arbeitnehmer berühren, Auskunft zu erteilen.
Beratungsrecht: Der Betriebsinhaber hat mindestens vierteljährlich mit dem Betriebs-rat zu beraten (laufende Angelegenheiten, die allgemeinen Grundsätze der Betriebs-führung und die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen).
Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten:
Mitwirkung bei Berufsausbildungs- und Schulungsmaßnahmen (der Betriebsrat muß informiert werden, darf Vorschläge erstatten, an den einschlägigen Verhandlungen zwischen dem Betriebsinhaber und den Behörden teilnehmen und an der Verwaltung der Einrichtungen mit-wirken).
Mitwirkung an der Verwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen, die der Arbeitgeber errichtet.
Der Zustimmung des Betriebsrates bedürfen z.B. die Einführung betrieblicher Disziplinarordnungen, die Einführung von besonderen Personalfragebögen, die Einführung von Kontrollmaßnahmen, welche die Menschenwürde berühren (Fernsehüberwachung des Arbeitsplatzes), die Einführung und Regelung von Leistungslöhnen (Akkordlohn).
Der Abschluß von Betriebsvereinbarungen.
Mitwirkung in personellen Angelegenheiten:
Information und Beratung mit dem Betriebsrat bei Einstellung von Arbeit-nehmern.
Verhängung von Disziplinarmaßnahmen nur mit Zustimmung oder Mitwirkung des Betriebsrates.
Die Vergabe von Werkwohnungen und die beabsichtigte Beförderung von Arbeitnehmern ist mit dem Betriebsrat zu beraten.
Dauernde Versetzung eines Arbeitnehmers auf einen schlechteren Arbeitsplatz bedarf der Zustimmung des Betriebsrates.
Anfechtung von Kündigungen und Entlassungen.
Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten:
Dazu gehören u.a.:
Informations- und Beratungsrechte über die wirtschaftliche Lage des Betriebes, insbesondere bei Betriebseinschränkungen, Stillegung oder Produktionsänderungen;
in größeren Betrieben das Recht auf Bilanzeinsicht und Erläuterung derselben.
Mitwirkung im Aufsichtsrat: In Aktiengesellschaften, Ges.m.b.H. mit Aufsichtsrat, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und größeren Genossenschaften entsendet der Zentralbetriebsrat Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat. Das Verhältnis zwischen den Vertretern des Kapitals und der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat beträgt 2:1 (Drittelvertretung).
Einspruch gegen die Wirtschaftsführung: In größeren Betrieben kann der Betriebsrat gegen die Wirtschaftsführung unter gewissen Voraussetzungen Einspruch erheben; in Betrieben mit mehr als 400 Arbeitnehmern an eine staatliche Wirtschaftskommission. Der Einspruch hat im wesentlichen nur aufschiebende Wirkung.
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