Um sich vor bösen Überraschungen zu schützen oder den richtigen Zeitpunkt
für ihre Unternehmungen zu finden, ließen Feldherren, Könige und Prä-sidenten immer wieder die Sterne oder andere Medien nach der Zukunft
befragen. Heute setzt man auf Wahlforschung und wissenschaftliche Metho-den. In präzisen Zahlen und Statistiken hofft man, Ärger und Hoffnungen der Bürgerinnen und Bürger zu quantifizieren und zu qualifizieren.
Die Parteien nutzen Umfragen auch, um die eigenen Wähler zu mobilisieren und die der Konkurrenz zu demotivieren. Im letzten Jahr mochten die
Regierungsparteien jeden kleinen Aufstieg aus ihrer schlechten demosko-pischen Ausgangslage z.B. als Trendwende gedeutet sehen .
Die kommerziellen Institute arbeiten meist in der Konsumentenforschung und testen daneben im Auftrag von Parteien oder Medien auch die Auffassung der
BürgerInnen zu politischen Fragen. Die großen Institute, die in den Medien für bunte Schaubilder sorgen sind (in Klammern: bekannte große Kunden):
Institut für Demoskopie Allensbach (FAZ), Emnid (NTV, Spiegel) Forschungs-gruppe Wahlen (ZDF), Forsa (RTL, Die Woche), Infas (WDR) und Dimap / Infratest (mdr, BILD ).
Die wissenschaftlichen Institute liefern in der Regel Hintergründe über gesellschaftliche Trends. Sie präsentieren ihre Ergebnisse bislang nur selten im Internet.
In bunten Torten- oder Säulendiagrammen wird die Stimmung der Bürgerinnen und Bürger auf die Stelle hinter dem Komma verzeichnet. So als könnte man sie tatsächlich genau messen.
Die Umfragen haben mit zwei großen methodischen Problemen zu kämpfen, die ihre Aussagen einschränken :
1. Die Befragten sollen für die Wählerschaft repräsentativ sein. Um das zu schaffen, um also mit Alten und Jungen, mit Frauen und Männern, mit verschiedenen Berufsgruppen, Regionen usw. angemessen vertreten zu
sein, müßte man eine Größenordnung erreichen, die ein Vielfaches über den üblichen 1200 bis 2000 Befragten liegt. Eine solche Untersuchung will aber nur selten jemand bezahlen. Also behilft man sich mit einer Zufallsauswahl, die repräsentativ sein soll, weil alle Wahlberechtigten theoretisch die gleiche Chance haben, befragt zu werden.
Doch diese Chance reduziert sich an ganz praktischen Hindernissen: Man trifft ausgesuchte Personen nicht an oder sie weigern sich zu antworten etc.
2. Diese zufällig Ausgewählten setzen sich oft in ihren politischen Vorlieben anders zusammen als die Wählerschaft insgesamt. Dabei gibt es in Einzelfällen erhebliche Abweichungen. Da man aber nicht weiß, wie groß im konkreten Fall diese Abweichung ist, behilft man sich mit Durchschnittswerten.
Im Ergebnis heißt das: Bei den üblichen 1.200 Befragten liegt für die großen Parteien das Ergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit von 92% in einem Bereich, der etwa 3,5% um den angegebenen Wert schwankt. Wenn also eine Umfrage 35,7 % für die SPD angibt, wäre es korrekt zu sagen: Die SPD liegt zwischen 32,2 und 39,2%. Und auch das ist nur zu 92% sicher.
Mit solchen Zahlen läßt es sich prächtig spekulieren, aber nicht wirklich etwas anfangen. Für die Wahlkämpfer sind daher von mehreren Instituten bestätigte langfristige Trends der Wählerwünsche, der Images von Parteien und Spitzen-kandidaten, ja sogar die öffentliche Wirkung der veröffentlichen Zahlen wichtiger als das präzise einzelne Ergebnis.
Daneben nutzen die Wahlkämpfer Forschungsinstitute, um Medien und Gegner zu beobachten, um Plakate und Slogans oder Anzeigen zu testen.
Die Medien klagen zwar über machtversessene Politiker, rücken aber selbst die Machtfrage in den Vordergrund: Wer ist der Kandidat, wer steigt auf, wer streitet sich mit wem? Diese Fragen prägen die Berichterstattung und die
Interviews viel mehr als das Scheitern beim \"Kampf\" gegen die Arbeitslosigkeit. Inhalte werden meist dann erst zum Thema, wenn sie in Machtkämpfen eine Rolle spielen.
Die Wähler hören, sehen, lesen über Politik oder reden darüber beim Bäcker oder am Arbeitsplatz. So entwickelt sich der gute oder schlechte Eindruck, den Politik beim Bürger hinterläßt. Weil sich dieses Image über Jahre verfestigt, kann man es in einer kurzen Wahlkampagne nur sehr begrenzt verändern .
Man unterscheidet Medienpräsenz, die nichts kostet - Berichte in Radio, Fernsehen oder Zeitungen - und solche, die die Parteien selbst bestellen und bezahlen: Werbespots, Plakate, Broschüren oder Anzeigen. Beide Elemente kennt man aus bisherigen Wahlkämpfen. Nach amerikanischem Vorbild nutzen die Parteien inzwischen auch die direkte Wähleransprache per Telefon oder Post und per Internet. Und natürlich wird aktive Presse- und Öffentlichkeits-arbeit betrieben .
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