Man darf nun aber nicht von den aufgelisteten unterschiedlichen Akzentsetzungen auf eine generelle Unvereinbarkeit schlieen. Zumeist handelt es sich um verschiedene Schwerpunkte, nicht aber um sich widersprechende Inhalte. Lediglich die Vorstellungen darber, wer denn im Besitz der Produktionsmittel zu sein hat, scheint mir unvereinbar. Gleich ist hingegen beiden eine Wertschtzung des Menschen und eine daraus ableitbare Forderung nach Demokratisierung der Gesellschaft.
Mit den Begriffen Sozialismus und Liberalismus sind jeweils zwei groe, traditionsrei¬che und komlexe politische Theorien angesprochen. Da sie uns heute als so unvereinbar und genuin verfeindet erscheinen liegt auch daran, da diese Begriffe nicht zuletzt wegen historischen Mibrauchs auf nur eine Lesart begrenzt werden. Sie werden teilweise falsch angewendet, vergleicht man die heutige Vorstellungen darber mit jenen, die sich ur¬sprnglich mit ihnen verbunden haben.
Tatschlich kann man z.B. die Bundesrepublik Deutschland (sowie die meisten westli¬chen Industrienationen) als Ergebnis einer Verbindung von Liberalismus und Sozialismus ansehen. So kann ohne Schwierigkeit die auf eine Verfassung beruhene Rechtsstaatlichkeit neben innerbetrieblicher Demokratie stehen, die grundstzliche Gewhrleistung des Eigen¬tums (Art.14 Abs.1 GG) widerspricht nicht einem progressiven Einkommenssteuersatz und eine marktwirtschaftliche Ausrichtung der Wirtschaft bedarf anerkanntermaen der sozialen Korrektur durch den Staat.
Liberalismus und Sozialismus stehen also zu Unrecht nebeneinander. Der Streit hat sich nach dem Kalten Krieg auch nicht zuungunsten des Sozialismus schlechthin entschie¬den, da westlich der Elbe - freilich ohne das es die meisten so genannt htten - sozialisti¬sches Gedankengut (gerade auch im Sinne einer gesellschaftlichen Demokratisierung) durchaus Einflu auf die Entwicklung genommen hat und ein integraler Bestandteil ge¬worden ist.
Im Laufe der Zeit sind wichtige Elemente aus beiden Denkrichtungen eine Verbindung eingegangen, die heute kaum mehr losgelst voneinander zu denken sind und zusammen unser westliches Verstndnis von einem modernen Staatsaufbau strukturieren. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Aufteilung in miteinander unvertrgliche liberale oder sozialisti¬sche Einstellungen berholt. Es knnte nur heute sinnvoll sein, die Begriffe neu mit Leben zu fllen. Was heit es in einem sozialmarktwirtschaftlichen Rechtsstaat, libe¬ral/sozalistisch zu sein?
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