Wie die Darstellung der Kommunikationsformen im Internet belegt hat, setzt sich etwa seit 1996 auch in der BRD mehr und mehr die Auffassung durch, daß Werbung im Internet nicht als Pendant der massenmedialen Anzeigen- bzw. Spotwerbung, sondern als individuelle dialogische Werbung zu begreifen ist . Die meisten und vor allem die innovativsten Werbeformen im Internet unterscheiden sich von Anzeigen bzw. Spots in den klassischen Massenmedien, also den Werbeformen, die in den letzten Jahrzehnten die Medienlandschaft dominierten, vor allem durch folgende Eigenschaften:
- Die Werbung in den Massenmedien wird dem Zuschauer, Zuhörer oder Leser unaufgefor¬dert präsentiert (Push), während im Internet die Initiative vom Nutzer ausgeht (Pull). Für den Werbetreibenden folgt daraus im Internet die eine Strategieänderung: \"Invitation statt Intrusion\" .
- Im Internet kann ein Dialog zwischen zwei Kommunikationsteilnehmern stattfinden, in den Massenmedien ist der Werbetreibende Sender für eine große Anzahl passiver Empfänger. Für den Werbetreibenden bedeutet dies im Internet folgende Paradigmenwechsel: \"One-to-One statt One-to-Many [...] Dialog statt Monolog\" .
Aus diesen beiden Eigenschaften folgen weitreichende Konsequenzen für die werbetreiben¬den Unternehmen. Die Dialogmöglichkeit von Metanetzwerken wie dem Internet ist auch ein Punkt, an den Regis McKennas Konzept des Echtzeitmarketing anknüpft. Er versteht darunter einen Dialog zwischen Unternehmen und Kunden, der bei der Entwicklung eines Produktes beginnt und bis weit nach dem Kauf hinausreicht und der vor allem den Kunden nicht als Ziel der Marketingbemühungen sieht, sondern als integralen, teilnehmenden Partner. McKenna sieht in diesem \"echten\", ungefilterten Dialog eine Chance für Unterneh¬men, sich auf den immer enger und kritischer werdenden Verbrauchermärkten durchzuset¬zen. Vorteile des Echtzeitmarketing sind für das Unternehmen
- kundennähere Produkte durch Mithilfe der Kunden an der Konzeption
- bessere Kundenbindung durch Identifikation mit dem von ihnen mitentworfenen Produkt
- billigere und präzisere Daten über die Kunden durch ungefiltertes Feedback anstatt tendenziell spekulativer Marktforschung .
Das Echtzeitmarketing bietet also Vorteile für die Kommunikations-, Preis und Produktpo¬litik und die Marketingforschung.
Die Vorteile für den Nutzer führt McKenna nicht ausführlich auf, sie sind jedoch leicht zu erkennen: Der Kunde wird als kritischer und mündiger Verbraucher anerkannt und hat die Möglichkeit, aktiv auf ein Unternehmen einzuwirken. Wie weit diese Einwirkung allerdings geht, hängt von der Art und dem Ausmaß ab, in dem Unternehmen die Öffnung ihrer Strukturen praktizieren. Das Konzept setzt schließlich eine vollständige Neuorientierung des gesamten Marketing voraus (so sieht McKenna die Markteinführung eines Produktes nicht als isoliertes Ereignis, sondern als Meilenstein in der Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen ) und birgt neben Chancen auch gewaltige Risiken, wie das Intel-Beispiel gezeigt hat. Auch Balzer/Glomb sehen die Gefahr der Kontraproduktivität dialogischen Marketings, wenn Unternehmensstrukturen nicht gleichsam nach außen wie nach innen geöffnet werden:
\"Denn den Unternehmen [...] muß bewußt sein, daß ein Revirement bestehender Kommunikations¬bedingungen und eine Hinwendung zu neuen Wegen in der Kommunikation nicht mit alten, tradier¬ten Strukturen bewerkstelligt werden kann. Die Entscheidung, Dialogbeziehungen (Interaktion) mit dem Kunden einzugehen, hat weitreichende Konsequenzen für die gesamte Unternehmensorgani¬sation.\"
Wie weit sich welche Unternehmen diesem Vorschlag gegenüber öffnen werden, läßt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beantworten. Es bleibt jedoch festzuhalten, daß das dialogorientierte Kommunikationsmodell des Internetmarketing kein isoliertes Phänomen, sondern gleichsam Folge und Verstärker der Entwicklung des Marketing ist, die sich verstärkt auf bedarfsgerechte Leistungen gegenüber dem Kunden, Flexibilität und Kostenorientierung konzentriert .
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