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Am Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlichte ein mexikanischer Protestant namens Carrión eine Sammlung von Aufsätzen über berühmte Indianer, darunter das Porträt eines Fray Martín Durán, der angeblich im 16. Jahrhundert von der Inquisition wegen Häresie zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt wurde. Joaquín García Icazbalceta - ein mexikanischer Historiker - wies nach, dass diese Biographie eine Fälschung war, deren Ziel darin bestand, zu zeigen, dass es damals schon pro-lutherische Indianer gegeben hätte. Wichtig im Sinne des Gegenstandes dieser Arbeit ist eines der grundlegenden Argumente Icazbalceta, mit dem er die Fälschung nachweisen konnte: Indianer fielen nicht unter die Inquisition, sondern unter die Zuständigkeit eines kirchlichen Richters (i.d.R. des Bischofs oder Erzbischofs). Diese Zuständigkeit wurde über eine spezielle Institution, den sogenannten Gerichtshof für Eingeborene [Natives\' Court] wahrgenommen.
Die Folge für die Geschichtsschreibung über die Inquisition in den spanischen Kolonien war jedoch zunächst kontraproduktiv: Aus der Nichtzuständigkeit des Heiligen Offiziums für Indianer wurde geschlussfolgert, es hätte keine Sanktionen für Glaubensabweichungen gegenüber der eingeborenen Bevölkerung gegeben. Ein Beispiel für diese weitverbreitete Annahme liefert der angesehene spanische Historiker Guillermo Céspedes del Castillo (1983) in dem Band seiner Historia de España, der sich mit den Kolonien beschäftigt: ... wurde die Inquisition 1571 in den kastilischen Kolonien eingeführt, Gott sei dank!, ohne juristische Befugnisse gegenüber den Indianern. (2) Anhänger dieser These berufen sich auf einen königlichen Erlass zur Einrichtung der Inquisition in Mexiko von 1570, in dem Indianer ausdrücklich von ihrer Rechtsprechung ausgenommen wurden, wegen ihrer Einfalt und fehlender Befähigung und weil viele von ihnen nicht gut im Glauben unterrichtet wurden.
In der Gegenwart hat sich v.a. Richard E. Greenleaf um die Aufdeckung dieses Irrtums verdient gemacht. Bei seinen Forschungen über das Heilige Offiziums in Mexiko stieß er auf die von Icazbalceta erstmals beschriebene Institution, die unter verschiedenen Namen in den Quellen erscheint: Büro (od. Offizium) des Provisors für Eingeborene (kurz: Provisorato), Tribunal für den Glauben der Indianer, Säkulare Inquisition, Vikariat für Indianer, Inquisición Ordinaria.
Diese Institution war für Glaubensfragen der Indianer zuständig und hat eine enorme Zahl von Prozessen geführt. Es handelte sich um eine Parallelstruktur zum Heiligen Offizium, auf der Ebene der Diözesen, die sich zu einer regelrechten Bürokratie entwickelte und nach den gleichen Prinzipien und mit den gleichen Symbolen wie die ,,offizielle\" Inquisition vorging, mit einiger Berechtigung also als ,,Inquisition für (oder gegen) Indianer\" bezeichnet werden kann.
Eine Folge dieser Doppelstruktur war laut Greenleaf ein ,,juristisches Durcheinander\", weil es sich bei den Provisoratos um Institutionen handelte, die Glaubensabweichungen der Indianer auf eine Art und Weise verfolgten, von der sie (die Indianer) formalrechtlich ausgenommen waren. Aus dieser Situation erwuchsen offensichtlich auch zahlreiche Kompetenzstreitigkeiten mit dem Heiligen Offizium, das zwar Nachforschungen auch unter Indianern betreiben durfte, aber eben keine Rechtsprechungsbefugnis ihnen gegenüber hatte.
Daß der Apparat der Provisoratos lange Zeit nicht erkannt bzw. ignoriert wurde, hat wahrscheinlich mit seinem dezentralen Aufbau zu tun und wohl auch damit, dass seine Existenz von der Kirche spätestens im Zuge des Aufkommens und der Durchsetzung aufklärerischer Gesellschaftsvorstellungen bewusst versteckt wurde. Deshalb befindet sich die Forschung in diesem Bereich und die wissenschaftliche Diskussion ihrer Ergebnisse noch relativ am Anfang; die Sichtung der entsprechenden Quellen ist im Gange.

 
 

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