Mit der Charta von Paris wurde 1990 ein neues Zeitalter der KSZE eingeläutet. Der Ost-West - Konflikt wurde begraben, doch die Hoffnungen, dadurch zu einem gesicherten Frieden in Europa zu gelangen, wurden spätestens mit dem Ausbruch des Krieges in Jugoslawien zunichte gemacht. Nachdem im Juni Kroatien und Slowenien ihre Unabhängigheit erklärt hatten, marschierte die jugoslawische Bundesarmee auf. Es kam in Slowenien \"zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit der dortigen Bürgermiliz.\" Österreich setzte den Militärischen Krisenmechanismus mit der Unterstützung der zwölf EG-Staaten in Gang, da die Kämpfe bis unmittelbar an seine Grenze reichten. \"Bei einer ersten Sitzung der KVZ [Konfliktverhütungszentrum] - Delegationen in Wien am 1. Juli einigte man sich unter Zustimmung des Vertreters Belgrads [...] darauf die \"sofortige Einstellung aller Kämpfe\" und die \"Rückkehr aller bewaffneten Kräfte, sowohl der Bundesarmee als auch der slowenischen Territorial-verteidigungsmilizen in ihre Unterkünfte\" zu fordern.\" Der Vorschlag von österreichischer Seite, Beobachter zu entsenden, wurde nicht angenommen. \"Damit hatte dieser militärische Mechanismus ausgedient. Er ist ja auch konzipiert worden für Fälle zwischenstaatlicher Konflikte [...] - er kann nicht für innerstaatliche Konflikte, bei Sezessionskriegen und bei Staatsauflösung greifen.\" In der ersten Hälfte des Jahres 1992 wurde Jugoslawien von allen KSZE - Aktivitäten ausgeschlossen. Dieser Beschluß wurde im Konsens-minus-eins - Verfahren getroffen. Es wurden des weiteren einige Missionen entsandt, die zum einen die Rückführung der Armee in ihre Kasernen überwachen, zum anderen auch in Gesprächen zwischen den Konfliktparteien vermitteln sollten. \"Bei all diesen Entschließungen und Erkundungsmissionen hinkte die KSZE hinter der EG her, es waren im Grunde \"Nachtrab\"-Aktionen im Schlepptau der EG. Ein eigenständiges Profil der KSZE gab und gibt es in dem kriegerischen Zerfallsprozeß Jugoslawiens nicht.\" Auch die Mechanismen selbst enthalten noch einige Probleme, das größte ist, das jeder dieser Mechanismen nur Empfehlungen geben kann, aber die KSZE keine Macht hat, diese Empfehlungen durchzusetzen. Auch das Konfliktverhütungszentrum hat nicht die Macht oder Fähigkeit, wirklich etwas auszurichten. Denn \"auch wenn es sinnvoll war, die vielfältigen und zum Teil äußerst schwierigen Aufgaben am selben Ort [...] zu bündeln, so spricht schon die bescheidene Ausstattung des Sekretariats (ein Direktor, zwei Beamte sowie administratives und technisches Personal) dafür, daß offenbar niemand ernsthaft daran denkt, dieser Einrichtung wirkliche Kompetenzen zu übertragen.\" Wirkliche Untersuchungen von möglichen Konflikten verlangen eine um einiges vielschichtigere Erfassung und Auswertung von Daten, was mit solch geringem Personal nicht möglich ist. Der Valetta-Mechanismus, der politische Krisenmechanismus sind in Bezug auf innerstaatliche Konflikte sowieso unbrauchbar, da sie nur bei zwischenstaatlichen Krisen greifen. Ein weiteres Problem der KSZE - Konfliktbewältigung ist, daß die Mechanismen und die Verträge immer nur so gut sein können, wie die Teilnehmerstaaten es zulassen. Von Anfang an wurde die innerstaatliche Souveränität für eine der wichtigsten Prinzipien gehalten. Dagegen läßt sich auch nichts einwenden, solange der Staat damit keinen Mißbrauch betreibt. Denn bei Verfolgung einer Minderheit durch diesen Staat sind dem Rest der Staatengemeinschaft wegen dieses Souveränitätsrechts die Hände gebunden. Dieses Recht wurde beim Mechanismus der menschlichen Dimension deswegen auch schon stark aufgelockert.
Doch darf man die KSZE nicht in einem solch schlechten Licht sehen. Denn daß diese Krisenmechanismen im Jugoslawienkonflikt \"so kurz nach ihrer Schaffung ein erstes Mal in einer echten Krise unter Einhaltung der komplizierten Regeln überhaupt in Gang gesetzt werden konnten, ist bemerkenswert und zeigt den politischen Willen, Konflikte gemeinsam zu lösen.\" Auch ist es nicht sicher, ob es überhaupt Wege gibt, solche ethnisch geprägten Konflikte gewaltfrei zu lösen. Denn auch die EU war bis jetzt noch nicht in der Lage, irgend etwas in diesem Konflikt auszurichten, obwohl sie \"über sehr viel stärkere Druckmittel (ökonomische Anreize oder auch Versagungen) verfügt [...] Auch der UNO ist es bisher nicht gelungen, dem Blutvergießen ein Ende zu machen.\" Auch der vorgeschlagene militärische Eingriff kann nicht von vornherein für Erfolg garantieren. Denn \"die humanitäre Intervention sollte unmittelbar gefährdeten Zivilpersonen zugute kommen. Sie darf nicht dazu dienen, ein Gebiet erst einmal \"freizubomben\".\" Es läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, inwieweit die KSZE in diesem Konflikt \"versagt\" hat. Sie ist auf alle Fälle hinter den Erwartungen, die mit der Charta von Paris 1990 verbunden waren, zurückgeblieben. Doch damals war der Ost-West Konflikt gerade beseitigt und das friedliche Europa in greifbare Nähe gerückt. Daß schon ein Jahr später ein anderer Konflikt ausbrechen würde, konnte keiner ahnen. Und im Vergleich zu der anfänglichen Geschwindigkeit, mit der Verträge geschlossen wurden, ging die Institutionalisierung der KSZE wirklich zügig von statten.
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