Anders als in § 167 StGB enthält § 29 FinStrG keinen Deliktskatalog der \"selbstanzeigefähigen\" Delikte. Grundsätzlich ist jedes Finanzvergehen im Sinne des § 1 FinStrG der Selbstanzeige als einem besonderen und persönlichen Strafaufhebungsgrund zugänglich. Strittig ist, ob sie, wie bei der tätige Reue im StGB, nur bei vollendeten, oder auch bei versuchten Finanzvergehen möglich sein soll.
Dorazil/Harbich begründen die Möglichkeit der Selbstanzeige bei versuchten Finanzvergehen, einerseits nach dem Wortlaut des Gesetzes. In § 29 FinStrG wird nur neutral von einer Verfehlung bzw einer Tat gesprochen und diese könne sowohl versucht als auch vollendet sein. Vom allein maßgebenden Wortlaut des Gesetzes soll daher die Selbstanzeige in Konkurrenz zum Rücktritt vom Versuch bei versuchten Finanzvergehen möglich sein. Dagegen setzt tätige Reue bereits begrifflich die Vollendung des Tatbestandes voraus, sodass ein Rücktritt vom Versuch zeitlich nicht mehr möglich ist. Im Übrigen habe die Stammfassung des § 29 Abs 2 FinStrG die Selbstanzeige für versuchte Abgabenhinterziehung zugelassen.
Diese in der Literatur überwiegend vertretene Meinung, dass generell beide Institute, nämlich Rücktritt vom Versuch und Selbstanzeige, zur Strafaufhebung führen können, wird von Scheil abgelehnt. Nach seiner Meinung ist es nicht einsichtig, warum im Finanzstrafgesetz anderes als im StGB gelten sollte. Nur beim bloß subjektiv fehlgeschlagenen Versuch, will Scheil die Selbstanzeige zulassen. Erkennt der Täter oder nimmt er bloß an, dass sein Versuch fehlgeschlagen ist, so ist ein Rücktritt vom Versuch nicht mehr möglich. Da die Tat nicht vollendet ist, wäre aber auch eine Selbstanzeige nicht möglich. Wegen der langen Tradition auch einen solchen Täter straffrei werden zu lassen, differenziert Scheil daher. Hält der Täter die Vollendung der Tat für möglich, so kann er durch Rücktritt vom Versuch straffrei werden. Hält er die Vollendung dagegen nicht mehr für möglich, kann er durch Selbstanzeige straffrei werden.
Im Gegensatz zu § 167 StGB ist die Selbstanzeige nach § 29 FinStrG auch bei Gefährdungsdelikten zulässig, wie bei den Finanzordnungswidrigkeiten (§§ 49ff FinStrG), wo nicht unbedingt ein Schaden entstanden ist (zB bei der Verletzung der Pflicht zur Aufbewahrung von Büchern oder sonstigen Aufzeichnungen nach § 51 Abs 1 lit c FinStrG).
Beim Zusammentreffen gleichartiger Einzelakte ist zwar die strafaufhebende Wirkung einer Selbstanzeige wegen des Wortlautes \"insoweit\" denkbar, bei in Fortsetzungszusammenhang verübten Finanzvergehen, wie der wiederkehrenden Unterlassung von USt-Voranmeldungen, tritt die Straffreiheit aber nur dann ein, wenn hinsichtlich sämtlicher Teilakte die im § 29 FinStrG genannten Voraussetzungen erfüllt werden und alle bedeutsamen Umstände der bis dahin verwirklichten Abgabenverkürzungen offen gelegt werden.
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