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recht artikel (Interpretation und charakterisierung)

Der gremliza-kurs


1. Finanz
2. Reform

\"Gremlizas Konzept bestand im wesentlichen aus drei Teilen. Zunächst bekam das Blatt ein neues Gesicht (Layout, Anm. d.V.). (...)Gremliza entwarf weiterhin eine neue Blattstruktur, (...). Das markanteste Element war am Anfang sicher die neue Titelseite, auf der die wichtigen Nachrichten des Tages zu einem einzigen Artikel verarbeitet werden sollten. (...) Leider zeigte sich, daß das Verfahren nicht praktikabel war, weil ihm letztlich kaum ein Autor gewachsen war (...). Die erfolgreichste Innovation Gremlizas waren die drei Interviews auf der ersten Doppelseite der jungen Welt, eine Maßnahme, die die unvermeidliche linke Nabelschau täglich mit einem Schuß Realität auf den Boden zurückholte.\" [25]
Mit diesen formellen Neuerungen verband sich auch ein Tendenzwechsel, dieser \"war weniger konkret ausformuliert (...) als vielmehr durch Personalentscheidungen durchgesetzt\". [26]
In einem Interview gegenüber der taz mit Hans-Herrmann Kotte äußerte Gremliza zum \"Gremliza-Kurs\": [27] \"Wir können keine komplette Tageszeitung, keinen linken \"Klein Tagesspiegel\" machen, also werden wir machen, was wir vielleicht können: einen anderen Typ Tageszeitung, der die gewohnten Rituale nicht achtet, nicht die Pflicht des Chronisten, nicht die des Politikberaters und nicht die Rolle der \"vierten Gewalt\". Die Pflicht des Kritikers ist es, die Kritik zu machen.\" [28]
Und Kritik muß nach Gremliza nicht immer schon das realpolitisch Erreichbare miteinkalkulieren. \"Heute vormittag hat der Bonner Korrespondent des Blattes gesagt, er könne für diese Zeitung nicht weiter arbeiten. Er wolle ein seriöser Journalist bleiben, und seriös zu bleiben, heiße für ihn, daß er Kritik nur üben könne, wenn er zugleich vorzuschlagen wisse, wie es besser geht. Daß er also keine sozialen Forderungen akzeptieren werde, wenn die Fordernden nicht sagen könnten, aus welchem Haushalt die nötigen Mittel kommen sollen. Er muß unbedingt den Schatten- Finazminister spielen, so wie jeder Volontär beim Altöttinger Liebfrauenboten in der ersten eigenen Lokalglosse in die Rolle Schatten-Bürgermeisters schlüpft. In der neuen Jungen Welt wird es diese Attitüde nicht mehr geben.\"[29]
Mit Jürgen Elsässer begann auf Gremlizas Empfehlung ein ganz besonders unbeugsamer Marxist in der Redaktion der Jungen Welt. [30] Im von ihm mitverfassten Buch \"Vorwärts und vergessen?\" rechnet er im Kapitel \"Das Ende des Reformismus\", den Versuchen von SPD, Bündnis 90/die Grünen und PDS eine sozialreformerisch-keynisianische Umverteilungspolitik zu betreiben, die engen und enger werdenden Spielräume vor:
\"Doch seltsam: Überall, wo die Bonner Opposition ihrerseits regiert, betreibt sie eine nicht weniger drakonische Haushaltspolitik als CDU/CSU und FDP. Dies betrifft nicht nur SPD und Grüne - man denke an die Sparorgien der Schröder-Regierung in Niedersachsen oder des Frankfurter Stadtkämmerers Tom Koenigs sowie Heide Simonis harten Kurs in den Tarifverhandlungen mit der ÖTV, sondern auch die PDS: In insgesamt fünf Ostberliner Stadtteilen (...) stellt die Gysi-Partei den Bürgermeister oder die Mehrheit der Stadträte - in vier davon hat sie die Umsetzung der vom rot-schwarzen Senat verfügten Sparmaßnahmen ohne Abstriche vollzogen. (...) Der PDS-Bürgermeister von Hoyerswerda wurde im Januar 1996 von der \"Lausitzer Rundschau\" gefragt: Ihre Partei sagt: Nichts darf den kleinen Leuten weggenommen werden.\" Brähmig antwortete darauf: \"Das kann meine Partei sagen, solange sie keine Verantwortung übernimmt. Sobald sie Regierungsverantwortung übernimmt, muß sie mitmachen.\"
Elsässer schreibt weiter, daß das Erreichen der Maastrichter Konvergenz-Kriterien für die Zugehörigkeit zur europäischen Währungsunion zur weiteren Reduzierung der Staatsschulden treibt und diese wiederum nur über die fortschreitende Reduzierung sozialstaatlicher und gewerkschaftlicher Errungenschaften zu haben ist. Hier zitiert er aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu einem Artikel über die Sparpolitik der aus der KPI hervorgegangenen, heute sozialdemokratischen PDS Italiens: \"Am besten läßt man eine Politik der wirtschaftlichen Vernunft, der Haushaltssanierung, der geringen Staatsausgaben, der Einschnitte in das soziale Netz von der Linken ausführen.\" Elsässer weiter: \"Der Widerstand sei dann geringer, da (FAZ, Anm. d. V.): \"vom erklärten linken Schriftsteller Umberto Eco bis zum ehemaligen Chefredakteur der linksdemokratischen Parteizeitung Unit\" und baldigen stellvertretenden Regierungschef Veltroni bei den leidgeprüften Italiener um Verständnis für die notwendigen Maßnahmen\" geworben werde.\" Eine im übrigen kapitallogische Entwicklung auf die bekanntlich auch, die \"Rechenmaschine\"[31] Fugmann-Heesing -auf Bilanzen verweisend- sich beruft und von der Partei zähneknirschend akzeptiert wird. Elsässer: \"Die sozialdemokratischen Sparschweinereien sind freilich nicht Ausdruck von Verrat oder Korrumption, sondern Indiz dafür, daß es zum Neoliberalismus im Rahmen des kapitalistischen Systems derzeit keine Alternative gibt.\"
Systemimmanente Kritik wäre daher Augenwischerei oder sie greift zu kurz. Elsässer zieht im Vorwort zum genannten Buch die Konsequenz: \"Kommunismus, was sonst?\" fragt er provozierend und führt aus \"Der Kommunismus sei unmöglich, höhnen die Postmodernen. Ihnen wäre mit Wolfgang Pohrt entgegenzuhalten: \"Mit dem Kommunismus verhält es sich wie mit der Oase in der Wüste. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß der Verdurstende sie findet - und dennoch ist sie seine einzige Hoffnung.\"[32] Eine nicht gerade populäre Analyse, sicher aber ist: Hier handelt es sich um einen Standpunkt. Er kommt im übrigen nicht aus dem Nichts, sondern bezieht sich auf Adornos Konzept der negativen Dialektik. Klaus Briegleb brachte dieses, Leo Löwenthal zitierend, auf folgenden Punkt:
\"Leo Löwenthal verweist bis heute darauf, daß die Theorie der Gesellschaft und des bürgerlichen Individuums in der Moderne, vom Rande her\" gedeutet werden müsse; er verwendet das Wort Exil für diese Ortsbestimmung (...). Leo Löwenthal drückt das heute so aus: Das negative war das Positive des Nichtmitmachens, der Verweigerung; die unerbittliche Analyse des Bestehenden (...). Man soll nichts vorwegnehmen, was der Mensch in Freiheit tun kann, und muß stets nein sagen zu dem was jetzt geschieht. Wir kommen aus der antithetischen Position Hegels nicht hinaus ... Die Synthese selbst ist nur von den Subjekten zu leisten. Wir sind die beteiligten Mitarbeiter an der negativen Phase des dialektischen Prozesses.\"[33]
Mit dieser Positionierung, dem angesprochenen \"vom Rande her\", bezieht sich die junge Welt auf ein Außen, das wiederum dem Außen der Jugendkultur ähnelt.

 
 

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