Nach der Hinrichtung Saccos und Vanzettis in der Nacht vom 22. auf den 23. August 1927 kam es weltweit zu Massenprotesten, die in zahlreichen Städten zu schweren Straßenschlachten eskalierten und mehrere Todesopfer forderten. Dabei erregten in Europa die Ausschreitungen in Genf ob ihrer symbolischen Aufladung die größte Aufmerksamkeit. Die schwersten Zusammenstöße ereigneten sich in Paris, forderten 400 Verwundete und führten zu 200 Verhaftungen. Nachdem eine etwa 5000köpfige Menge von der Pariser Polizei daran gehindert worden war, vor der amerikanischen Botschaft zu demonstrieren, gingen mehrere Gruppen auf dem Montmartre gegen Kaffeehäuser und das Theater \"Moulin Rouge\" vor, in dem etwa 500 Amerikaner eine Vorstellung besuchten. Etwa 100 Schüsse fielen. Die Polizei ging wahllos auch gegen harmlose Spaziergänger und Passanten vor, mehrere Pressevertreter wurden trotz Vorzeigens ihrer Ausweise von den Einsatzkräften mißhandelt. Die Vorfälle führten unter der großen amerikanischen Gemeinde in Paris zu einer Panikstimmung, viele verließen überstürzt die französische Hauptstadt.
Die Weltöffentlichkeit konnte Sacco und Vanzetti nicht retten, aber die allgemeine Empörung über diesen fall trägt doch noch Früchte. Gouverneur Fuller wurde nicht wieder gewählt. Katzmann bekam kaum noch einen Prozeß in die Hände. Auch Richter Thayer wurde ein Opfer des Prozesses. Die Sieger des Prozesses wurden also ziemlich bald vergessen.
Sacco und Vanzetti hingegen nicht. 50 Jahre später, am 19. Juli 1977, wurden Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti rehabilitiert. Der Gouverneur von Massachusetts, Michael Dukakis, erklärte aufgrund einer Untersuchung, daß die beiden Opfer eines \"Fehlurteils\" geworden seien. Richter und Staatsanwälte waren, so die neue Untersuchung, \"voreingenommen gegen Ausländer und Dissidenten, im Prozeß herrschte eine Atmosphäre politischer Hysterie\". Der Staat Massachusetts erklärte den 23. August 1977 zum \"Sacco und Vanzetti\" Gedenktag.
Man muß alles tun, damit die tragische Geschichte von Sacco und Vanzetti im Gewissen der Menschheit lebendig bleibt. Sacco und Vanzetti erinnern uns an die Tatsache, daß selbst die perfektesten demokratischen Einrichtungen nicht besser sind als die Menschen, die sie als Instrumente benutzen.
Während des Prozesses gegen Sacco und Vanzetti war die Sehnsucht nach Gerechtigkeit noch größer als sie es heute ist - obgleich sie nicht gesiegt hat. Zu viele Schrecken haben seither das menschliche Gewissen getrübt. Der Kampf um die Würde der Menschen ist heute besonders dringlich. Mögen Sacco und Vanzetti als Symbole in allen jenen Menschen fortleben, die sich für eine höherer Moral im öffentlichen Leben einsetzen.
Albert Einstein
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