vorweg: seitens der Parlamentarier besteht ein differenziertes Verhältnis bzgl. der Frage der Qualität der Wahrnehmung einzelner Funktionen (v. Beyme, S. 257)
Wahlfunktion wird eher positiv bewertet, dies ist jedoch eher bedingt durch Eigenarten des Parteiensystems als durch Vorzüge des parlamentarischen Systems (v. Beyme, S. 257)
Er kann Gesetze einbringen und beschließen
Er wird alle 4 Jahre vom Volk gewählt : "Volksvertretung auf Bundesebene"
Kanzler dominiert bei Kabinettbildung, Parlament besitzt geringeren Einfluß
Parlament wird auch bezeichnet als "Rekrutierungsreservoir" für Exekutive
Er besteht normalerweise aus 656 Abgeordneten
Er wählt den Bundeskanzler auf Vorschlag des Bundespräsidenten und kann ihn auch wieder (unter bestimmten Umständen) abwählen, dies hat eher Bestätigungsfunktion heutzutage, da Vorentscheidungen die Führungskandidaten betreffend außerparlamentarisch (i.d.R.) fallen (v. Beyme, S.259)
Mißbilligungsanträge und Mißtrauensvotum (v. Beyme, S. 273)
- "Krone aller parlam. Kontrollmittel"
- in 1. Legislaturperiode (5 Fälle) von Mißbilligungsanträgen, aber ohne Konsequenz da das Parlament "ihre" Minister nicht fallenließ - Bundeskanzler entschied gegen Mehrheit (obwohl in 3 von 5 Fällen Anträge zur Entlassung eines Bundesministers angeommen wurden)
- konstr. Mißtrauensvotum: durch Erfahrungen der Weimarer Rep.
- 1. MV, gegen Willy Brandt am 27.4.72 war echte Bedrohung für Existenz der Regierung.
- Seitens des Parlaments dem Kanzler gegenüber
Vertrauensfrage (v. Beyme, S. 275)
- eigentlich Instrument für Fälle, in denen der Kanzler begründete Hoffnung hat, weiterregieren zu können
- seitens des Kanzlers dem Parlament gegenüber
Er wirkt mit als Teil der Bundesversammlung bei der Wahl des Bundespräsidenten
Zustimmung zu Verträgen z.B. mit anderen Staaten (auch und insbesondere EG)
Feststellung und Beschluß des Haushaltsplanes
Wahl -und Rechnungsprüfung
Er kann Anklage gegen den Bundespräsidenten bei dessen Amtsplichtsverletzung erheben
Er wirkt bei der Wahl des Bundesverfassungsgerichtes mit, wobei er allerdings nur die Hälfte der Richter wählt
Er ist der Ort der Umsetzung politischer Programme seitens der Regierung, da die meisten Gesetzentwürfe auch seitens der Regierung bestehen
Artikulations- und Kommunikationsfunktion, oft kritisiert (v. Beyme, S. 260 ff.): im 19. Jhdt. wurde noch dem Parlament als Ganzen die Lehrfunktion gegenüber dem Volk zugeschrieben, durch Stärkung der Position der Exekutive und der Stellung des Kanzlers und stärkerer Begünstigung der Regierung, wird die Opposition in der Kommunikationsfunktion benachteiligt.
Probleme der Artikulationsfunktion: Unterrepräsentation von Frauen und Arbeitern / Übergewicht der Juristen / Untergewicht von Naturwissenschaftlern und Technikern ; Diskrepanzen zwischen Berufen in Bevölkerung und Parlament (v. Beyme, S. 267)
Medien: Vermittlerrrolle der Informationen (v. Beyme, S. 261)
Ort der Möglichkeiten politischer Partizipation durch Eingaben und Petitionen
Deutscher Bundestag und Repräsentation
Ein genauer Spiegel des Staatsvolkes im Bundestag ist weder realistisch noch sinnvoll.
Zudem würde das Prinzip der Chancengleichheit verlorengehen, wenn die fehlende Zugehörigkeit eines Kandidaten zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe, seine Wahl unabhängig von seiner persönlichen Eignung unterbindet. Dennoch sollte das Ziel einer sozial ausgewogenen Repräsentation nicht aus den Augen verloren werden.
Parlamentarische Kontrolle im Bundestag
Parlamentarische Kontrolle kann als die Kontrolle darüber gesehen werden, ob die
gewählte Regierung im Sinne des Gemeinwohls handelt. Kontrolliert wird durch
die Abgeordneten, die wiederum das souveräne Volk repräsentieren.
Im Normalfall unterstützt die Parlamentsmehrheit die Regierung und wird deshalb bei deren Kontrolle andere Maßstäbe anlegen als die Opposition, die folglich den
größten Teil der Kontrollarbeit leisten muß.
Eine relative Kontrolle vermag das Parlament über die Regierung unmittelbar nur durch sieben Instrumente auszuüben: durch den Haushaltsausschuß, den
Petitionsausschuß, die Fragestunde, die verschiedenen Anfragen, die Aktuelle
Stunde, die Enquête-Kommissionen und die Untersuchungsausschüsse. Mit den
Voten des Petitionsausschusses ist es bisweilen möglich, Entscheidungen von
Bundesbehörden zu korrigieren. Große und kleinen Anfragen, aber auch die Fragestunden
des Bundestags ermöglichen der Opposition, auf dem Umweg über die Informationen
durch die Minister oder die Parlamentarischen Staatssekretäre, einen gewissen
Informationsstand aufrecht zu erhalten und somit Kontrolle auszuüben.
Nach wie vor stellen auch die Ausschüsse ein wichtiges Instrument zur Kontrolle der Regierung dar.
- Untersuchungsausschüsse: diesen steht die Möglichkeit der Beweiserhebung zu, bei der die Vorschriften der Strafprozeßordnung Anwendung finden. Außerdem sind die Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet. Diese Ausschüsse werden in der Regel von der Opposition durchgesetzt, um der Regierung oder der Verwaltung Verfehlungen nachzuweisen. Genau diese Intention, sowie der Versuch der Mitglieder der Regierungsmehrheit, dies zu verhindern, behindert oft die
objektive Arbeit des Untersuchungsausschusses.
Enquête-Kommissionen:
- 1969 eingerichtet
- Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche Sachkomplexe
- Im Gegensatz zu den Untersuchungsausschüssen steht hier aber nicht der Gerichtscharakter im Vordergrund, sondern sachbezogene Arbeit.
- Dies zeigt sich in der Möglichkeit, bis zu neun, nicht dem Bundestag angehörende Fachleute, als Mitglieder zu ernennen und somit eine gewisse Responsivität auf fachlicher Ebene sicherzustellen. Themen wie AIDS, Technikfolgenabschätzung u.a. können im Normalfall hier äußerst sachlich und effektiv bearbeitet werden.
Kontrolle der Regierung durch Mitglieder der
Mehrheitsfraktion funktioniert am ehesten \"hinter verschlossenen Türen"
- Um sich in der Öffentlichkeit keine Blöße zu geben, werden kritische
Auseinandersetzungen der Mehrheitsfraktion eher in den beteiligten Parteien oder
innerhalb der Fraktion geführt, als über die formellen Kontrollmechanismen des
Parlamentes.
- Diese werden aus demselben Grund fast ausschließlich von der Opposition benutzt,
die unter formellen Gesichtspunkten die Kontrollfunktion vom Gesamtparlament
übernommen hat. Dabei spielt die Öffentlichkeit der Maßnahmen eine entscheidende
Rolle, da die Opposition mangels Mehrheit eine Änderung der Regierungspolitik in
der Regel nicht durchsetzten kann. Vielmehr gilt es, die Wähler zu überzeugen,
daß sie das bessere Konzept anzubieten hat.
Artikulation
die vielfältigen politischen Positionen und Interessen werden vor Bürgern in laufenden
Kommunikationsprozessen vermittelt, in parlamentarischen Diskussionen und Anträgen
artikuliert und bei der Entscheidungsfindung angemessen berücksichtigt
Es scheint ein grundsätzliches Problem, daß ein mangelndes Engagement und
Politikinteresse der Bürger es den Abgeordneten schwer macht, Bürgerinteressen zu
artikulieren und entsprechend zu handeln.
Die Bürger engagieren sich nur in geringem Maße in Vereinen, Verbänden und
Parteien, um politische Verantwortung zu übernehmen.
Willensbildung durch Abgeordnete und Parlament
Grundsätzlich hat der Bundestag die Aufgabe, die Argumente und Gegenargumente seiner
Entscheidungen öffentlich zu machen und dabei Alternativen sowie
Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Generell erwarten die Wähler von Regierung und Opposition weniger
Lösungsmöglichkeiten für die Probleme der Zukunft, als die
Erleichterung einer politischen Orientierung durch die Vorgabe verschiedener
Lösungsmöglichkeiten.
Durch die Debatten soll jedoch nicht der politische Gegner von der Richtigkeit der eigenen Position überzeugt werden, sondern vor allem in der Öffentlichkeit die Hintergründe der eigenen Position offenzulegen. Dieser Versuch, der natürlich nicht auf das Plenum beschränkt bleibt, sondern auch das Handeln des Abgeordneten in der Öffentlichkeit bestimmt, kann als \"Führungsausübung durch Informationsvermittlung\" bezeichnet werden.
stellt den Versuch dar, durch die Vermittlung von Wissensbeständen die Voraussetzung für die Akzeptanz von Entscheidungen zu beeinflussen.
Weiterhin hat der Abgeordnete die Möglichkeit, eigene Positionen zu vertreten und für
sie zu werben. Dabei stellt sich jedoch immer die Frage, inwieweit seine Vorstellungen
durchsetzbar sind oder erst durch ausführliche Informationen vorbereitet werden müssen.
Letztlich zielen viele Aspekte der politischen Willensbildung vor allem auf die
Beeinflussung der Wählerschaft, insbesondere der Wechsel- und Nichtwähler, die
zunehmend entscheidende Funktionen in Wahlen übernehmen.
Bis auf wenige Ausnahmen werden die Inhalte der Willensbildungs- und Führungsbemühungen in Parteien bzw. Fraktionen erarbeitet und von den Abgeordneten dann vermittelt.
Kritikpunkte
Die Funktion der Plenardebatten als Forum und nicht als Ort, an dem Gesetze gemeinsam
erarbeitet werden, begründet einen wesentlichen Teil des schlechten Rufes
des Bundestags.
Abgeordneten ziehen aufgrund ihres immensen Arbeitspensums die konkrete Arbeit der Ausschüsse den Plenardebatten oft vor, dies ist jedoch in der Öffentlichkeit nicht hinreichend bekannt.
Das Klischee vom \"leeren Plenarsaal\" und die oft vernommenen Fragen, was die
Abgeordneten eigentlich tun, wenn sie nicht im Bundestag sitzen, macht die mangelnde
Öffentlichkeitsarbeit des Bundestags deutlich.
Der Bundestag in der Sicht der Öffentlichkeit
Ruf des deutschen Parlamentes und seiner Abgeordneten eher schlecht.
Gründe
- Politikverdrossenheit der Bürger.
- Vorurteile, die Abgeordneten wären faul, verdienten zu viel und kümmerten sich nicht um ihre Wähler. Vorstellungen, die Repräsentanten müßten moralisch untadelig,
omnipräsent sein, hätten Weisungsbefugnis gegenüber Behörden und könnten gegen
ihre Fraktion Positionen durchsetzen
geringes Wissen der Bevölkerung über die Wirklichkeit des Funktionierens von Parlamenten und über die Praxis der Abgeordnetentätigkeit
Annahme: maximal ein Drittel der Bundesbürger besitzen halbwegs fundierte Kenntnisse über das Parlament, wobei meist noch positiv klischeehafte oder negativ klischeehafte Einstellungen zum Bundestag vorherrschen.
unterstützt werden diese Bilder weithin durch die Medien durch die demonstrative
Darstellung des leeren Plenarsaales und die fehlenden Erläuterungen der Arbeitsweise des
Parlamentes.
|