Der heutige besondere Schutz der Schwerbehinderten geht auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zurück. Ihm lag zunächst die Auffassung zugrunde, daß es Pflicht des Staates ist, den Menschen, die ihre Gesundheit im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen geopfert haben, eine Hilfe bei der Eingliederung ins Arbeitsleben zu helfen. Dieselbe Hilfe wurde auch den durch Arbeitsunfälle Verletzten zuerkannt. Dagegen waren Personen mit Erwerbsminderung durch angeborene Leiden, Krankheiten oder Unfälle außerhalb der beruflichen Tätigkeit zunächst nicht mit einbezogen, weil man befürchtete den Schutz der Kriegs- und Arbeitsopfer zu gefährden.
1.1.1 Geltungsbereich
Die Gleichstellung der nicht berücksichtigten Behinderten brachte erst das Gesetz zur Weiterentwicklung des Schwerbehindertengesetzes im Jahre 1974. Seitdem sind durch das Schwerbehindertengesetz alle Personen geschützt, die in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sind, ohne Rücksicht auf die Ursache ihrer Behinderung.
Ziel des Gesetzes ist es, die Einstellungs- und Beschäftigungschancen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu erhöhen.
1.1.2 Einstellungspflicht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist verpflichtet bei der Besetzung von Stellen zu prüfen, ob er Schwer¬behinderte, insbesondere beim Arbeitsamt gemeldete Schwerbehinderte, einstellen kann (§14 SchwbG) und, wenn er über mehr als 15 Arbeitsplätze verfügt, einen bestimmten Prozentsatz von Schwerbehinderten einzustellen.
Der einzelne behinderte Arbeitnehmer hat keinen individuellen Einstellungsanspruch, vielmehr wird dieser dadurch erzwungen, daß der Arbeitgeber eine Ausgleichsabgabe in Höhe von DM 200,00 monatlich für jeden nicht besetzten Arbeitsplatz zahlen muß. Die Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten lag 1992 mit 4,3% deutlich unter der Pflichtquote von 6%. Wie aus Tabelle 2 ersichtlich, machen noch viele private Arbeitgeber, aber auch Öffentliche, von der Zahlung der Ausgleichsabgabe Gebrauch.
Tab. 2: Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten im Jahr 1992 (Pflichtquote 6%)
Art des Arbeitgebers Beschäftigungsquote
private Arbeitgeber 3,7 %
öffentliche Arbeitgeber 5,2 %
Bundesministerien 6,8 %
Die gezahlte Ausgleichsabgabe darf nur gemäß §11 Abs. 3 und 4 SchwbG für Zwecke der Arbeits- und Berufsförderung Schwerbehinderter verwendet.
Schwerbehinderten¬gesetz
Geltungsbereich des Schwerbehindertengesetzes
Alle Personen, die in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sind, ohne Rücksicht auf Ursache der Behinderung
Einstellungspflicht des Arbeit¬gebers
Prüfung, ob zu besetzende Stellen mit Schwer¬be¬hin¬der¬ten besetzt werden können
ab 16 Arbeitnehmern Be¬schäf¬tigung von Schwer¬be¬hin¬derten bis zum Pflicht¬satz
Schwerbehinderten¬ver¬tre¬tung ab 5 Schwer¬be¬hinderten Arbeitnehmern
Berufliche Förderung des Schwerbehinderten
der Schwerbehinderte ist so zu beschäftigen, daß er seine Fähig¬kei¬ten voll verwerten und weiterentwickeln kann
bei Maßnahmen zur beruflichen Bildung sind Schwerbehinderte be¬vor¬zugt zu berück¬sichtigen
Zahlung einer Aus¬gleichs¬abgabe für nicht besetzte Schwerbehinderten¬arbeits¬plätze in Höhe von DM 200,00 pro Monat Freistellung von Mehrarbeit
Zusatzurlaub in Höhe von 5 Arbeitstagen Besonderer Kündigungs¬schutz
Kündigung bedarf vorheriger Zustimmung der Hauptfürsorgestelle
mindestens 4 Wochen Kündigungsfrist bei ordentlicher Kündigung
Abb. 3: Übersicht über das Schwerbehindertengesetz
1.1.3 Sonstige Verpflichtung des Arbeitgebers
Berufliche Förderung
Der Arbeitgeber muß den Schwerbehinderten so einsetzen, daß er seine Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln kann. Er muß ihm die Möglichkeit zur Fortbildung bieten und ihn bei Maßnahmen zur beruflichen Bildung bevorzugt berücksichtigen.
Besondere Ausstattung des Betriebes
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Arbeitsräume und Gerätschaften so herzurichten, daß wenigstens die vorgeschriebene Zahl Schwerbehinderter dauernde Beschäftigung finden kann, die Einrichtung von Zeitarbeitsplätzen für Schwerbehinderte zu fördern und den Arbeitsplatz mit erforderlichen technischen Arbeitshilfen auszurüsten, soweit dies für den Arbeitgeber zumutbar und nicht mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist. Aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe kann hierzu finanzielle Unterstützung beantragt werden.
Freistellung von Mehrarbeit
Der Schwerbehinderte kann gegenüber dem Arbeitgeber jegliche Mehrarbeit ablehnen (§46 SchwbG)
Zusatzurlaub
Der Schwerbehinderte erhält Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen (§47 SchwbG).
1.1.4 Besonderer Kündigungsschutz
Die ordentlich Kündigung eines Schwerbehinderten bedarf der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle (§15 SchwG). Nach Erhalt der Zustimmung kann der Arbeitgeber innerhalb eines Monats die Kündigung aussprechen. Die dann von ihm einzuhaltende Kündigungsfrist beträgt 4 Wochen, auch im Probe- und Aushilfsarbeitsverhältnis (§16 SchwbG).
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