Die Selbstanzeige ist nur dann strafbefreiend, wenn sie rechtzeitig erfolgt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn
. der Täter auf frischer Tat betreten wird (§ 29 Abs 1 letzter Satz FinStrG);
. im Zeitpunkt der Selbstanzeige bereits eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 14 Abs 3 FinStrG gegen den Anzeiger, einen Beteiligten oder einen Hehler gesetzt wurde (§ 29 Abs 3 lit a FinStrG);
. die Tat bereits ganz oder teilweise entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt ist (§ 29 Abs 3 lit b 1. Fall FinStrG);
. die Entdeckung eines Zollvergehens unmittelbar bevorsteht und dies dem Anzeiger bekannt ist (§ 29 Abs 3 lit b 2. Fall FinStrG)
. bei einem vorsätzlich begangenen Finanzvergehen die Selbstanzeige anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nicht schon zu Beginn der Amtshandlung erstattet wird (§ 29 Abs 3 lit c FinStrG).
Bei Betretung auf frischer Tat ist die Selbstanzeige in jedem Fall ausgeschlossen.
Die Selbstanzeige ist entweder bei der sachlich und örtlich zuständigen Abgabenbehörde oder bei einer sachlich zuständigen Finanzstrafbehörde zu erstatten. Sind mehrere Steuerarten zB Umsatz- und Grunderwerbsteuer betroffen, so ist die Selbstanzeige bei der jeweils dafür zuständigen Behörde zu erstatten. Bei einer Selbstanzeige an eine Finanzstrafbehörde muss diese für die verkürzte Abgabe zumindest sachlich zuständig sein. Die Selbstanzeige wegen Verkürzung der Umsatz- und der Grunderwerbsteuer beim Betriebsfinanzamt wird hinsichtlich der Grunderwerbsteuer in der Regel nicht strafbefreiend wirken, es sei denn das Betriebsfinanzamt ist auch sachlich und örtlich für die Grunderwerbsteuer zuständig.
Strittig ist, durch wen die Tat entdeckt werden kann. Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung ist Behörde iSd § 29 Abs 3 lit b FinStrG nicht nur die zuständige Finanzstrafbehörde, sondern jede in §§ 80, 81 FinStrG genannte, der Anzeigepflicht an die Finanzstrafbehörde unterliegende Behörde. Problematisch ist dies dann, wenn zB am Beginn einer Betriebsprüfung durch das Betriebsfinanzamt (§ 53 Abs 1 lit b BAO) eine vorenthaltene Verkehrsteuer zur Selbstanzeige gebracht wird. Ist das Betriebsfinanzamt für die Verkehrsteuer nicht zuständig, dann erfolgt die Selbstanzeige bei einer unzuständigen Behörde und ist wirkungslos.
Nach Scheil kann die Tat nur durch die zur Strafverfolgung berufenen Behörden, somit durch eine Finanzstrafbehörde, die Staatsanwaltschaft oder durch Organe der Zollbehörden oder der Zollwache entdeckt werden. Er begründet mit historischen Argumenten und aus dem Zusammenhang zu § 167 Abs 2 StGB, dass nur die im § 14 Abs 3 FinStrG iVm § 89 Abs 2 FinStrG genannten Organe die Tat entdecken können. Die Gesetzesmaterialien zur Novelle 1975 sind nach seiner Ansicht so zu interpretieren: Ist zwar die Tat aber nicht auch der Täter entdeckt, dann kann die Finanzstrafbehörde mangels eines konkreten Verdachtes gegen einen bestimmten Täter keine Verfolgungshandlungen gegen diesen setzen. Stellt die Behörde nun Ermittlungen zur Ausforschung des Täters an und weiß der Täter von diesen Ermittlungen, dann soll die Selbstanzeige nicht mehr strafaufhebend wirken. Diese Auslegung ist nach Scheil auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen geboten, weil so der Konflikt zwischen den abgabenrechtlichen Mitwirkungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten und dem Verbot des Zwanges zur Selbstbeschuldigung vermieden werden kann.
Ist bereits ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, so besteht die abgabenrechtliche Mitwirkungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht im Abgabenverfahren weiter. Scheil verlangt daher in diesem Fall in logischer Konsequenz ein Verbot von abgabenrechtlichen Ermittlungen nach Einleitung eines Finanzstrafverfahrens und ein Beweisverwertungsverbot. Dies würde dem Standard entsprechen, der in Österreich bereits Ende des 19. Jahrhunderts durch das PersonalsteuerG 1896 gegeben war. Nach diesem Gesetz war die strafbefreiende Selbstanzeige bis zur Verständigung des Abgabepflichtigen über das Vorliegen einer Strafanzeige gegen ihn bzw bis zu seiner Ladung zur Vernehmung als Beschuldigter möglich.
Neuner-Henzl-Neuner vertreten die Meinung, dass die Tat erst nach einer strafrechtlichen Würdigung durch die Finanzstrafbehörde entdeckt ist und ein Organ der allgemeinen Finanzverwaltung hiefür weder befugt noch befähigt sei. Sie fordern daher, dass nur die Finanzstrafbehörde ein Finanzvergehen entdecken kann.
Dem tritt Plückhahn entschieden entgegen und nennt als Beispiel die Betretung eines Diebes auf frischer Tat durch einen Polizisten. Obwohl die strafrechtliche Beurteilung dem Polizisten nicht obliegt, liegt in diesem Fall zweifellos Tatentdeckung vor. Gegen die Ansicht von Neuner-Henzl-Neuner bringt er die §§ 80, 81 FinStrG vor. Diese verpflichten nicht nur die Organe der Finanzverwaltung, sondern alle Dienststellen der Gebietskörperschaften mit behördlichem Auftrag zur Anzeige von Finanzvergehen, von denen sie Kenntnis erlangen, an die zuständige bzw nächste Finanzstrafbehörde. Weil der Gesetzgeber diesen somit durchaus zumutet, einen Sachverhalt finanzstrafrechtlich würdigen zu können bzw sie sogar zu dieser Würdigung verpflichtet, vertritt auch Tanzer die Auffassung, dass neben einer Finanzstrafbehörde auch jeder andere Hoheitsträger der zur Anzeige verpflichtet ist, die Tat entdecken kann. Plückhahn führt weiter aus, dass eine Tat insbesondere bei Verkürzung von Abgaben juristischer Personen oder von Personengesellschaften auch ohne Kenntnis des Täters entdeckt sein kann und in der BRD die Ansicht vertreten wird, dass sogar Privatpersonen eine Tat entdecken können.
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