Die oben aufgezeigten Defizite lassen darauf schließen, daß das Problem seitens der zuständige Politiker bislang eher vernachlässigt worden ist. Angesichts der schwerwiegenden materiellen und immateriellen Schäden durch OK scheint es mir ein gravierender Fehler, daß die Warnungen von Fachleuten offenbar so wenig beachtet werden.
Es fehlt nicht nur an der Bereitstellung finanzieller Mittel. Es fehlt ebenso auf der Ebene der Legislative eine klare Dokumentation des Willens, sich mit der OK auseinanderzusetzen. Wohl haben sich die deutschen Innenminister 1990 auf ihrer Konferenz auf eine Definition geeinigt:
\"Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- und Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind,
wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere Zeit oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig a) unter
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Verwendung gewerblicher oder geschäftsmäßiger Strukturen, b) unter Anwendung von Gewalt
oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel, c) unter Einflußnahme auf Politik, Medien,öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.\"(Raith, W.:Organisierte Kriminalität, Reinbek 1995, S.27).
Diese Definition führte jedoch kaum zu geeigneten Maßnahmen. Das nachfolgend abgefaßte Gesetz zur \"Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der
Organisierten Kriminalität (OrgkG)\" zählt zwar eine Reihe von Delikten auf.
Es definiert aber die Mitgliedschaft in einer Gruppe der OK nicht als Straftatbestand und wi-derspricht damit völlig den Erfahrungen in anderen Ländern, etwa den USA und Italien, die mit OK zu kämpfen haben. (Raith, a.a.O., S.26 ff)
Die fehlende klare Erfassung des Problems auf Gesetzesebene verunsichert die Strafverfolger.
Ferner erschweren Gesetze, die die Freiheit des einzelnen schützen, wie z.B. das Datenschutz-gesetz, ebenso die strafrechtliche Verfolgung.
Ob fehlende Unterstützung der Polizei durch finanzielle Mittel oder der Justiz durch klare Ge-setze - unsere Politiker negieren das Thema, anstatt von anderen Ländern wie USA und Italien, die ebenfalls lange untätig waren, zu lernen.
Die Ankündigung des nordrhein-westfälischen Innenministers Kniola, gegen die Korruption sowohl in den Reihen der Polizei als auch auf breiter Front - Prostitution, Glücksspiel, OK- entschieden vorgehen zu wollen, fällt als Ausnahme auf.(Focus 46/1996, S.62)
Es ist zu fragen, ob die Politiker aus Unkenntnis, aus Bequemlichkeit, aus Furcht vor dem Verlust von Wählerstimmen - aufgrund der Stärkung der Polizei, der Verschärfung von Gesetzen, des Eingeständnisses des Problems - es unterlassen, klare Maßnahmen zu beschließen.
Diese sind dringend notwendig. da durch die Öffnung des Ostblocks die Bedrohung noch zunimmt. Kapitalkräftig sind dort vor allem die Gruppen der OK. Die Russische Mafia ist, wenn auch die einflußreichste, so doch nicht die einzige Gruppierung, die in der vergleichsweise noch wohlhabenden BRD agiert.
Ich erwähnte eingangs die Forderung von Zachert, dem ehemaligen BKA-Leiter, über die gesellschaftlichen Kräfte, nicht zuletzt die Medien, den Willen zur Bekämpfung der OK in der Bevölkerung konsensfähig zu machen. Doch der wache Bürger hat nur begrenzte Möglichkeiten der Einflußnahme. Unmutsäußerungen, ob in Leserbriefen, in Talk-.Shows, in Wähler- oder Bürgerversammlungen sind mögliche, doch schwache Mittel.
Die Politiker müssen erkennen, daß sie eine Verantwortung haben, nicht nur die Bürger vor politisch geprägten Terroranschlägen zu schützen, die in der Vergangenheit nur Nadelstiche, nicht aber eine ernste Gefahr für unsere Demokratie darstellten. Im Gegensatz zum Tun politisch radikaler Gruppen, die eine Systemveränderung wünschten, steht bei der OK aus-schließlich das Geld im Vordergrund.
Die OK versucht, mit allen illegalen Mitteln auf allen illegalen Weisen rücksichtslos Geld zu
machen, dieses Geld zu waschen und mit der so entstandenen Kapitalkraft Macht zu erlangen.
Verdrängen die Politiker dies weiterhin, setzen sie nicht endlich alle Kräfte ein, um die Aus-
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einandersetzung mit der OK aufzunehmen, so werden deren kriminelle Strukturen sich in jedem Bereich unseres Alltags festsetzen und diese Bereiche manipulieren.
Nach meiner Meinung stand unser demokratisches System noch niemals einer Bedrohung gegenüber, die der durch das OK vergleichbar war.
Ich kann nur hoffen, daß es noch nicht zu spät ist. Und daß die Politiker handeln, bevor es zu spät ist.
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