8.2.1.Pius XI.
Wurde 1879 zum Priester geweiht. Als Leiter der Vatikanischen Bibliothek war er sehr gelehrt. Mit seiner Erstbesteigungen im Monte-Rosa-Gebiet und seine alpinistischen Extremleistungen wurde er bekannt. Er besaß ein festes Gottvertrauen und einen wagemutigen Optimismus. So erschien er als Mann, der einer in Unordnung geratenen Welt Frieden und Auftrieb zu geben vermochte.
Konkordate
(Konkordat = völkerrechtlicher Vertrag zwischen einem Staat und dem Vatikan)
In seiner ersten Enzyklika "Ubi arcano" prägte der Papst seinen Wahlspruch: "Friede Christi im Reich Christi." Er führte das Fest Christkönig ein. Er rechnete aber nicht mit einer Oberherrschaft Christi über die Welt, sondern mit einer von den aktiven Laien gelebten Durchdringung der Gesellschaft mit christlichen gesellschaftlichen Grundsätzen. Das sprach er in einer Großzahl von Rundschreiben zu Ehe und Familie, zur Gesellschaftsordnung ("Quadragesimo anno"), zur Katholischen Aktion aus. Ein jahrhundertealter Vorgang wurde aufgehalten: Seit dem Mittelalter sah man die Kirche fast nur mehr als Priesterkirche an, der die Laien gehorchen mußten, jetzt wurde die mündige Mitverantwortung des Laien, wie in der Urkirche, wieder neu gesehen.
Es ist kennzeichnend, daß Pius XI. die Regelung der kirchlichen Beziehungen zu den neuen oder gewandelten Staaten weithin den Verhandlungen von Laien überließ und nur die endgültigen Rechtsformen durch kuriale Organe ausarbeiten ließ. Dabei ging der Papst jedesmal auf die besonderen gesellschaftl. Verhältnisse der einzelnen Staaten ein, besonders deutlich im österreichischen Konkordat von 1933/34, das die berufsständische Verfassung zur Voraussetzung wählte (und deshalb bis heute durch ergänzende Übereinkünfte modifiziert werden mußte).
Das umstrittenste Konkordat wurde mit Hitler 1933 für das Deutsche Reich abgeschlossen. Pius XII., der am Zustandekommen maßgebend beteiligt war, hat es (1947) als "Versuch einer Rettung der Länderkonkordate mit räumlichen und inhaltlichen Erweiterungen in eine ganz ungewisse Zukunft hinein" beurteilt.
8.2.2.Wandel der Staats- und Traditionskirche zur Zeugnis- und Bekenntniskirche
1918: Ausrufung der Republik => Bischöfe erklären dem neuen Staat gegenüber Loyalität.
1919: Februarwahlen: Sozialdemokraten (SD) stärkste Partei
. Kampfansage der SD an das konfessionelle Schulwesen
. Forderung nach der Abschaffung des Religionsunterrichts.
. Ehe: Propaganda der SD: "Heraus aus der Kirche, werdet konfessionslos" => Abbruch der vorerst freundlichen Haltung der Kirche.
Im Jahr des Justizpalastbrandes: mehr als 28.000 Kirchenaustritte in Wien.
Bundeskanzler Seipel gilt seit der blutigen Niederwerfung der Demonstranten als "Prälat ohne Milde".
1929 bis 1933: Vorbereitung eines Konkordats Österreichs mit dem Vatikan
Inhalte:
Ehegesetze
Schulrecht
Erhebung der Administraturen Innsbruck-Feldkirch und Burgenland zu Diözesen
1. Mai 1934: Abschluß des Konkordats (parlamentarisches Leben ist lahmgelegt).
1934 - 38: österreichische Kirche erlebt eine kurze Protektion des Staates.
Bundeskanzler Dollfuß wollte eine Gesellschaft nach der Sozialenzyklika Pius XI. (1931) errichten, das Parlament sollte nach Berufsständen geordnet sein. Realisiert wird die neue Verfassung nicht.
Situation Österreichs:
drückende Arbeitslosigkeit
Fremdenverkehr zusammengebrochen
Verbot der Sozialdemokraten
starke (illegale) nationalsozialistische Bewegung
politischer Druck durch Deutschland und Italien
8.2.3. Kirche im 3. Reich
12. März 1938: Regierung Seyß-Inquart, Einmarsch dt. Truppen
14. März 1938: Kardinal Innitzer bei Hitler, der einer loyalen Kirche freie Ausübung und Frieden zusichert.
Die katholische Kirche ist auf den "Anschluß" unvorbereitet, eingeschüchtert durch den bereits stattfindenden Kirchenkampf im "Reich", und steht noch dazu ohne Konkordat in einem rechtsfreien Raum. In dieser Perspektive erklären die Bischöfe ihr - Ja - bei der Volksabstimmung. 10. April 1938: 99,7 % für den Anschluß.
NSDAP: 1929: Massenpartei
1932: stärkste Partei, Hitler: Reichskanzler
vor 1933: keine offizielle Behinderung der Kirche vor 1933
Hervorhebung des Christentums im Regierungsprogramm und Abschluß des Reichskonkordats im Juli 1933.
Kapitulation des Katholizismus im NS, weil:
der NS eine pseudoreligiöse Bewegung war
und mit religiösem Instrumentar (Führer, Reich, Erlösung, Gehorsam, Massenfeiern, Ausschalutng der "Bösen" = Juden) arbeitete.
Kardinal Innitzer: gründet Hilfsstelle für verfolgte Juden in Wien
Vor 1938 hatte die politisch stark engagierte Kirche Österreichs aufgrund der alarmierenden Berichte aus Deutschland und in Übereinstimmung mit der Enzyklika "Mit brennender Sorge" den NS als widerchristlich verurteilt.
Nach dem Anschluß 1938 hielten es die österr. Bischöfe in ihrer "Feierlichen Erklärung" für ihre "selbst-verständliche nationale Pflicht", sich als "Deutsche zum Deutschen Reich zu bekennen". Diesem Hirtenbreif waren Drohungen und Einschüchterungsversuche, Versprechungen sowie eine Audienz Kardinal Innitzers bei Hitler vorangegangen. Auf diese Phase der totalen Unterordnung folgt auch prompt der Zusammenstoß: Schon im Herbst 1938 kam es zu jenem Sturm auf das Erzbischöfliche Palais, der als Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Kirche und NS-Regime gelten muß.
Die Kirche wurde von nun an immer mehr in die Katakomben getrieben bzw. ins Ghetto gedrängt. Viele Priester kamen in Konzentrationslager, Gefängnisse oder wurden hingerichtet.
Die Erfahrung mit dem NS und all seinen Schrecken hat nicht nur in den früheren Parteien, sondern auch in der Kirche zu einem Umdenken geführt, das sich in Entwicklungen nach dem 2. WK ausgedrückt hat.
8.2.4. Kirche in der 2. Republik
Unter Kardinal Franz König (Erzbischof von Wien 1956 - 1985) hat die Kirche in Österreich eine Position eingenommen, die charakterisiert wird durch das Schlagwort: "Freie Kirche im freien Staat" (Mariazeller Manifest 1952). Demnach bestimmen die Parteien seber durch ihre Programme, ihre Praxis und ihre handelnden Personen Nähe oder Ferne zur Kirche.
Der Klerus hat sich aus der Parteipolitik zurückgezogen, Laien-Christen aber können und sollen sich in allen demokratischen Parteien, Gewerkschaften und Verbänden betätigen, um christliche Wertvorstellungen auch politisch umzusetzen.
"Freie Kirche" bedeutet somit nicht eine "Kirche der Partei oder eines katholischen Ghettos", sonder heißt "eine Kirche der weltoffenen Türen und ausgebreiteten Arme, bereit zur Zusammenarbeit mit allen".
Diese neue Standortbestimmung hat der Kirche auch wieder mehr Möglichkeiten eröffnet, glaubwürdig christliche Wertvorstellungen in der öffentlichen Diskussion zu vertreten und somit erneut die prophetische und ideologiekritische Aufgabe wahrzunehmen.
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