Solidität wird die Richtschnur unserer Finanzpolitik sein. Wir dürfen allerdings nicht verschweigen, daß die Situation weniger günstig ist, als sie von bestimmter Seite dargestellt wurde.
Die Bundesregierung steht zunächst vor der Aufgabe, einen mittelfristigen Finanzplan für die Jahre 1969 bis 1973 und - so bald wie möglich - einen Entwurf für den Bundeshaushaltsplan 1970 dem Hohen Haus vorzulegen. Die neue mittelfristige Finanzplanung wird unsere politischen Absichten in Zahlen ausdrücken. Dabei ist all das zu berücksichtigen, was bei der Aufstellung des letzten mittelfristigen Finanzplans des Bundes noch nicht gewollt oder nicht absehbar gewesen ist:
In dem letzten Finanzplan, der die Jahre 1968 bis 1972 umfaßt, sind eine Vielzahl von Maßnahmen nicht enthalten, die durch die vorige Bundesregierung im letzten Jahr getroffen wurden.
Diese Regierung hat die finanziellen Möglichkeiten für die Erfüllung einer Reihe von politischen Forderungen des 5. Deutschen Bundestages zu prüfen.
Für die nationale Agrarpolitik stehen im Haushalt 1969 3,4 Milliarden DM, nach den Ansätzen der Finanzplanung im Jahre 1970 nur noch 2,7 Milliarden DM zur Verfügung. Dies dürfte nach den Unterlagen. die der Landwirtschaftsminister vorgefunden hat, keineswegs ausreichen. Die in Zukunft getrennt auszuweisenden Ausgaben für die EWG- Marktordnungen werden im Jahre 1970 um 1,4 Milliarden DM höher sein als bisher veranschlagt.
Durch die Verzögerung der Aufwertung der Deutschen Mark sind dem Bundeshaushalt besondere Belastungen entstanden: zusätzliche Leistungen im öffentlichen Dienst als Folge der Situation auf dem Arbeitsmarkt durch die Nichtaufwertung und jetzt höher als im Frühjahr zu veranschlagende Ausgleichsmaßnahmen für die Landwirtschaft.
Die in der vorigen Legislaturperiode angekündigte Steuerreform wird die Bundesregierung verwirklichen.
Wir erfüllen damit auch das Verfassungsgebot zur Schaffung des sozialen Rechtsstaates. Wir haben nicht die Absicht, bestehende Vermögen durch konfiskatorisch wirkende Steuern anzutasten. Wir wollen auch in der Steuerpolitik die Voraussetzungen für eine breitere Vermögensbildung schaffen.
Zunächst werden wir den Bericht der Steuerreformkommission abzuwarten haben. Unser Ziel ist es, ein gerechtes, einfaches und überschaubares Steuersystem zu schaffen. Die Vorlage einer reformierten Abgabenordnung muß beschleunigt erfolgen.
Bei einer rationellen Bewirtschaftung und bei Verwendung moderner, kostensparender Methoden können die öffentlichen Haushalte die in den nächsten Jahren entstehenden Finanzierungsaufgaben erfüllen, ohne daß die Steuerlastquote des Jahres 1969 erhöht wird.
Ohne der Arbeit der Steuerreformkommission vorzugreifen, halten wir es für notwendig, zwei Änderungen vorwegzunehmen:
Der Arbeitnehmerfreibetrag, der seit 1964 unverändert 240 DM jährlich beträgt, soll vom 1. Januar 1970 an verdoppelt werden. Dies ist ein notwendiger Akt der sozialen Symmetrie zugunsten der Arbeitnehmer.
Vom 1. Januar 1970 an soll auch die Einkommensgrenze, von der ab die Ergänzungsabgabe bislang erhoben wird, zugunsten der mittleren Einkommen verdoppelt werden. Ab 31. Dezember 1970 solI die Ergänzungsabgabe ganz fortfallen; sie war zur Sanierung des Bundeshaushalts nach der finanzwirtschaftlichen Krise im Jahre 1966 eingeführt worden.
Die Bundesregierung wird die Finanzreform vollenden und wird sie in praktische Finanzpolitik umsetzen. Besonders hervorzuheben ist das Zusammenwirken im Finanzplanungsrat. Dieser Rat ist die institutionelle Hilfe, um den Ausgleich zwischen den Interessen von Bund, Ländern und Gemeinden zu vollziehen. Wir sind sicher, daß es auch auf diesen Gebieten zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Bundesrat kommen wird.
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