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recht artikel (Interpretation und charakterisierung)

Einstiegsdroge


1. Finanz
2. Reform

Im Gegensatz zu den Motiven des Gesetzgebers bei
der Neufassung des Betaeubungsmittelgesetzes im
Jahre 1971 steht zur ueberzeugung der Kammer nach
den Ausfuehrungen der Sachverstaendigen und der
dabei eroerterten und vorgehaltenen Literatur fest,
dass Haschisch keine \"Einstiegsdroge\" fuer haertere
Drogen ist und auch keine Schrittmacherfunktion

entfaltet.
Die Sachverstaendigen haben in uebereinstimmung mit
der Auskunft des Bundesgesundheitsamtes zunaechst
festgestellt, dass es keinen medizinischen und bio-
------------- ----
logischen Ausloeser fuer die Behauptung gibt, dass

---------
Konsumenten sogenannter weicher Drogen auf harte

Drogen umsteigen.


Das Schweizer Bundesgericht hat sich in seinem
Entscheid vom 29. August 1991 (vgl. Strafver-
teidiger, 1992, Seite 18 ff.) mit der angeblichen
Gefaehrlichkeit von Cannabisprodukten auseinander-
gesetzt und dabei auch zur Einstiegstheorie bzw.
zur Umsteigegefahr Stellung genommen. Dabei hat es
den Sachverstaendigen Prof. Kind zitiert, der dar-
gelegt hat, dass diese Behauptung (Einstiegsdroge)
heute eindeutig widerlegt sei. Abschliessend heisst
es in der Entscheidung des Schweizer Bundesge-
richts:

\"Der Gebrauch von Cannabis fuehrt ferner keineswegs
zwangslaeufig zu jenem gefaehrlicherer Stoffe; nach
neuesten Schaetzungen greifen insgesamt etwa 5 %
aller Jugendlichen, die Erfahrung mit Cannabis
haben, zu haerteren Drogen (Geschwinde, a.a.O.,

Seite 44 N 166).\"

Auch Koerner lehnt in seinem Kommentar zum Betaeu-
bungsmittelgesetz die Theorie von Haschisch als
Einstiegsdroge ab. Es helsst dort (a.a.O., Anhang C
1, Seite 1070):
Die Theorie von Haschisch als Einstiegsdroge ist
kein ueberzeugendes Argument, weil der Weg zum
Heroin ebenso haeufig ueber Alkohol und Tabletten-
konsum verlaeuft, ohne dass deshalb ein Verbot von
Alkohol oder Tabletten zu fordern waere.\"


Die Kammer lehnt daher in uebereinstimmung mit den
Sachverstaendigen und den vorstehenden zitierten
Autoren die Theorie von der \"Einstiegsdroge\" ab.


Die Theorie von der sogenannten Einstiegsdroge
wird von der (unzutreffenden) Denkschablone
getragen, dass aus der Verwendung der Droge ein
Drang nach Dosissteigerung logisch folge und
dieser von der leichten zur starken Dosis fuehren
muesse (vgl. hierzu Quensel, Drogen und Drogenpoli-
tik, a.a.O., Seite 391). Dabei wird uebersehen und
unberuecksichtigt gelassen, ob die Drogen in ihrer
Wirkung miteinander vergleichbar sind und dass dann
doch der leichte und beliebig steigerbare Alkohol-
konsum als Alternative viel naeher liegt (vgl.
Quensel, Drogen und Drogenpolitik, a.a.O., S.

391).

Es wurde bereits darauf verwiesen, dass der
Cannabiskonsum in seiner Zielrichtung eine mehr,
beruhigende und sedierende Wirkung hat, waehrend
zum Beispiel die Drogen Kokain und Heroin stark
euphorisierende Auswirkungen haben. Diese Drogen
stellen daher von ihrer Wirkungsweise keine Stei-
gerung der Cannabisprodukte dar, sondern haben
eine vielmehr entgegengesetzte, dem Alkohol
aehnliche Wirkung. Deshalb fehlt es schon an
einer den Umstieg tragenden subjektiven Zielvor-
stellung, die darauf angelegt ist, die Wirkungs-
weise des bisherigen Rauschmittels zu steigern.
Darueber hinaus fuehrt gerade der Konsum von
Haschisch -wie bereits dargelegt- nicht zu einer
Toleranzausbildung, die nach immer staerkeren Dosen
draengt. Im Gegenteil: haschischgewoehnte Konsumen-
ten werden regelmaessig mit einer niedrigeren Dosis
\"high\" als Anfaenger (vgl. oben S. 30).


Darueber hinaus wird der Versuch unternommen, die
Umstiegstheorie statistisch wie folgt zu begruenden
(vgl. dazu Taeschner, Das Cannabis-Problem 1979,
Seite 169; zitiert nach Kreuzer, NJW 1982. Seite

1311):

uentersucht man andererseits aber klinisch-statio-
naer behandelte Drogenabhaengige, meist
Heroinsuechtige oder Polytoxikomane, so stellt man
fest, dass sie ihre Drogenkarriere zu 98 bis 100 %
mit Haschisch begonnen hatten.\"


Kreuzer verweist in seinem Aufsatz auf Untersu-
chungen von Prof. Keub, wonach diese Theorie in
den USA sschon laengst tot war, als -scil. bei
uns- die Drogenwelle 1968 begann\". Kreuzer fuehrt
weiterhin aus, dass Prof. Keub in einer Studie
nachgewiesen habe, dass Alkohol die Haupteinstiegs-
droge sei und dass bei einem Drogenkongress in Wien
alle anwesenden Experten verschiedener Disziplinen
die Einstiegstheorie verworfen haetten (vgl.
Kreuzer, a.a.O., Seite 1311 Fussnote 9). Kreuzer
fuehrt in seinem Aufsatz auch weitere Unter-
suchungen an, die fuer deutsche Verhaeltnisse die
Unhaltbarkeit der Einstiegstheorie ergeben haetten
(vgl. Kreuzer, a.a.O., Seite 1311 Fussnote 10).

Darueber hinaus laesst sich die Einstiegstheorie auch
anhand der statistischen Zahlen ueber die ge-
schaetzten Drogenabhaengigen widerlegen. Der
Pharmakologe Schoenhoefer hat in seinem Aufsatz
(a.a.O., Seite 54) die Umsteigetheorie an Zahlen,
die fuer Amerika gelten, ueberprueft. Woertlich heisst
es: \"Der Direktor des \"Natonal Institute of Mental
Health\" schaetzte in einem Hearing vor dem
ssubcommittee to Investigate Juvenile Delinquency\"
am 17. September 1969 die Zahl der Jugendlichen
Marihuana-Konsumenten in USA auf 8 bis 12 Mio. Im
Mai und Oktober des gleichen Jahres
veroeffentlichte die \"Washington Post\" Gallup-Um-
fragen, die die Zahl der Marihuana-Konsumenten mit
rund 10 Mio angaben. Nach der hier in der Bundes-
republik ueblichen Umsteigertheorie muessten also
heute rund 30 % dieser Menschen, mithin also 3
Millionen Heroinsuechtige sein. Das ist nicht der
Fall. Die Zahl der Heroinsuechtigen in den USA
liegt bei 200.000 mit einer geschaetzten Dunkel-
ziffer gleicher Groesse, also insgesamt bei 400.000.
Das sind zwischen zwei bis vier, rund also
hoechstens 5 % der Marihuana-Konsumenten.\"

Diese Zahlen belegen, dass ein Umstieg nur in
geringem Umfange stattfindet. Sie entsprechen den
Zahlen, die das Schweizer Bundesgericht zugrunde
gelegt hat, und die auch auf die Bundesrepublik
zutreffen. Nach den Ausfuehrungen des Sachverstaen-
digen Dr. Barchewitz ist davon auszugehen, dass es
in der Bundesrepublik ca. 100.000 Drogenabhaengige
gibt, die sogenannte harte Drogen konsumieren. Die
Zahl der Haschischkonsumenten liegt -wie bereits
dargelegt- zwischen 2 und 4 Mio.. Dieses krasse
Missverhaeltnis von Cannabiskonsumenten zu Konsu-
menten \"harter\" Drogen beweist, dass offensichtlich
kein kausaler Umsteigeeffekt vorhanden ist.


Dies haben auch die von der Kammer gehoerten Sach-
verstaendigen ausdruecklich bestaetigt. Sie haben
vielmehr darauf verwiesen, dass eine Suchtkarriere.
die einmal beim Heroin ende, typischerweise vom
fruehen Gebrauch von Nikotin oder Alkohol gepraegt
sei. Sie meinen daher, dass der Gebrauch dieser bei
uns ueblichen Konsumdrogen viel eher einen Ein-
stiegseffekt aufweise. Darueber hinaus haben die
Sachverstaendigen darauf hingewiesen, dass ein
Umsteigeeffekt allenfalls durch den gemeinsamen
illegalen Drogenmarkt erfolge. Sie haben hierzu
ausgefuehrt, dass der Haschischkonsument die Droge
vom gleichen Dealer bekomme, der auch ueber \"harte\"
Drogen verfuege. Aus diesem ssozialen Kontakt\"
ergebe sich eine sehr viel groessere Gefahr des
Umsteigens als aus dem Konsum und den damit
verbundenen Wirkungen (so auch Binder, a.a.O.,

Seite 125).


Die Kammer weiss aus einem Referat des Amsterdamer
Strafrechtsprofessors Dr. Rueter, das auch insoweit
in der Hauptverhandlung eroertert worden ist, dass
gerade aus diesen Gruenden die niederlaendische
Drogenpolitik eine Trennung der Maerkte von
\"weichen\" und \"harten\" Drogen anstrebt.
Die Einrichtung von sogenannten \"Coffee-Shops\", in
denen Cannabis-Produkte zum Konsum frei ver-
kaeuflich erworben werden koennen, ohne dass
strafrechtliche Verfolgung zu befuerchten ist, hat
zum Ziel, den ssozialen Kontakt\" des Konsumenten
\"weicher\" Drogen zu \"harten\" Drogen beim Ankauf zu
unterbinden. Deswegen muessen die Inhaber von
\"Coffee-Shops\" mit Bestrafungen und Schliessung
ihrer Geschaefte rechnen, wenn sie \"harte\" Drogen
verkaufen. Durch diese Trennung der Maerkte wird
nach Auffassung der Niederlaender der moegliche
Umsteigeeffekt, der durch den ssozialen Kontakt\"
mit dem gleichen Dealer bewirkt werden kann,

erheblich reduziert.

c) Zusammenfassend kann daher festgestellt werden.
dass die individuellen und gesamtgesellschaftlichen
Wirkungen von Haschisch denkbar gering sind.

(1) Das Schweizerische Bundesgericht hat in seiner
Entscheidung vom 29. August 1991 (a.a.O., Seite
19) hierzu folgendes festgestellt:
\"Nach dem gegenwaertigen Stand der Erkenntnisse
laesst sich somit nicht sagen, dass Cannabis geeignet
sei, die koerperliche und seelische Gesundheit
vieler Menschen in eine naheliegende und
ernstliche Gefahr zu bringen.\"

(2) Der Sachverstaendige Prof. Dr. Dominiak hat
erklaert, dass Cannabis nach seiner Kenntnis das
Rauschmittel mit den geringsten individuellen und
gesamtgesellschaftlichen Wirkungen sei, das es zur
Zeit auf der Welt gebe. Binder hat in seinem
Aufsatz im Deutschen aerzteblatt (a.a.O., Seite
124) ausgefuehrt:

\"Medizinisch gesehen, duerfte der Genuss von ein bis
zwei Joints Marihuana (ein bis zwei Gramm
Marihuana, resorbierte THC-Menge 8-16 mg) pro Tag
unschaedlich sein, zumindest aber weniger schaedlich
sein, als der taegliche Konsum von Alkohol oder von
20 Zigaretten. Fuer alle drei Drogen gilt das
Prinzip ssola dosis facit venenum\" und somit waere
gegen den gelegentlichen Konsum von Marihuana im
Grunde genau so wenig einzuwenden wie gegen das
gelegentliche Glas Wein oder die gelegentliche
Zigarette, Jede Droge im uebermass genossen, ist

schaedlich.\"


(3) Soweit der exzessive Gebrauch von Cannabisproduk-
ten bei bestimmten Risikogruppen zu bestimmten
-nicht ernstlichen- Schaedigungen fuehren kann. ist
darauf hinzuweisen; dass dies grundsaetzlich fuer
fast alle Substanzen gilt, die der Mensch zu sich
nimmt (Zum Problem ,der fehlenden Relation zwischen
Extrem- und Normalkonsum aus sozialwis-
senschaftlicher Sicht vgl. Kreuzer, a.a.O., S.
1312). Auch der exzessive Gebrauch von Zucker kann
zu Schaedigungen fuehren. Darueber hinaus haben
zahlreiche rezeptpflichtige Schmerz-, Schlaf- und
Beruhigungsmittel bei langandauernden, uebermaessigen
Konsum Sucht und schwere gesundheitliche Schaeden
mit teils toedlichem Ausgang zur Folge.
Entzugstherapien bei Medikamentenabhaengigkeit sind
aufwendig. Medikamentenmissbrauch kann auch
Psychosen ausloesen. Auch nicht rezeptpflichtige
Schmerzmittel und sogar Vitamine koennen bei
uebermaessiger Dosierung zu schweren Gesundheitsschae-
den fuehren, Bei Aspirin drohen z.B. Magengeschwuere
z.B., wie sie durch die Einnahme von mehr als drei
Multivitamin-Tabletten geschehe, ueberschreitet bei
einer Leibesfrucht den Grenzwert und kann zu
Fruchtschaeden fuehren.

 
 

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