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recht artikel (Interpretation und charakterisierung)

Ein widerspruch in der sprache ?


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Reinhard Müller von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" beantwortete die Frage zu den Überschneidungen zwischen Jura und Journalismus so: "Beide haben letztlich nur die Sprache, um sich verständlich zu machen, um zu überzeugen."
Doch existiert nicht zwischen den beiden Sprachen ein offenkundiger Widerspruch?

"Aber in Gänze", meint Mathias-Josef Zimmermann, "Unbedingt", sagt Christian Semler und Jo Pohl glaubt: "Ein Riesen-Problem." Juristen würden bei all ihren klaren Gedanken zu einer "Vernebelung in der Sprache" neigen, erläutert "ZDF"- Mann Pohl. Sie drückten sich über permanente Distanzierung aus, was ein "Armutszeugnis" sei. Als Jurist müsse man als Journalist Sprache neu erlernen, denn "Journalismus ist erpicht auf das Gegenteil von Distanz." In seiner Karriere habe er von Juristen immer Forderungen oder Versprechungen zur Besserung der Sprache weg von der "für den Rechtsbürger unverständlichen Sprache der eigenen Protagonisten (Gesetzgeber, Anwälte, Richter usw.)" gehört, doch "passiert ist nie etwas ..", berichtet Zimmermann. Zwar wäre es "sicher polemisch" den Umkehrschluss aus der Forderung an Journalisten (komplizierte Sachverhalte einfach darzustellen und zu vermitteln), "nämlich Einfaches zu komplizieren", als "Handlungsmaxime" auszugeben; "gleichwohl ist die Beachtung der tausend Wenns und Abers für Juristen tägliche Übung. Die Neigung, diese tausend Wenns und Abers gar in einen einzigen, endlos langen Satz zu fassen, ist (leider immer noch) unter den Juristen häufig die Regel", beschreibt der Redaktionsleiter die Situation.
Christian Semler nennt die juristische Sprache "im besten Fall exakt" aber "oft gleichzeitig ärmlich, wiederholungsintensiv und
floskelhaft." "Zwar hat Stendhal den Code Civil studiert um seinen Stil zu schärfen, das heißt um der Prägnanz und Kürze dieses großartigen Gesetzestextes willen", aber man würde leicht einsehen, "dass das bei heutigen deutschen Rechtstexten vergebliche Mühe wäre."
Peter Schiwy, Elke Bohl und Ulrich Wickert beantworten die Frage schlicht bejahend. Bohl hielte es bezogen auf die Sprache mit Friedrich Dürrenmatt: `Die Arbeit an der Sprache ist Arbeit am Gedanken." Nur wer klar formulieren könne, habe wirklich verstanden, worüber er schreibt oder spricht.
Auch Jörn Kabisch, Bernhard Töpper, Ulrike Winkelmann und Ralf Nehmzow sehen das so. Viele Juristen würden "einen nur allzu deduktiven Stil" pflegen, sagt Kabisch und ergänzt, dass er selbst lange gebraucht habe, um diesen zu verlernen. Ralf Nehmzow betont, dass man in den Medien regelmäßig für Laien schreiben müsse, "also versuchen, (.) die Fachbegriffe, wenn notwendig zu erhalten, aber dem Leser verständlich zu machen, zu übersetzen." Nehmzow nimmt zur Verdeutlichung ein Beispiel: "Der Angeklagte hat Berufung eingelegt. Im Klartext: Der Fall wird nun in der zweiten Instanz völlig neu aufgerollt."
"Juristen-Journalisten" müssten "Dolmetscher des Rechts" sein, fordert Bernhard Töpper. Seit Jahrzehnten würde den Juristen vielfach vorgeworfen, dass ihre Sprache von den Bürgern nicht verstanden wird. "Dies ist ganz sicher mit ein Grund dafür, dass viele Menschen auch heute noch sagen: Mit dem Gericht will ich nichts zu tun haben."
Ulrike Winkelmann von der "taz" glaubt, dass "die juristische Sprache (.) von der Gleichförmigkeit, die journalistische (hingegen) von der Abwechslung" lebe.
Ihr Kollege Christian Rath meint, dass die juristische Aussage vollständig sein müsse. Der Journalist müsse dagegen weglassen können. "Juristen schreiben vor allem für Juristen", doch gerade als rechtspolitischer Journalist müsse man so schreiben, "dass sowohl Laien als auch Juristen alles verstehen und den Sachverhalt einordnen können."
Es sei "eben leichter, geschraubt klingendes Fachdeutsch zu schreiben, als das, was man damit sagen will, in eine klare und allgemeinverständliche Sprache zu bringen", antwortet Fatina Keilani und deshalb käme es darauf an, sich Mühe zu machen. Genau dann wäre die Sprache auch kein Problem mehr, glauben "Stern" - Redakteur Wolfgang Metzner ("Teilweise inkompatibel. Macht aber nichts. Man kann beide Sprachen beherrschen und verwenden.") und ihr Kollege Jost Müller-Neuhof.
Dass "nicht unbedingt" ein natürlicher Gegensatz bestehen müsse, findet auch Dietmar Hipp vom "Spiegel": "Wer fachlich (insbesondere terminologisch) sauber argumentiert und trotzdem einen knappen, verständlichen und nicht zuletzt gewitzten Stil pflegt, hat beste Chancen, auch mit einem juristischen Text zu glänzen." Allerdings sei die Sprache für den Journalisten "nur Werkzeug", für den Juristen aber "Werkzeug und Gegenstand" zugleich, "weshalb sich Juristen eben auch besonders leicht dem Vorwurf zu einer fachspezifischen Ausdrucksweise aussetzen" würden. Überspitzt könne man sagen: "Journalismus nutzt Sprache. Recht ist Sprache."
Unverständlichen Fachbegriffe müssten unbedingt vermieden und ersetzt oder umschrieben werden, zum Beispiel "wenn der BGH die ´Unrechtskontinuität` bejaht, können Altfälle trotz geänderter Strafvorschrift weiterhin abgeurteilt werden". Gleiches gelte für "Begriffe, die umgangssprachlich weitgehend synonym sind, juristisch aber etwas anderes bedeuten, auch im Sinne der Fachsprache richtig verwendet (z.B. ´Eigentümer` statt ´Besitzer`, oder Umschreibung mit ´der, dem das ... gehört`).
Dietmar Hipp entdeckt in der Methodik der beiden Berufsvertreter einen "grundsätzlichen Widerspruch": "Der Jurist muss differenzieren, zu jeder Regel eine Ausnahme finden, Argumente und Gegenargumente diskutieren, er ist Teilnehmer in einem ´Prozess` der Rechtsfindung oder zumindest der rechtlichen Auseinandersetzung, sein Publikum sind (überwiegend) andere Juristen." Genau anders würde es sich beim Journalisten verhalten, "der überwiegend für Nichtjuristen schreibt (und vor allem erst einmal auch Nichtjuristen sein Thema ´verkaufen` muss): er muss vereinfachen, (.) einen Ist-Zustand beschreiben, Aussagen treffen, Ergebnisse präsentieren." Doch Hipp sagt auch, dass bei der vereinfachten Darstellung von Kompliziertem und beim Weglassen von Unwichtigem die Grenze meist genau da verlaufe, "wo es juristisch wirklich interessant wird."

 
 

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