Begriff: Betreibsverfassungsrecht nennt man jene gesetzlichen Bestimmungen, die die Organisation der Arbeitnehmerschaft im Betrieb und Unternehmen regeln.
8.5.1) Organisation
Nach dem Arbeitsverfassungsgesetz (BGBl. Nr. 22/1974) sind Betriebsräte in allen Betrieben zu errichten, in denen dauernd mindestens 5 Arbeitnehmer beschäftigt sind, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Zahl der Mitglieder des Betriebs-rates hängt von der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer ab.
Wahlberechtigte Arbeitnehmer Betriebsratsmitglieder
5 - 9 1
10 - 19 2
20 - 50 3
51 - 100 4
101-1000 für je 100 Arbeitnehmer 1 weiteres Betriebsratsmitglied
>1000 für je weitere 400 Arbeitnehmer 1 weiteres Betriebsratsmitglied
Welche betriebsverfassungsrechtlichen Organe in den Betrieben bzw. Unter-nehmungen zu bilden sind, ist abhängig von
. der Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft (Arbeiter, Angestellte, jugendliche Arbeitnehmer) und
. der Organisation des Unternehmens (Anzahl der Betriebe);
. der für Kleinbetriebe typischen Organisationsform (die Gruppe der Arbeiter oder die der Angestellten umfaßt keine 5 Arbeitnehmer).
Die wichtigsten Vertretungsorgane sind:
8.5.2) Betriebsrat
Wahl: Die Mitglieder des Betriebsrates werden aufgrund des gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlrechtes für 4 Jahre gewählt. Der Betriebsrat ist das wichtigste Organ zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen im Betrieb.
Aufgaben: Der Betriebsrat hat die Interessen der Arbeitnehmer des Betriebes auf wirtschaftlichem, sozialem, gesundheitlichem und kulturellem Gebiet zu vertreten.
Befugnisse: Zur Erfüllung dieser Aufgaben hat der Betriebsrat durch das Gesetz zahlreiche Befugnisse erhalten (siehe unten).
Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder: Die Betriebsratsmitglieder haben - zur besseren Erfüllung ihrer Aufgaben - unter anderem folgende gesetzliche Rechte:
. Weisungsfreiheit (sie sind an keine Weisungen gebunden und bloß der Betriebsversammlung politisch verantwortlich)
. Benachteiligungsverbot (sie dürfen wegen Ausübung ihrer Tätigkeit, insbesondere bei Entgelt- und Aufstiegsmöglichkeiten, nicht benachteiligt werden)
. Freizeitgewährung (sie haben Anspruch auf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Freizeit unter Fortzahlung ihres Arbeitsentgeltes. In Betrieben ab 150 Arbeitnehmern sind je nach der Zahl der vorhandenen Arbeitnehmer ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder zur Gänze von der Arbeit freizustellen)
. Bildungsfriestellung (grundsätzlich stehen jedem Betriebsratsmitglied pro Funktionsperiode 2 Wochen - in Ausnahmefällen bis 4 Wochen - bezahlte Freistellung für Bildungszwecke zu)
. Anspruch auf Auslagenersatz (aus dem Betriebsratsfonds)
. besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz (siehe oben)
Vertretung des Betriebsrats: Vertreter des Betreibsrates nach außen ist der/die Betriebsratsvorsitzende (von den Mitgliedern des Betriebsrates gewählt).
8.5.3) Zentralbetriebsrat
Der Zentralbetriebsrat wird von allen Betriebsratsmitglieder des Unternehmens gewählt. Seine Aufgabe ist es, die (wirtschaftlichen) Mitwirkungsbefugnisse auf der Ebene des Unternehmens auszuüben. Auch jene Mitwirkungsbefugnisse, die über den Bereich eines Betriebes hinausgehen, hat der Zentralbetriebsrat auszuüben.
8.5.4) Betriebsversammlung
Die Betriebsversammlung ist die Versammlung aller wahlberechtigten Arbeitnehmer des Unternehmens.
Aufgaben:
. Bestellung des Wahlvorstandes für die Betriebsratswahl
. Behandlung der Berichte des Betriebsrates
. Beschluß über die Einhebung einer Betriebsratsumlage
. die Bestellung von Rechnungsprüfern
. Beschluß über Enthebung des Betriebsrates
Die Betriebsversammlung findet mindestens einmal im Kalenderhalbjahr statt.
8.5.5) Jugendvertrauensrat
Bestellung: Er wird von der Jungendversammlung für eine Funktionsperiode von 2 Jahren gewählt.
Aufgaben: Vertretung der besonderen Interessen der jugendlichen Arbeitnehmer des Betriebes im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat
8.5.6) Betriebsratsfonds
Aufgaben:
. Deckung der Kosten, die durch die Geschäftsführung des Betriebsrates entstehen
. Finanzierung von Wohlfahrtseinrichtungen zugunsten der Arbeitnehmer
Aufbringung der Mittel: Der Fonds wird vor allem durch die Betriebsratsumlage finanziert (die Betriebsversammlung kann die Einhebung einer Betriebsratsumlage bis zur Höhe von einem halben Prozent des Bruttoentgeltes beschließen).
Organisation: Der Betriebsratsfonds wird vom Betriebsrat verwaltet und vom Betriebsratsvorsitzenden nach außen vertreten. Ein bis zwei Rechnungsprüfer haben die Fondsverwaltung zu prüfen.
8.5.7) Die einzelnen Mitwirkungsbefugnisse
Die dem Betriebsrat (Betriebsausschuß, Zentralbetriebsrat) zustehenden Befugnisse können nach verschiedensten Gesichtspunkten geordnet werden. Insbesondere unterscheidet man
1. Nach der Intensität der Mitwirkung:
. Überwachungsrechte
. Interventionsrechte
. Mitwirkungsrechte
. Mitentscheidungsrechte (Mitbestimmung) oder
2. nach der Angelegenheit, in der eine Mitwirkung vorgesehen ist:
. Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten
. Mitwirkung in personellen Angelegenheiten
. Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten.
Überwachungsrecht ist z.B. das Recht des Betriebsrates, in die im Betrieb geführten Aufzeichnungen über die Bezüge der Arbeitnehmer Einsicht zu nehmen, oder das Recht, die Einhaltung der im Betrieb geltenden Normen (Kollektivvertrag, Betriebs-vereinbarungen und dergleichen) zu überwachen.
Zum Interventionsrecht zählt z.B. das Recht, beim Betriebsinhaber oder den zuständigen Stellen (wie z.B. in Arbeitnehmerschutzangelegenheiten, das Arbeit-inspektorat) in allen Angelegenheiten vorstellig zu werden, welche die Interessen der Arbeitnehmer berühren.
Informationsrecht: Der Betriebsinhaber hat dem Betriebsrat über alle Angelegen-heiten, welche die Interessen der Arbeitnehmer berühren, Auskunft zu erteilen.
Beratungsrecht: Der Betriebsinhaber hat mindestens vierteljährlich mit dem Betriebs-rat zu beraten (laufende Angelegenheiten, die allgemeinen Grundsätze der Betriebs-führung und die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen).
Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten:
. Mitwirkung bei Berufsausbildungs- und Schulungsmaßnahmen (der Betriebsrat muß informiert werden, darf Vorschläge erstatten, an den einschlägigen Verhandlungen zwischen dem Betriebsinhaber und den Behörden teilnehmen und an der Verwaltung der Einrichtungen mit-wirken).
. Mitwirkung an der Verwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen, die der Arbeitgeber errichtet.
. Der Zustimmung des Betriebsrates bedürfen z.B. die Einführung betrieblicher Disziplinarordnungen, die Einführung von besonderen Personalfragebögen, die Einführung von Kontrollmaßnahmen, welche die Menschenwürde berühren (Fernsehüberwachung des Arbeitsplatzes), die Einführung und Regelung von Leistungslöhnen (Akkordlohn).
. Der Abschluß von Betriebsvereinbarungen.
Mitwirkung in personellen Angelegenheiten:
. Information und Beratung mit dem Betriebsrat bei Einstellung von Arbeit-nehmern.
. Verhängung von Disziplinarmaßnahmen nur mit Zustimmung oder Mitwirkung des Betriebsrates.
. Die Vergabe von Werkwohnungen und die beabsichtigte Beförderung von Arbeitnehmern ist mit dem Betriebsrat zu beraten.
. Dauernde Versetzung eines Arbeitnehmers auf einen schlechteren Arbeitsplatz bedarf der Zustimmung des Betriebsrates.
. Anfechtung von Kündigungen und Entlassungen.
Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten:
Dazu gehören u.a.:
. Informations- und Beratungsrechte über die wirtschaftliche Lage des Betriebes, insbesondere bei Betriebseinschränkungen, Stillegung oder Produktionsänderungen;
. in größeren Betrieben das Recht auf Bilanzeinsicht und Erläuterung derselben.
. Mitwirkung im Aufsichtsrat: In Aktiengesellschaften, Ges.m.b.H. mit Aufsichtsrat, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und größeren Genossenschaften entsendet der Zentralbetriebsrat Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat. Das Verhältnis zwischen den Vertretern des Kapitals und der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat beträgt 2:1 (Drittelvertretung).
. Einspruch gegen die Wirtschaftsführung: In größeren Betrieben kann der Betriebsrat gegen die Wirtschaftsführung unter gewissen Voraussetzungen Einspruch erheben; in Betrieben mit mehr als 400 Arbeitnehmern an eine staatliche Wirtschaftskommission. Der Einspruch hat im wesentlichen nur aufschiebende Wirkung.
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