Problem effektiver und effizienter Steuerung im Cyberspace ist, dass sich im Gegensatz zum territorial definierten Nationalstaat, die Zugehörigkeit zum digitalen Raum nicht geographisch bestimmt. Weder gibt es eine eingrenzbare Staatsbürgerschaft, noch verfügt das Internet traditionell über eine der Figur des souveränen Staates vergleichbare Sanktionsmacht, die Regeln und Entscheidungen netzweit Geltung verschaffen könnte.
Hinzu kommt, dass im Gegensatz zum Staat sich das Internet mit einem Minimum an Kontrollmechanismen begnügt, die allesamt technischer Natur sind. Die Kontrollmechanismen des Netzes resultieren aus seiner technischen Architektur. Unter der Architektur des Internet werden seine Ordnungsprinzipien verstanden, genauer: jene Regeln, die die Form und topologische Position all der Operationen bestimmen, die zusammen den Datenfluss bewerkstelligen. Wie die Baukunst unterliegt auch die Netzarchitektur nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der Gestaltung. Diese Gestaltungsspielräume wiederum bilden die Voraussetzung dafür, dass sich unterschiedliche \"Netzdesigns\" mitsamt ihren Gegenströmungen herausbilden, kurz: dass die \"richtige\" Architektur eines Netzes zum Politikum werden kann. Wer also die technische Struktur des Netzes bestimmt, kann auch entscheidenden Einfluss auf die in ihm geltenden nicht-technischen Normen und Standards nehmen.5
Doch sieht gerade in diesem Zusammenhang, die Möglichkeit des Staates traditionelle Steuerungsmedien, wie Gesetze dazu zu benutzen, soziale Normen zu ändern, Marktverhalten zu beeinflussen und so die Architektur des Netzes zu verändern. Regierungen oder andere Akteure können also Schritte unternehmen, den Cyberspace in einen regulierbaren Raum umzubauen. Sicherlich erschwert das Internet in seiner gegenwärtigen Form traditionelle Regulierungskonzepte des Nationalstaates, doch zeigt sich, dass das Netz keineswegs resistent ist gegen Regulierung, und die Aussage, dass das \"the Net interprets censorship as damage and routes around it\" doch eher normativ zu verstehen ist und nicht notwendigerweise der Realität entspricht.
Deshalb gibt es auch im Netz kein wie von vielen Politologen behauptet \"Governance without Government\", sondern eher \"Governments in the shadow of Self-Governance\". Der Staat ist Initiator von Selbstregulierungsinstitutionen, die nach neoliberalen Gusto besser regieren als der Staat. Typisch für diesen Prozess ist, dass der Staat seine Autonomie nicht einfach verliert, sondern als selbstlernender Organismus veränderten Gegebenheiten mit neuen Antworten gegenübersteht. Nicht den Verlust der Souveränität eines Nationalstaates, die immer wieder als prekäre und nahezu unabdingbare Folge der Globalisierung und des Internets konstatiert wurde, kann man am Beispiel der Entwicklung der ICANN zeigen. Vielmehr tritt der Staat als Initiator bestimmter Politiken auf, und hat im Folgenden die Rolle eines Mediators zwischen den partikularen Interessen der Internet-Community, Computerindustrie und traditionellen internationalen Organisationen wie der WIPO oder der ITU übernommen.
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