Theo-logische Motivaton (von Gott her): Der biblische Gott ist ganz grundlegend ein lebendiger Gott, der Urheber und Schützer allen Lebens. Immer, wenn jemand sein Leben bedroht sieht und von der Zeit sterben soll, kann er auf die Gegenwart und Macht Gottes zählen, der ihm in irgendeiner Weise zu Hilfe kommt. Kraft seines eigenen Wesens weiß sich Gott angetrieben, dem notleidenden Armen zu Hilfe zu eilen.
Der Kult, der Gott wohlgefällt, muß begleitet sein von Gerechtigkeit und Hinkehr zum Bedürftigen und Unterdrückten. Wenn sich die Kirche für die Armen entscheidet, handelt sie wie der Vater, der im Himmel ist.
Christologische Motivation (von Christus her): Christus selbst hat unleugbar eine persönliche Option für die Armen getroffen und sie als die ersten Adressaten seiner Botschaft betrachtet. Er erfüllt das Gesetz jener Liebe, die sich gleich dem barmherzigen Samariter den Gefallenen auf der Straße zuwendet und die den Fernstehenden zum Nächsten und den Nächsten zum Bruder macht. Für die Jünger Jesu, die die Kirche bilden, wird diese Option in der Stiuation einer allgemein verbreiteten Armut zur vorrangigen Weise, den Glauben an Christus zu bekennen.
Eschatologische Motivation (vom Endgericht her): Jesus ist in seiner Frohbotschaft ganz eindeutig: Im höchsten Augenblick der Geschichte, wenn es um unser ewiges Heil oder unsere ewige Verdammnis geht, ist das, was wirklich zählt, unsere Haltung der Annahme oder Ablehnung gegenüber den Armen. Der höchste Richter selbst verbirgt sich hinter jedem Unterdrückten, und dieser gilt uns als einer der geringsten Brüder Jesu. Endgültige Gemeinschaft mit Christus hat allein der, der in der Geschichte wirklich Gemeinschaft mit den Sakramenten Christi - und das sind die Armen und Notleidenden - hatte.
Apostolische Motivation (von den Aposteln her): Von ihren ersten Anfängen an hat sich die Kirche um die Armen gekümmert. Die Apostel und ihre Nachfolger taten allen Besitz zusammen, so daß es unter ihnen keine Armen gab. Bei der Verkündigung des Evangeliums empfahlen sie, die Armen sollten nicht vergessen werden. Wie der größte Kirchenvater des Ostens, Johannes Chrysostomus, sagt: "Hinsichtlich der Mission wurde die Welt in Heiden und Juden geteilt, doch hinsichtlich der Armen gibt es keinerlei Teilung, denn sie gehören zur einen Sendung der Kirche, der des Petrus (Juden) ebenso wie der des Paulus (Heiden)".
Ekklesiologische Motivation (von der Kirche her): Angesichts der Marginalisierung und Verarmung der großen Bevölkerungsmehrheiten in Lateinamerika hat die Kirche des Kontinents, getreiben durch die bereits genannten Beweggründe und bewegt durch tief menschlich empfundenes Mitleiden, eine feierliche vorrangige Position für die Armen getroffen; sie ist 1968 in Medillin aufgekeimt und 1979 in Puebla bestätigt worden.
Die Bischöfe erkannten "die Notwendigkeit der Umkehr der gesamten Kirche im Sinne einer vorrangigen Option für die Armen mit Blickrichtung auf deren umfassende Befreiung".
Ausgehend von den Sehnsüchten und Kämpfen der Armen, bemüht sich die Kirche darum, in ihrer Evangelisierung die Akzente so zu setzen, daß alle sich gedrängt fühlen, ihren Glauben auch (nicht ausschließlich) als Faktor der Umgestaltung der Gesellschaft in Richtung auf mehr Gerechtigkeit und Brüderlichkeit zu leben. Alle müssen eine Option für die Armen treffen: Die Reichen sollten sich großzügig und rückhaltlos für die realen Armen und die Armen sollten sich für andere Arme oder für die Ärmsten der Armen entscheiden.
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