Dass die Verwirklichung eines solchen Staates möglich war, hat seine Ursache in den Bürgern selbst und ihren politischen Tugenden. Solche virtutes kannte das römische Volk in großer Zahl. Zu ihnen gehört die pietas. In enger Verbindung zu ihr stehen concordia und fides. Diese erstreckte sich auch zusammen mit einer gewissen clementia auf die unterworfenen Völker, sobald mit ihnen ein Vertrag abgeschlossen war. Denn Verträge waren den Römern der Republik im Grunde heilig. Die Einhaltung der Ordnung garantierte die disciplina; vor weichlichem Nachgeben und Verzagen schützte die constantia; vor Leichtsinn, Übermut und Maßüberschreitung be¬wahrten consilium, temperantia und moderatio. Die Masse der Bürger beseelte das Bestreben, im Frieden durch die bereits genannten Tugenden, im Kriege durch fortitudo sich um das gemeinsame Wohl verdient zu machen und so gloria und laus zu erlangen.
Die staatlichen Angelegenheiten nahmen das Interesse des Einzelbürgers in höherem Maße in Anspruch, als es heute der Fall zu sein pflegt. Besonders für den vornehmen Römer war eine vita activa im politischen Sinne eine Selbstverständlichkeit.
Die ent¬gegengesetzte epikureische Haltung oder eine reine vita contemplativa waren in Rom verpönt. (MEYER 1948, 237-241)
Und selbst in Zeiten, als die Republik und damit die Wirkungsmöglichkeiten des Bürgers teilweise oder ganz eingeschränkt waren, fühlten sich hervorragende Römer, die auf irgendeinem Gebiete der Menschheit Bedeutendes zu sagen hatten, als Bürger in ihrer Weltordnung.
Das römische Gemeinwesen der Blütezeit war nicht irgendein ,,Staat", nicht etwas Statisches, kein Zustand, mit dem man sich abfinden und in dem man sich zurechtfinden musste, sondern etwas Dynamisches, eine Sache des Volkes, die alle unmittelbar und stets anging (tua res agitud), eine res publica Romana.
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