Die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus für die katholischen Könige im Jahre 1492 erfolgte in einem Augenblick, als die Rekonquista Spaniens abgeschlossen war. Die Eroberung Granadas, des letzten moslemischen Staates auf der iberischen Halbinsel, und die Vertreibung der spanischen Juden im gleichen Jahr markieren den äußeren und inneren Schlusspunkt unter diesen Prozess. Insofern kann die Entdeckung und anschließende Eroberung Amerikas als ,,Glücksfall\" für die auf Expansion ausgerichtete spanische Gesellschaft dieser Zeit angesehen werden. Die Rekonquista ging praktisch nahtlos in die Konquista Amerikas über.
Innerhalb weniger Jahrzehnte gelang die Annexion eines Gebietes für die spanische Krone, das sich vom Süden der heutigen USA bis zum heutigen Chile und Argentinien erstreckte, mit Ausnahme des heutigen Brasilien (unter portugiesischer Herrschaft) und verschiedener Enklaven anderer Kolonialmächte. Höhepunkte der Konquista waren die Eroberung des Aztekenreiches im heutigen Zentralmexiko von 1519 - 1522 sowie die zwischen 1532 - 1537 erfolgende Eroberung des Inkastaates im Andengebiet - beides hochintegrierte Gesellschaften mit Millionenbevölkerungen (von denen ein großer Teil in ausgedehnten städtischen Zentren lebte), ausgeprägter sozialer Schichtung und komplexen kulturellen Institutionen.
Neben den relativ schnellen, mit geringen eigenen Kräften erfolgten Zerstörung dieser Staatsgebilde durch die Spanier - die allerdings durch innere Widersprüche und Entwicklungsgrenzen beider Reiche befördert wurde - erstaunt vor allem die Tatsache, dass es in ebenfalls relativ kurzer Zeit gelang, die spanische Kolonialherrschaft zu etablieren und zu stabilisieren, so dass sie die folgenden ca. drei Jahrhunderte überdauerte. Administrativ wurden die Kolonien zunächst in zwei Vizekönigreiche (Neu-Spanien, Peru) und diese wiederum in Audiencias, Provinzen, Städte und Gemeinden gegliedert. Eine wichtige Voraussetzung für die Erlangung der sozialen Kontrolle über die eroberte indianische Bevölkerung sowie zur Stabilisierung der spanischen Herrschaft war zweifelsohne der von Beginn an betriebene Prozess der Christianisierung, auf den im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird. Angesichts der bekannten Entwicklung auf der iberischen Halbinsel unter den katholischen Königen und ihren Nachfolgern liegt es nahe zu vermuten, dass die Inquisition im Rahmen des Christianisierungsprozesses bzw. seiner Überwachung in den Kolonien eine bedeutende Rolle spielte.
Die Folgen der Konquista können hier nur kurz angerissen werden: Die Beute und die Tributzahlungen aus den eroberten Gebieten bildeten die wesentliche wirtschaftliche Grundlage für Spaniens Aufstieg zur frühneuzeitlichen Weltmacht im 16. Jahrhundert; erinnert sei hier nur an die sogenannten Silberflotten die alljährlich die - insbesondere in Zentralmexiko und im zentralen Andenraum von der unterworfenen indianischen Bevölkerung in Zwangsarbeit geförderten - Bodenschätze in einem bis dahin nicht gekannten Umfang und Wert nach Spanien transportierten. Die indianische Bevölkerung verlor im Gefolge der Konquista und der Zerschlagung ihrer überregionalen kulturellen Institutionen jede politische Selbständigkeit jenseits der lokalen Ebene. Lediglich in den Gemeinden (Repúblicas de Indios) behielt sie eine gewisse Autonomie unter Führung ihrer traditionellen Eliten (Kaziken), die damit in das System der Kolonialherrschaft eingebunden wurden. Des weiteren führte die Konquista (und die darauffolgenden Jahre bis zum Ende des 16. Jahrhunderts) zu Bevölkerungsverlusten unter den Indianern durch Zwangsarbeit, Hunger und Krankheiten, für die die Bezeichnung ,,demographische Katastrophe\" angemessen erscheint. Für Zentralmexiko geht z.b. eine vorsichtige Schätzung von Woodrow Borah und Sherburne F. Cook von einem Bevölkerungsverlust zwischen 1523 und 1605 aus, der weit über 90% liegt - in absoluten Zahlen: von 16,8 Mil auf 1,08 Mil Menschen!
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