Wenn ein Einzelhändler sein Sortiment auf einer WWW-Site zum Verkauf anbietet, bedeutet das für ihn die Überwindung zeit- und räumlicher Restriktionen und somit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seiner Konkurrenz, die das Internet nicht nutzt. Sein \"Online-Geschäft\" ist nun nicht mehr an Ladenschlußzeiten gebunden, weil Internetnutzer sie zu jedem gegebenen Zeitpunkt besuchen können. Auch ist der potentielle Kundenkreis nicht mehr regional beschränkt, da prinzipiell jeder WWW-Nutzer das Angebot abrufen kann (Anbieter, die ein internationales Publikum ansprechen wollen, bieten meist mehrspra¬chige Versionen ihrer Sites an ). Auch sind die Kosten für den Aufbau eines WWW-Angebots niedriger als die Mietkosten, die für weitere \"reale\" Geschäftsräume anfielen. Letztendlich besteht im WWW eine Chancengleichheit, was die Attraktivität der Sites angeht:
\"Dem Großkonzern steht ebenso wie dem Sportfachgeschäft nur eine erste Seite zur Verfügung, mit der er sich dem Internet-User präsentieren kann. Da der erste Eindruck oft darüber entscheidet, ob der Anwender verweilt und möglicherweise bestellt oder ob er weiter surft, haben hier vor allem die Unternehmen eine größere Marktchance, die ihre Angebote kreativ, informativ und der Technik angepaßt darbieten. So zu verfahren ist nicht nur Großbetrieben möglich.\"
Auch wenn dieser Aspekt nur bedingt zutrifft, da Werbeaufwendungen (vergleiche Absatz 3.3.1), Aktualisierung und technische Pflege einer Site einen immer beträchtlicheren mone¬tären Aufwand bedeuten, gelang es in der jüngeren Vergangenheit einigen finanzschwachen Kleinanbietern aus verschiedenen Branchen, sich durch ein medienadäquates Angebot und/oder die Ausnutzung von Marktlücken zu etablieren. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der im Untergeschoß ihres Elternhauses von Jason und Matthew Olim gestartete und über das Internet operierende CD-Versand CDnow, der für 1996 einen Jahresumsatz von 6 Millionen US-$ erwartet, was ihn zu einem der führenden Anbieter macht .
Für die Kunden sind dagegen die Vorteile, die das sogenannte Online-Shopping bietet, vor allem folgende:
- Wegfall zeitlicher Beschränkungen für den Einkauf (Ladenöffnungszeiten)
- Möglichkeit des ferngesteuerten Einkaufs von zu Hause aus und damit verbunden Einsparung von Zeit und Anfahrtskosten
- Möglichkeit zum schnellen Preisvergleich über Datenbanken von Verbraucherzentren oder intelligente Agenten, die selbständig nach dem günstigsten Angebot für das gewünschte Produkt suchen (Anderson Consulting demonstriert beispielsweise mit dem intelligenten Agenten Bargain Finder Agent bereits den Prototyp einer solchen Applika¬tion )
- Weitergabe der gesunkenen Personal- und Marketingkosten durch die Anbieter in Form von geringeren Preisen (vergleiche Abschnitt 3.4.2)
- Größere Auswahl und leichtere Auffindbarkeit selten zu findender Produkte durch den Wegfall räumlicher Limitierungen
- Bessere Qualität und niedrigere Preise durch verstärkten Wettbewerb als Folge des Wegfalls räumlicher Limitierungen
Aufgrund der außerdem im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung noch geringen Anzahl an Internetanschlüssen in der BRD rechnen Experten damit, daß der Onlinehandel für den stationären Einzelhandel, der zur Zeit 94,1% Anteil am Einzelhandelsumsatz hat , erst nach dem Jahr 2000 zur Bedrohung werden könnte .
Doch hier muß differenziert werden: So lassen sich beispielsweise viele Güter nicht mittels Online-Shopping absetzen, weil ihre potentiellen Käufer (auch in der näheren Zukunft) über keinen Internetanschluß verfügen (bzw. verfügen werden) oder ihn nie oder selten nutzen. Auch ist für bestimmte Warengruppen ein physisch getätigter Einkauf aus mehreren Motivationen wünschenswert. Bücher und CDs kann man z.B. bereits heute oft billiger per Versand kaufen. Trotzdem müssen die Fachgeschäfte nicht schließen, weil der Großteil der Verbraucher die Beratung und den Service, beispielsweise eine CD probeweise zu hören oder in einem Buch zu blättern, schätzt. Auch zahlreiche andere Bereiche, vor allem der Textilkauf, kommen nicht ohne eigenhändige Qualitätsprüfung aus. Und selbst wenn diese Argumente durch den technischen Fortschritt teilweise verschwinden sollten (die Möglich¬keit des Probehörens besteht beispielsweise bereits im WWW), so besteht für den Online¬handel letztlich noch das Manko des durch die Verkaufspraktiken im Teleshopping begrün¬deten negativen Images des Heimshopping:
\"Hier werden i.d.R. Produkte verkauft, die es im stationären Handel nicht gibt, und die sich oft durch schlechte Qualität auszeichnen. Die Branche selbst nennt diese Ware zynisch \'Get-rich-quick-Produkte\', [...]\"
Des weiteren bietet der herkömmliche Einkauf in Boutiquen, Kaufhäusern oder auch \"Kramläden\" für zahlreiche Konsumenten eine nicht zu unterschätzende Erlebnisqualität, von der sie meist nicht zugunsten der Bequemlichkeit abrücken wollen. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine VDI/VDE-Untersuchung, in der es heißt: \"\'Kaufen als Erlebnis\' wird daher als Motivlage weiterhin seine Berechtigung bewahren.\"
Anders stellt sich dagegen die Situation bei Waren dar, die diese Eigenschaften nicht bieten: Waren des täglich Bedarfs, sogenannte \"low-interest-products\", Produkte, deren Voraus¬wahl bereits getroffen wurde und solche, deren Qualitäten sich durch Multimedia sogar besser darstellen lassen. Hier könnte das Internet (vor allem das WWW) in Kombination mit anderen Multimediaanwendungen wie CD-Roms, PoI-Systemen und dergleichen mittelfristig tatsächlich zu einer Konkurrenz des stationären Einzelhandels werden. So ist es denkbar, daß viele Menschen sich den Streß und Zeitaufwand eines Wochenendeinkaufs sparen und sich die Waren des täglichen Bedarfs von einem Super- oder Großmarkt-Service bringen lassen, nachdem sie mittels eines intelligenten Agenten nach dem besten Angebot gesucht und es am Bildschirm geordert haben.
Vertreter des stationären Einzelhandels versuchen sich gegen die mögliche Entwicklung durch eine zweifache Strategie zu schützen. Zum einen entscheiden sich viele Unternehmen frühzeitig für eine Verkaufspräsenz im Internet, was vorrangig nicht durch die Hoffnung auf baldige Umsatzsteigerungen motiviert ist, sondern durch die Sorge, bei zu spätem Einstieg in den Onlinehandel im Falle der Entwicklung des Internet zum Massenmarkt Marktanteile zu verlieren . Zum anderen versucht der stationäre Einzelhandel, der Bedrohung durch Onlinehandel mittels Kundenbindungssystemen entgegenzuwirken, wobei auch die Präsenz im Internet ein Mittel der Kundenbindung darstellt .
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