Ist der Gegensatz der beiden Disziplinen Jura und Journalismus vielleicht nur oberflächlich? Welche Überschneidungen gibt es in Inhalt und Systematik?
"Die Frage nach Recht und Unrecht, richtig und falsch, Erkenntnisinteresse, (halb-) wissenschaftliches Arbeiten, Aufklärung von Sachverhalten im Gespräch und mittels Literatur", glaubt Dietmar Hipp. Auch trotz häufiger "ökonomischer Zwänge" sei in beiden Bereichen "besondere Sorgfalt" gefragt. Eine "gute Allgemeinbildung und ein Minimum an Lebenserfahrung" sei die "Voraussetzung für eine verantwortungsvolle Ausübung" beider Berufe. Im Grunde sei die journalistische Arbeit eine "Arbeit mit Fällen\". Das bedeute "Grundsätzliches am Einzelfall fest zu machen, Fälle zu schildern, um Fragen und Konflikte anschaulich machen." "Beweiserhebung und Recherche" würden sich ebenso wie "Urteilsfindung und Schreiben eines Artikels" ähneln: "Der (Straf-) Richter entscheidet nach seiner ´aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung`, der Journalist (vor allem der, der interpretierende oder kommentierende, also subjektiv gefärbte Texte schreibt) muss (und darf) sich nach meinem Verständnis stützen auf seine von der eigenen Recherche getragene Überzeugung." Ferner müssten auch Journalisten quasi "in Analogie zu den Befangenheitsvorschriften des Prozessrechts" arbeiten, meint Hipp, schließlich würden auch sie "urteilen".
Christian Rath von der "taz" sieht die größte Überschneidung in der Darstellung aller Argumente, wobei jedoch der Journalist häufig darauf verzichten könne, sich für eine Position zu entscheiden. Ulrich Wickert beantwortet die Frage mit dem Begriff "Tatsachenfindung", nicht aber ohne die eigene Antwort mit einem Fragezeichen zu versehen. Wolfgang Metzner sieht die wesentliche Überschneidung im "Einschätzen von Sachverhalten auf ihre Relevanz" und Peter Schiwy glaubt, dass für beide Berufe das Credo gelten müsse: "Zunächst müssen die Fakten auf den Tisch, und dann kommt die Bewertung."
Nach Bernhard Töpper kommt es in beiden Disziplinen darauf an - beide hätten schließlich "nur einen begrenzten Platz zur Verfügung" -, "die Dinge auf den Punkt zu bringen, kurz und knapp zusammenzufassen": "Der gute Jurist muß in der Lage sein, eine komplizierte Rechtslage seinem Mandanten klar und verständlich zu erläutern - ohne juristisches Fachchinesisch. Über diese Fähigkeit muß auch ein guter Journalist verfügen: einen Sachverhalt dem Leser, Hörer oder Zuschauer klar und leicht verständlich zu vermitteln." "F.A.Z."- Redakteurin Elke Bohl stimmt Töpper zu: "Man muß präzise formulieren können."
Fatina Keilani sieht die Überschneidungen vor allem "auf dem politischen Feld", ergänzt aber auch, dass sich "letztlich (.) alle Lebensvorgänge juristisch abbilden" ließen. Jörn Kabisch will "rhetorisches Talent und die Fähigkeit zu Transfer" entdeckt haben.
Nach Ulrike Winkelmann ("taz") gibt es in der Praxis vor allem eine gleiche Herangehensweise: Gute Journalisten fänden den Interessenkonflikt in jeder Pressemitteilung und jeder Nachricht und gute Juristen können im Chaos jeder Straftat und jedes zivilrechtlichen Konflikts den Sachverhalt erkennen und - "subsumieren, subsumieren, subsumieren." Eigentlich sei das journalistische ´Thema erkennen` das gleiche wie das juristische Subsumieren.
Mathias-Josef Zimmermann von der "ARD" meint jedoch, dass es "eigentlich wenig" Überschneidungen gebe. "Die Pflicht zur juristischen Schärfe" sei im Journalismus "meist kontraproduktiv". Denn es käme hier - zwar nicht auf die "Verseichung" - , wohl aber auf die "Vereinfachung" an.
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