Weiter ist in Art. 86 EGV die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung verboten. Es folgt ein kurzer Katalog mit Regelbeispielen für mißbräuchliche Ausnutzungen, der aber keine abschließende Umschreibung der verbotenen Verhaltensweisen oder eine Definition enthält. Zur Auslegung des Mißbrauchsbegriffes wird auf eine inzwischen anerkannte Interpretationsmethode zurückgegriffen. Es sind Geist, Aufbau, und Wortlaut sowie System und Ziele des Vertrages zu berücksichtigen. Damit wird auf das Leitbild der EU von einem Wettbewerbssystem zurückgegriffen. Auf dieses wird im 2. Abschnitt genauer eingegangen. Nach gefestigter Rechtsprechung umfaßt der Mißbrauch \"Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.\"
Auch eine Definition für eine beherrschende Stellung wird nicht geliefert. Als Auslegungshilfen kommen verwandte Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, insbesondere die Wettbewerbsregeln des EGKS-Vertrages und der Katalog für Freistellungen vom Kartellverbot aus Art. 85 III EGV in Betracht, aber nicht die teilweise im Widerspruch zueinander stehenden nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten. Nach dem Europäischen Gerichtshof ist mit beherrschender Stellung die \"wirtschaftliche Marktstellung eines Unternehmens gemeint, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten.\"
Das Mißbrauchsverbot trägt, im Gegensatz zum Kartellverbot des Art. 85 EGV, absoluten Charakter. Eine Freistellung ist prinzipiell ausgeschlossen, soweit das Gemeinschaftsrecht nicht selbst in Art. 90 II EGV das Verbot für unanwendbar erklärt.
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