Auf dem Weg zum Rezipienten durchläuft digitales Fernsehen mehrere neue Dienstleisungsebenen, an denen sich Zugangshindernisse herausbilden können. "Vornehmliches Ziel aller Regelungsversuche im Bereich des digitalen Fernsehens muß es sein, die Problematik der 'Gatekeeper' oder 'Flaschenhälse' durch die rechtliche Gewährleistung eines offenen Zugangs zu diesen Techniken zu überwinden." (Holznagel/Schulz/Seufert, 1998: 5)
Zu diesen neuralgischen Punkten, an denen jene, die diese Dienstleistung vollbringen, potentiell die Macht zufällt, ob und welches Programmangebot unter welchen Bedingungen den Zuschauer erreicht, gehören folgende Dienstleistungen (siehe ebd.; zur Technik vgl. Eckstein in Tendenz IV/1997: 8ff.):
. Multiplexing: Hier findet die durch die Digitalisierung der Signale möglich gewordene Reduktion der Daten statt, wodurch die Zusammenfassung mehrerer Programme zu einem Paket pro Übertragungskanal ermöglicht wird. "Multiplexing kann insofern rundfunkrechtlich relevant werden, als die technische Bündelung Vorentscheidungen für die Verbreitung (...) setzt." (Holznagel et al, 1998: 9)
. Navigationssystem: Elektronischer Programmführer (EPG), Frage nach nichtdiskriminierender Berücksichtigung aller Programmeveranstalter (z.B. durch "T.O.N.I." der d-box) sowie Möglichkeit anderer Veranstalter, ihren EPG - ggf. samt Sonderfunktionen wie Lesezeichen - auf dem Dekoder abzubilden (Notwendigkeit einer Software-Schnittstelle - API).
. Conditional Access: Sämtliche Systemkomponenten, die den Zugang von gebührenpflichtigen Programmen regeln. Hier werden je nach Hersteller der Dekoder unterschiedliche CA-Module verwendet. In Zukunft ist denkbar, mittels des sog. Symulcrypt-Verfahrens oder eines Common-Interface (CI) Dekodertyp und CA-Module voneinander unabhängig zu machen.
Bereits nach dem geltenden Rundfunkstaatsvertrag müssen die Anbieter solcher Dienste allen Veranstaltern zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen diese Dienste anbieten (§53 I). Mit dem neuen Staatsvertrag (Entwurf vom 25.6.1998) werden den Landesmedienanstalten voraussichtlich weitreichende Instrumentarien zugeteilt (z.B. Feststellung durch Bescheid, ob Dienste den genannten Anforderungen genügen), die die Zugangsfreiheit gewährleisten sollen. Die notwendigen Voraussetzung für die Zugangsfreiheit werden darüber hinaus im Entwurf dadurch angestrebt, daß Anbieter der benannten Dienste der zuständigen Landesmedienanstalt und Dritten, die ein berechtigtes Interesse geltend machen, alle technischen Parameter offenlegen müssen, "deren Kenntnis erforderlich ist, um den Zugang nach den Absätzen 1 [s.o.] und 2 [betrifft die Anforderungen an Navigatoren] zu ermöglichen".
Damit wird der wesentliche Unterschied zur Entscheidung der EU deutlich: Diese legte den Schwerpunkt auf die Schwierigkeiten, nach Vollziehen der Fusion Wettbewerb entstehen zu lassen. Dabei wurde auf die marktabschottenden Wirkungen, insbesondere auf die Möglichkeit der Allianz, Marktzutrittsbedingungen für andere Veranstalter zu diktieren, hingewiesen. Hier geht der Gesetzgeber das Problem von der anderen Seite an, indem er versucht, mit strukturellen Vorkehrungen, und das heißt in diesem Fall vor allem mit umfassenden Handlungsoptionen ausgestattete Landesmedienanstalten, die Option für künftigen Wettbewerb offenzuhalten, ohne ihn zu Beginn des digitalen Pay-TVs zwingend vorauszusetzen.
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