3.1 Geschichte
Die Österreichische Volkspartei wurde im April 1945 als neue, sich von der Vergangenheit abgrenzende Partei gegründet. Von ihrer Vorgängerin, der Christlich sozialen Partei, wollte sich die ÖVP durch ein eindeutiges Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie, durch den Verzicht auf die religiöse Etikettierung und durch ein betontes Bekenntnis zur österreichischen Nation unterscheiden. Jedoch wurde das Führungspersonal der ÖVP zum großen Teil aus Personen der "Vorgänger-Partei" gebildet. Die ÖVP wandte sich auch auf die gleiche Gruppe wie die Vorgänger-Partei: Bauern, Gewerbetreibende, Beamte und Angestellte. Die Verbindung zur katholischen Kirche wurde zwar gelockert, war aber noch immer stark vorhanden: Angehörige des Klerus unterstützten die Gründung der ÖVP tatkräftig und in den Wahlkämpfen erfuhr die ÖVP bis in die 60er Jahre eine aktive Unterstützung durch die Kirche.
Die ÖVP war von Anfang an eine bürgerliche Sammlungspartei, die nicht nur verschiedene Berufsgruppen, sondern auch verschiedene ideologische Strömungen in sich vereint. Dieses Konzept ging in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten voll auf: der ÖVP gelang es, deutlich über die Reichweite der ehemaligen Christlichsozialen Partei hinauszukommen und Teile des deutschnationalen Lagers zu integrieren.
Solange Bauern und Gewerbetreibende ein umfangreiches Segment der österreichischen Gesellschaft darstellten, solange die ÖVP sich auf die Kirche stützen konnte und solange sie sich als "natürliche" Regierungspartei präsentieren konnte, war die ÖVP sehr erfolgreich: Als stärkere Regierungspartei der großen Koalition, die den Bundeskanzler und die wichtigsten Ressortminister stellte, und als Träger der ersten Alleinregierung Österreichs dominiert die ÖVP von November 1945 bis März 1970 die österreichische Politik. Die Wahlniederlage 1970 leitete eine 17jährige Oppositionsperiode ein, deren Länge sich u. a. aus den Strukturproblemen der Partei erklärt. Seit 1987 ist die ÖVP wieder Regierungspartei - diesmal als schwächerer Partner der SPÖ.
3.2 Organisation
Die ÖVP ist nach einem doppelten Organisationsprinzip aufgebaut: territorial und funktional. Territorial folgt die ÖVP der staatlichen Gliederung in Bund, Länder, politische Bezirke, Gerichtsbezirke und Gemeinden.
Funktionell teilt sich die Partei in mehrere Teilorganisationen auf:
Kammerorganisationenen (Bauernbund, Wirtschaftsbund, Arbeiter- und Angestelltenbund)
Teilorganisationen für Frauen (Österreichische Frauenbewegung)
Teilorganisationen für die Jugend (Junge ÖVP)
Teilorganisationen für die Alten (Österreichischer Seniorenbund)
Im lokalen Bereich existieren zwei Ebenenen der Parteiorganisationen, die Ortsparteiorganisation und die Gemeinde bzw. Stadtparteiorganisationen. Die Parteimitglieder werden jährlich in Orts- und Gemeindeparteitagen versammelt. Diese wählen Mitglieder des Orts- bzw. Gemeindeparteivorstandes, welche durch Ex-officio-Mitgliedschaften (Gemeinderäte, ...) ergänzt werden.. Die Gemeindeparteileitung wählt die Delegierten zum Bezirksparteitag ebenso die Teilorganisationen. Der Bezirksparteitag wählt einen Teil des Bezirksparteivorstands, der wieder durch Ex-officio-Mitgliedschaften ergänzt wird. Der Bezirksparteileitung nominiert wiederum die Delegierten zum Landesparteitag. Die sechs Teilorganisationen entsenden jeweils je einen Delegierten für angefangene 1000 Mitglieder. Delegierte der nahestehenden Verbände und Ex-officio-Mitgliedschaften ergänzen den Landesparteitag. Dieser wählt den Großteil der Mitglieder des Landesparteivorstandes und den Landeskontrollausschuß. Die Landesparteileitung besteht aus dem Mitgliedern des Landesparteivorstandes und einer großen Anzahl weiterer Ex-officio-Mitglieder.
Der Bundesparteitag setzt sich aus Delegierten der Landesparteiorganisationen, die von der Landesparteileitung nominiert werden, Delegierten der sechs Teilorganisationen, insgesamt 20 Delegierten der nahestehenden Verbände und zahlreichen Ex-officio-Mitgliedern zusammen. Der Bundesparteitag wählt den Bundesparteiobmann und dessen Stellvertreter sowie den Bundesfinanzreferenten. Bis 1991 wählte er weiters den Generalsekretär, danach wurde die Wahl des Generalsekretärs dem Parteivorstand übertragen. Dieser setzte sich von 1989 bis 1991 aus dem Bundesparteipräsidium und den Landespartei- und Teilorganisationesobleuten sowie dem Franktionsführer im Bundesrat zusammen. Seit 1991 sind das Bundesparteipräsidium und der Bundesparteivorstand Gremien, die sich mit Ausnahme des Parteiobmanns, seiner beiden Stellvertreter und des Bundesfinanzreferenten zur Gänze aus Funktionsträgern zusammensetzen, die ihre Ämter anderen Gremien als dem Parteitag verdanken.
Neben diesen Führungsgremien wurden 1991 Fachausschüsse eingerichtet, die der politisch-sachlichen Entscheidungsvorbereitung dienen und eventuell Sachfragen auch selbst entscheiden können. Weiters existieren seit langem ein Bundeskontrollausschuß und ein Bundesparteigericht, die vom Parteitag gewählt werden. Die Funktionsdauer aller Parteiorgane betrug bis 1991 der Jahre, seither beträgt sie vier Jahre.
3.3 Programm
Aus dem "neuen" Programm der ÖVP (1995):
Prinzipien der Nächstenliebe, der Gerechtigkeit, der Geschwisterlichkeit und Toleranz
Knüpfung von sozialen Netzen (Gemeinschaften), um materielle Sicherheit zu geben
Bekämpfung der Armut
Eintreten für die Freiheit des Einzelnen und für die Förderung und Anerkennung der persönlichen Leistung
Ökosoziale Marktwirtschaft (Gesetze des Marktes ergänzt durch soziale Maßnahmen, für jene, die am Markt nicht teilnehmen können; zusätzlich ökologisches Prinzip der Nachhaltigkeit: wirtschaftliches Handeln darf Zukunftschancen der nächsten Generationen nicht schmälern)
Natürlichen Lebensgrundlagen schonen und bewahren ("Die Erde soll bewohnbar und fruchtbar erhalten bleiben")
Absage an jede Art von Totalitarismus und Diktatur
Erhaltung und Förderung des kulturellen Erbes
Beteiligung Österreichs am Prozeß der europäischen Integration
|