Das Drei-Schluchten-Projekt ist innerhalb des chinesischen Machtapparats seit Jahrzehnten umstritten. Zur Opposition werden u.a. die Provinzregierung von Sichuan, das frühere Elektrizitätsministerium, große Teile des Nationalen Volkskongresses und zahlreiche wissenschaftliche Gremien gezählt. Auch der Zhu Rongji und KP-Generalsekretär Jiang Zemin gelten als Gegner des Projekts. Zu den Ablehnungsgründen gehören offenbar die Unwirtschaftlichkeit des Projekts, die angesichts der zunehmenden staatlichen Budgetdefizite besonders ins Gewicht fällt, sowie die Furcht vor Unruhen der Umsiedlungsopfer. Die finanziellen Probleme des Projekts dürften sich 1996 verschärft haben. Aufgrund der Skepsis der privaten Banken gelang es den zuständigen Behörden bisher nicht, Obligationen auf dem privaten Kapitalmarkt aufzulegen. Die wachsende finanzielle Autonomie der Provinzregierungen erschwert es der Zentralregierung, letztere zur Finanzierung des Projekts beizuziehen. Die Behörden von Guangdong beteiligen sich beispielsweise an dezentralen, rentablen Wasserkraftwerken statt am Prestigeprojekt am Yangtze. Als Folge der wachsenden Budgetdefizite sieht sich die Zentralregierung gezwungen, verschiedene Kraftwerkprojekte zu annullieren. Es gibt Indizien, dass die finanzielle Privilegierung des unwirtschaftlichen Drei-Schluchten-Damms innerhalb des Machtapparats zunehmenden Unmut schafft.
Innerhalb der chinesischen Regierung zählen Wasserbauprojekte zur Domäne von Premierminister Li Peng. Die Amtszeit dieses Hauptbefürworters des Drei-Schluchten-Damms läuft 1997 ab. Gemäss verschiedenen Spekulationen könnte sie nicht erneuert werden - insbesondere wenn Deng Xiao Ping in der Zwischenzeit stirbt. Falls Li Peng tatsächlich aus dem Machtzentrum verdrängt wird, ist nicht ausgeschlossen, dass Projektgegner wie Zhu Rongji und Jiang Zemin die Privilegierung des Damms am Yangtze beenden und den Zufluss weiterer Finanzmittel unterbinden könnten. Japanische Firmen halten größere Investitionen in das Projekt bewusst zurück, bis sich die politische Zukunft Li Pengs geklärt hat. Das Projektrisiko des umstrittenen Vorhabens muss jedenfalls als erheblich höher eingeschätzt werden als das Länderrisiko der Volksrepublik China.
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