Mobilisierung/Politisierung der Bevölkerung
1889/90 Streikwelle ermöglicht den Gewerkschaften den Durchbruch zur Massenbewegung
Die bürgerlichen Parteien bauen unter dem Konkurrenzdruck der Sozialdemokratie und z.T. nach ihrem Vorbild ihre Parteien zu Massenorganisationen aus ( früher Honoratiorenparteien, die nur im Wahlkampf und im Parlament aktiv waren)
Gründe:
Gründerkrise ( bis 1896) in der Industrie und Krise in der Landwirtschaft
nach der Absetzung Bismarcks kommt es unter dem neuen Reichskanzler Leo von Caprivi zu einer Neuorientierung der Innen- und der Zollpolitik
Übergang von Agrar- zum Industriestaat
Zunehmende Verstädterung
Einlußnahme der Agrarverbände
Gründe:
Zusammenbruch des Getreidepreises
Verringerung des Zollprotektionismuses im Zusammenhang mit Handelsverträgen (z. B.: Rußland, Rumänien)
Folgen:
Neugründung von oppositionellen, mit demagogischen Mitteln arbeitenden Massenorganisationen (z.B. Bund der Landwirte)
Methoden der Einflußnahme:
Einflußnahme und Festlegung der Kandidaten der Parteien
Mitarbeit von Funktionären der Verbände in den Spitzen der Parteien
Hilfe bei den Aufgaben der Parlamentarier durch die zentralen Büros der Verbände
Finanzbeihilfen
Bereitstellung der lokalen/regionalen Organisationen der Verbände für der Wahlkampf (Ersatz für den fehlenden Parteiapperat der Honoratiorenparteien)
Folgen:
Eroberung der Deutschkonservativen Partei durch den Bund der Landwirte von innen
Nationalliberale und Zentrum mußten im verstärkten Maße agrarische Forderungen unterstützen
Charakteristika für die Zeit ab 1890
Aufschwung von antisemitischen Parteien (begonnen in der Gründerkrise) wurde von der Wirtschaftskrise in den 90er gefördert
Aufschwung der Massenpresse
Zunehmende Resonanz der Frauenbewegung
Ausweitung des Konsums durch Standardisierung der Produkte
Intensivierung der Werbung verbunden mit dem Aufkommen von Warenhäusern und Ladenketten
Anstieg der Wahlbeteiligung (1871: 51%, 1912: 84,9%) als Konsequenz der Mobilisierung
Machtverschiebungen innerhalb der Parteien als Konsequenz der Mobilisierung der Massen
Zentrum: Ablösung der aristrok. Führungsschicht / Zurückdrängen des Einflusses des Klerus
Deutschkonservative: Agrarverbände übernehmen die Führung
rapides Anwachsen der Gewerkschaftsbewegung (1895: 300 000, 1907: 2¼ Mio., Versiebenfachung !!!)
Formation der Angestelltenbewegung für bessere Renten u. Hinterbliebenversorgung ( Sonderbewußtsein)
Formierung der Mittelstandsbewegung ( Kleinbetriebe in Handwerk und Handel )
Versuch der Reichsregierung (zunächst unter Caprivi) die vormals \"reichsfeindlichen\" Parteien (Zentrum, Sozialdemokratie, Linksliberale) in die Regierung einzubinden
Rückschläge:
- Zentrum sperrte sich gegen die Heeresvermehrung 1893
- Spaltung der Linksliberalen wegen der Heeresvermehrung 1910
- Sozialdemokratie blieb weiterhin auf Oppositionskurs
Erfolge:
- Zentrum u. Linksliberale verzichten auf Opposition bei der Flottenpolitik 1902
VI. Fazit
Parteien und Föderalismus/Konstitutionalismus
Bürokratie war von den Parteien unabhängig und bildete ein Hindernis für die effektive Machtausübung
die fehlende Beteilungsmöglichkeit an der Regierung machte die Parteien wenig attraktiv für politisch Begabte und ließ keine direkte polt. Erfahrung (polt. Verantwortung) zu ( mangelnde Qualifikation der Führungseliten in der Weimarer Republik)
Der starke Föderalismus ( die Reichstagsabgeordneten waren meist auch Landesabgeordnete) verhinderte z. T. effektive parlamentarische Politik im Reichstag, da bei jedem politischen Schachzug stets beachtet werden mußte, ob dieser nicht für die jeweilige Lnadespolitik hinderlich war (Zentrum: Zentrum durfte es sich im Reichstag nicht mit den Konservativen verderben, da es im preußischen Länderparlament auf die konservative Mehrheit ( 3-Klassenwahlrecht) angewiesen war)
Parteien und Wahlrecht/Organisationen
das relativ fortschrittliche Wahlrecht ermöglichte den Aufstieg des Zentrums und der Sozialdemokratie und stärkte (gegenüber dem 3-Klassenwahlrecht) die Konservativen (agrarische Landbevölkerung)
Vereine und Organisationen waren meisten die Basis der Parteien
Zentrum: Pfarrämter, kath. Vereine, kath. Lokalpresse
Sozialdemokratie: Gewerkschaften, Arbeitervereine, sozialdemokratische Stadt- und Subkultur ( Immunisierung für die nationalsozialistische Propaganda)
Liberale: bürgerliche Vereine
Konservative: Großgrundbesitzer (Einfluß auf regionale Verwaltung und Landbevölkerung),
protestantische Kirche, Bund der Landwirte
preuß. 3-Klassenwahlrecht (1.Kl. 16-26fache, 2.Kl. 5-8fache der Stimmgewichtigkeit d. 3. Kl.)
bevorzugt Konservative, z.T. auch Liberale und Zentrum, benachteiligt die Sozialdemokratie
verhindert die Parlamentarisierung und Demokratisierung des Reiches
niedrige Wahlbeteiligung
Wahlrechtsänderungen in einzelnen Bundesstaaten (z.B. Sachsen) schwächten den Einfluß der Sozialdemokratie ab
Zensuswahlrecht (z.B. Grundstücksbesitz / Mindeststeueraufkommen (Sachsen 1895))
3-Klassenwahlrecht, Pluralwahlrecht
kein Wahlrecht beim Bezug von staatlicher Armenunterstützung
Beeinflussung der Wahlen durch die Regierung
Z. T. Keine Gewährleistung des Wahlgeheimnisses
z.T. keine einheitlichen Stimmzettel
bis 1903 keine Wahlkabinen
Repression durch Gutsherren und Fabrikbesitzer
Festschreibung der Wahlkreiseinteilung
Stärkung des Zentrums und der Konservativen
Benachteiligung der Städte und damit der Sozialdemokraten
Beeinflussung der Presse durch Androhung, den Abdruck amtlicher Veröff. zu verbieten
Einflußnahme auf Beamte durch Wahlprogramm der Regierung
Parlamentsauflösungen übten Druck auf Opposition aus
Parlamentsauflösungen schufen Vorteil für Regierungstreue Parteien
Wahl eines günstigen Zeitpunktes (nationale Fragen wie Militär- und Kolonialpolitik)
Nur gegen links angewandt, da gegen eine rechte Opposition angewandt evtl. die Loyalität der Verwaltungsbeamten (konservativ) überfordert und die Sozialdemokratie gestärkt hätte
rechte Parlamentsmehrheit erhielt durch Androhung der Reichstagsblokade ein Druckmittel gegen die Regierung
fehlende Diäten führten zur verstärkten Bindung der Abgeordneten an die Parteien ( Abgeordnete wurde aus Parteimitteln bezahlt)
Gewissenskonflikte und die Angst vor Versetzung in den Ruhestand ließen den Anteil der Verwaltungsbeamten an den Parlamentariern zurückgehen
Ausbau des Anteiles der unabhängigeren Justizbeamten
Einflußnahme der Regierung bei der Aufstellung der Kandidaten (der regierungstreuen Parteien)
Einflußnahme der Regierung auf den Ausgang der Stichwahlen (\"reichsfreundliche\" Parteien sollen geschlossen abstimmen)
VII. Übersicht über die Parteien
Zentrum
schichten - und klassenübergreifend
Antwort auf Kulturkampf und liberale Politik
Trotz Versuche bis zum Ende fast nur aus Katholiken bestehend
starke regionale Unterschiede im Wählerklientel wurden durch weitgehende Freiheiten für die Regional- und Landespolitik und durch die Betonung der religiösen Gemeinsamkeiten kompensiert
Nach der Abspaltung des proletarischen Flügels 1877 Aufnahme von soz. Forderungen und dardurch Revision der Abspaltung
Das Zentrum besaß 70,2% der \"sicheren\" Wahlkreise
Möglichkeit der Koalition mit linken und rechten Parteien, da Unabhängigkeit von Stichwahlhilfe
Festschreibung der Wahlkreise bevorzugte das Zentrum
Nach dem Nachlassen des Druckes durch den Kulturkampf in den 80ern und die zun
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