Die Erneuerung der Universität steht merkwürdigerweise erst dann zur Diskussion, wenn die "Reinigung" der Universität zu einer Frage des Merkantilen geworden ist, und die Modernisierung der Hochschule von Modernisierungstheoretikern ohne Skrupel vor allem als Faktor in der Entwicklung unserer Medien- und Kommunikationsindustrie mißverstanden werden darf. Die "neue Universität" stellt in diesem Prozeß nur noch den Garanten für ein Optimum an Blaupausenpatenten dar. Die neuen Wissensfabriken werden von Bildungsnetzplanern zudem neu definiert als Vorstufe zu einem Ausbau des Edutainment. Sie sollen in Zukunft die untergeordnete Rolle von "contentprovidern" spielen.
Viele unter uns haben sich indes schuldig gemacht an den neuen Studentengenerationen, indem wir ohne Murren die Verflachung der Hochschule und die Vermassung der zwischenmenschlichen Beziehungen als einen naturwüchsigen Prozeß begriffen haben, der auf der Ebene des Wissens und des Wissenserwerbs nur das abbildete, was auf anderen kulturellen Gebieten durch massenattraktive Unterhaltungsprogramme längst vorgezeichnet war. Nach dem Motto "Verwöhnen statt fordern" haben wir Dozenten uns in den letzten Jahren die Arbeit häufig zu einfach gestaltet, indem wir unsere Studenten als Mitglieder einer stets wachsenden Masse von Klienten in ihrer Hilflosigkeit für sich beließen, die damit verbundene Verwahrlosung in den Seminaren in Autonomie umdefinierten, und unsere "Schüler" am Ende, nach ihrem Studium, entweder viel zu schnell - und nur wenig vorbereitet - oder zu langsam in eine Wirklichkeit zurückentließen, die der unübersichtlichen Welt, aus der sie zu uns flüchteten, am Ende viel mehr glich als wir uns ursprünglich erhofften. Wir haben unter Umständen darin versagt, unseren Studenten einen akzeptablen Platz in unserer Gesellschaft vorzubereiten. Kein Wunder also, daß uns diese jetzt den Rücken zukehren und die Krise der Universität nicht als eines der von uns so geliebten "strukturellen Probleme" erkennen, sondern den Exodus der Universitas auch als eine persönliche und menschliche Krise der verantwortlichen Dozenten und eine ebensolche der sie kontrollierenden Politiker betrachten.
Neue Techniken des Lernens werden in der Krise der Institution vorschnell als magische Heiler des an der Masse erkrankten Molochs Universität angepriesen. Hätten wir uns aber in dem weiter oben formulierten Sinne schuldig gemacht, so wäre statt simpler Erneuerung durch High-Tech-Lehre und High-Tech-Magie eine ernsthaftere Reinigung angesagt, so wie sie Jaspers in der eingangs erwähnten Vorlesung für grundsätzliche Phasen des Umbruchs einforderte.
"Reinigung ist der Weg des Menschen als Menschen. Die Reinigung über die Entfaltung des Schuldgedankens ist darin nur ein Moment. Reinigung geschieht nicht zuerst durch äußere Handlungen, nicht durch ein äußeres Abmachen, nicht durch Magie. Reinigung ist vielmehr ein innerlicher Vorgang, der nie erledigt, sondern anhaltendes Selbstwerden ist. Reinigung ist Sache unserer Freiheit. Immer wieder steht ein jeder vor der Wegscheide in das Reinwerden oder in das Trübe. Reinigung ist nicht dieselbe für alle. Jeder geht persönlich seinen Weg. Der ist von niemand anderem vorwegzunehmen und nicht zu zeigen. Die allgemeinen Gedanken können nur aufmerksam machen, vielleicht erwecken."
Die Defizite der Hochschulen aus der Perspektive der Studenten sind einfach analysierbar und werden von unseren Kunden deutlich benannt. Studenten sind unzufrieden mit der mangelnden Zugänglichkeit des Hochschulpersonals. Die Größe der Seminare steht dem persönlichen Dialog im Lernprozeß entgegen. Die sozialen Kontakten an einer Massenuniversität sind schwieriger herzustellen. Die mangelnde Transparenz von Universitätsstrukturen, die nur plakative und in der Wirklichkeit nur sehr selten realisierte interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Starrheit der Studienordnungen und die altertümliche Zertifizierung von Studienleistungen haben Studenten schon immer zur Kritik herausgefordert. Aber auch scheinbar so triviale Probleme wie die an Öffnungszeiten gebundene Zugänglichkeit von Büchern und Skripten oder der späte Druck neuer Vorlesungsverzeichnisse könnten durch eine kluge Informationspolitik mit Hilfe elektronischer Datenbanken gelöst werden. Ideal wäre es, wenn zudem die durch die akademischen Zeitpläne bedingte Einschränkung der lokalen und regionalen Mobilität durch neue Techniken der Gemeinsamkeit so erweitert werden könnte, daß die universitätsexterne zeitliche Beanspruchung der neuen Studentengeneration, die sich ihren Lebensunterhalt und in Zukunft wohl auch noch die Studiengebühren zunehmend selbst verdienen muß, zumindest ein gründliches Selbststudium nicht ausschliösse.
Weder wird sich in den nächsten Jahren das Verhältnis der Zahl der Lehrenden zur Zahl der Studenten deutlich verbessern lassen, noch ist eine Steigerung der Etats oder eine günstigere gerätetechnische Ausstattung der Hochschuleinrichtungen absehbar. Stellen- und Etatkürzungen leiten eine längere Stagnationsphase ein, aus der sich die Hochschulen nur durch eine Steigerung ihrer Außenaktivitäten und einen zusätzlichen Ausbau von Drittmittelprojekten befreien können. Die damit verbundene Abhängigkeit von Sponsoren und Auftraggebern wird die wissenschaftliche Arbeit sicher nicht unabhängiger gestalten. Wo also liegt der Spielraum für die Qualitätssteigerung in Forschung und Lehre?
Die unterschiedliche Entwicklung von Datentechnik als ungleiche Voraussetzung für die Kooperation Moderne Kommunikationstechniken tragen zur Rationalisierung von Forschungstätigkeiten bei. Eine empirische Studie kann beispielsweise durch den Einsatz moderner Computer die Zahl der benötigten Arbeitskräfte deutlich verringern. Führten die neuen Techniken durch die wachsenden Anstrengungen für die Beschaffung und Wartung neuer Systeme nicht auch zur Steigerung des Verwaltungsaufwandes, so wären sie eigentlich ideale Werkzeuge für die Bewältigung der wachsenden Beanspruchungen der Universitätsangehörigen durch die Universitätsbürokratie. Die Integration von Aufgaben an wissenschaftlichen Arbeitsplätzen schreitet voran. Immer mehr wissenschaftliches Personal wird durch immer weniger Verwaltungspersonal unterstützt. Vor diesem Hintergrund ist die weite Verbreitung von Textverarbeitungssystemen an Einzelarbeitsplätzen nur konsequent. Sekretariatstätigkeiten werden immer häufiger durch die wissenschaftlich Beschäftigten selbst übernommen. Der Aufbau und der Ausbau lokaler Netzwerke bereitete die externe Vernetzung der Forschungseinrichtungen untereinander vor. Das Deutsche Forschungsnetz (DFN) ermöglichte die preiswerte internationale e-mail-Kommunikation, dessen komfortablere Nutzungen nun auch einem weiteren Nutzerkreis per Internet und WWW zur Verfügung gestellt werden können.
Standen schon Anfang der 80er Jahre zahlreiche Wissenschaftler an ihrem Arbeitsplatz mit einfachen Terminals in direkter Verbindung mit dem Zentralrechner ihrer Universität, so hat in vielen Bereichen, vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften erst jetzt die Anbindung der PC's an die mainframes begonnen. Multimediale Vernetzung ist häufig nur eine verspätete Antwort auf die "unternehmensinterne" Verknüpfung von PC-Inseln an den deutschen Hochschulen. Nur selten werden in diesem Zusammenhang tatsächlich neue Anwendungen ersonnen oder die Multimedia-Potentiale der Systeme außerhalb der "Computerwissenschaften" eigenständig in Forschung und Lehre ausgeschöpft. Viele Wissenschaftler greifen auf Standardsoftwarepakete zurück, und nur wie diese die verstärkte Integration von Grafiken, Tönen, Stand- und Bewegtbildern möglich machen, sind auch die informatikunerfahrenen Hochschuldozenten bereit am Ausbau der multimedialen Kommunikationssysteme mitzuwirken. Trotz dieses generellen Rückstandes gegenüber insbesondere privaten oder halböffentlichen Forschungseinrichtungen gibt es vor allem bei jungen Wissenschaftlern an deutschen Universitäten ein häufig außerordentliches Know-how neuer Datentechniken. Ob in der Medizin oder in den Rechtswissenschaften, ob in der empirischen Sozialforschung oder in der Prozeßtechnik, die Vielzahl der Computeranwendungen, die an den Hochschulen jeweils fachspezifisch entwickelt wurden, ist kaum beschreibbar. Die Anwendung von Computern an den Universitäten muß deshalb weder zentral dirigiert noch die Vernetzung der Hochschulen prinzipiell neu erfunden werden.
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