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wirtschaft artikel (Interpretation und charakterisierung)

Der bankrott der moderne



Menschen waren auf dem Mond. Jeder kann die Musik von Mozart hören. Auf dem Bildschirm sinken Hochhäuser - von Lenkraketen getroffen - in sich zusammen, und wir wissen, daß sich das in diesem Augenblick in Bagdad zugetragen hat.

20. Jahrhundert: SCHÖNE MODERNE WELT!

Wie hat sie sich sonst noch gezeigt? Was hat sie uns auch gezeigt?

Zuerst verschlang der große Europäische Krieg, den wir heute den 1. Weltkrieg nennen, 10 Millionen Menschen. Über den Schützengräben an der Ostfront erhob sich der Geist des Bolschewismus. Er war der Auftakt für das Projekt "Archipel Gulag", das auf der Passiv-Seite der Jahrhundertbilanz 80 Millionen gewaltsam beendeter Menschenleben eingeschrieben hat.

Nach zwanzigjährigem Waffenstillstand folgte der noch größere Krieg, der diesmal wirklich ein Weltkrieg war, mit 50 Millionen Kriegstoten.

Auschwitz,

Dresden,

die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen von deutschem Boden mit ca. drei Millionen Toten,

Hiroshima,

Nagasaki,

der Vietnamkrieg mit drei Millionen Kriegstoten -

haben uns gezeigt, wozu der "vollends aufgeklärte" Mensch fähig ist.

Durch dieses Gespinst grausiger Ereignisse strahlt das eindrucksvollste Ergebnis der Moderne hindurch: Der zu allem fähige Mensch hat sich kraft seines Verstandes die Mittel verschafft, die es ihm ermöglichen, mit einem einzigen Knopfdruck unseren Globus in verbrannte, auf Jahrzehnte hinaus lebensfeindlich verseuchte Erde zu verwandeln, die Gattung Mensch restlos auszulöschen. Dieses Bewußtsein, die absolute Angst, ist am Ende des Jahrhunderts das herrschende - auch dort, wo es durch hedonistische Rituale verdrängt ist. Das Leben ist nur mehr der Veitstanz auf dem Zünder zehntausender Kernsprengsätze. Die Zuckungen werden immer wilder in dem Maße, wie die Wanderungswellen der Bevölkerungsexplosion in Asien und Afrika fremdkulturelle Menschenmassen nach Europa werfen, die uns zu ersticken drohen.

Das Mittelalter - das uns so dunkel anhaucht - , die Zeiten der Pestilenzen, des Dreißigjährigen Krieges auf dem Boden des Deutschen Reiches, der Inquisition - erscheinen sie uns vor dem Hintergrund unseres Jahrhunderts etwa nicht als das Goldene Zeitalter? Waren damals die Menschen etwa nicht glücklicher, weil sie noch Hoffnung hatten? War ihr Lebensgefühl nicht sicherer in dem Gedanken, daß Gott ist?

Gewiß: Die Menschen waren nicht schon deshalb gut. Auch aus ihnen brach zuweilen die wildeste Grausamkeit hervor; aber ihre Mittel waren beschränkt. Und wenn sie gut waren, sahen sie einen Sinn darin.

Der moderne Mensch weiß nicht, warum er gut sein soll. Ja, er weiß nicht einmal, was gut und was böse ist. Auf die Frage: "Wozu Mensch überhaupt?" - weiß er keine Antwort.

Aber gleichwohl zögere ich, die Moderne - oder gar die ganze Geschichte von den Anfängen bis auf den heutigen Tag - für eine Fehlentwicklung zu halten. Denn von einer solchen könnten wir nur dann sprechen, wenn wir wüßten, wie sie denn hätte verlaufen sollen. Wer aber weiß das schon?

Von dem Augenblick an, da auf dem Versuchsfeld von Alamogordo die erste Atombombe erfolgreich gezündet wurde; verdanken wir unser Leben allein der Vernunft, die uns davon abhält, das zu verwirklichen, was uns möglich ist. Aber ist Vernunft wirklich? Wirkt Vernunft in uns?

Der Mensch, der nicht weiß, warum er da ist, weiß es auch nicht von den anderen Menschen, die mit ihm da sind. Dieser Mensch denkt, daß er ebensogut nicht da sein könnte, daß also auch die anderen nicht da sein könnten. Das bringt ihn - wenn es ihm zu eng wird - auf den Gedanken, die anderen aus dem Dasein zu schaffen, damit er selbst mehr Platz habe. Das macht ihn gefährlich. Und er wird in den vor uns liegenden Jahrzehnten viele Anlässe finden, seiner bestialischen Grausamkeit freien Lauf zu lassen.

Nun habe ich gelernt, im Negativen stets auch das Positive zu sehen. Was wäre das Positive der Moderne? - Ganz gewiß nicht die sogenannten Errungenschaften unserer technisierten Zivilisation oder gar die Heiligen Kühe der "demokratischen" Verfassungen. Mit derlei Seichtigkeiten sollten wir uns nicht befassen.

Das Wesen der Moderne ist diese äußerste Gefährdung der Gattung durch sich selbst. Die Welt wirkt dabei wie eine camera obscura, die ein Bild auf die Leinwand wirft, in dem alles verkehrt ist. Wir meinen, die Bedrohung erwachse aus Mißständen der "realen" Welt. In Wahrheit ist sie rein geistiger Natur.

 
 

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