6.1.Die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf Familie, Psyche, Körper und Umfeld
Während viel über Arbeitslosigkeit und ihren Ursachen in den Medien diskutiert wird, werden die Folgen oft vernachlässigt. Die Tatsache, dass es massive Auswirkungen gibt ist unbestritten und wird mit zunehmender Arbeitslosigkeit immer deutlicher sichtbar. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist zunächst mit einem Schock verbunden, dann erfolgt eine aktive Phase der Stellensuche, während der einzelne noch optimistisch ist und sich mit dem Los noch nicht abgefunden hat. Im zweitem Stadium, wenn alle Bemühungen und Versuche fehlgeschlagen sind, wird der Betroffene zunehmend pessimistischer und leidet unter Ängsten. In der dritten und letzten Phase schließlich, wird er fatalistisch und findet sich mit seiner Lage ab. Darunter leidet hauptsächlich die Familie der Arbeitslosen. Arbeitslosigkeit bedeutet immer eine Verschlechterung der familiären Situation, des gewohnten Zusammenlebens. Die Qualität des Familienlebens vor der Konfrontation mit der Arbeitslosigkeit bestimmt ob und wie die Familie diese neue Situation und ihre Folgen bewältigt. Besonders betroffen von Arbeitslosigkeit sind:
. ältere ab 55 Jahre
. Frauen (besonders Alleinerziehende)
. jüngere 20 bis 25 Jahren
. Schwerbehinderte
. Teilzeitarbeitsuchende
. Ausländer
Arbeitslosigkeit führt fast immer zur Verschlechterung der finanziellen und materiellen Situation einer Familie, besonders wenn keine oder niedrige Ansprüche der Arbeitslosenversicherung bestehen. Arbeitslosigkeit kann sowohl physisch als auch psychisch zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit führen. Vermehrte Herzkrankheiten, und selbst Suizide sind nur einige Beispiele. Die finanziellen Einbußen verstärken die Probleme zusätzlich.
Folgen der Finanziellen Einbußen können sein:
. vermindertes Haushaltseinkommen
. Einschränkungen im Familienbudget
. häufige Verschlechterung der Kleidung
. Einschränkung der Freizeitaktivitäten
. Verschlechterung der Ernährung
. Verzicht auf Urlaubsreisen
Sind finanzielle Ressourcen aufgebraucht kommt es zur Veräußerung des Eigentums, das heißt die Wohnung kann nicht mehr finanziert werden und daraus folgt der Bezug einer Sozialwohnung und im Extremfall Obdachlosigkeit. Mit andauernder Arbeitslosigkeit kommt es zu zunehmender Verarmung. Dies Bedeutet sozialer Abstieg und Abgleiten in gesellschaftliche Randständigkeit. Für die meisten Arbeitslosen sind finanzielle Probleme jedoch zu bewältigen. Wesentlich schwerer
. kommen sie mit der Bewältigung der psycho-sozialen Belastung zurecht. Diese ist abhängig:
. von der Dauer der Arbeitslosigkeit
. subjektiven Einschätzungen der Chancen am Arbeitsmarkt
. Beziehung der Familienmitglieder untereinander
. Persönlichkeit des Betroffenen
Beispiele für psycho-soziale Belastung können sein:
. Entrhythmisierung des Tages und der Woche (kein Feierabend - kein wirkliches Wochenende -kein ,,Muss\" aufzustehen usw.)
. keine sinnvolle und befriedigende Nutzung der zur Verfügung stehenden Zeit (unter nichts tun leiden, lange Weile usw.)
. oft finden verheiratete Männer ihre Lage als Zerstörung Ihrer Identität als Ernährer der Familie
Arbeitslose neigen dazu:
. sich nutzlos zu fühlen
. Mangel an Lebenssinn zu verspüren
. negatives Selbstbild zu entwickeln (machen sich für ihre Situation selbst verantwortlich)
. Hilflosigkeit
Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, um so negativer wird die Grundstimmung. Hoffnungslosigkeit, Passivität, Unzufriedenheit und Verbitterung bestimmen den Alltag. Oft erfolgt dann der Griff zum Alkohol oder anderen Drogen ist nicht weit entfernt. Das Loch wird immer tiefer und neue Probleme und Folgen entstehen:
. Streitlust
. Aggressionen
. Gewaltanwendungen
. gesundheitliche Verschlechterung
. Gewissensbisse, das heißt Geld zu nehmen um Alkohol zu kaufen, obwohl das Familienbudget schon knapp ist
Das Lebens- und Selbstwertgefühl verschlechtert sich immer mehr und das soziale Umfeld reagiert mit zum Beispiel:
. Vorurteilen
. Diskriminierung
. Beeinträchtigung der sozialen Beziehungen (Selbstisolation)
Die psychischen Belastungen führen zu Konflikten im der Familie. Konflikte können sein:
. Verschlechterung der Kommunikation
. häufige Auseinandersetzungen
. psychisches und physisches Wohlbefinden der Familienmitglieder wird beeinträchtigt
. hohe Scheidungsrate
. Abschottung und soziale Isolation
Erschreckend ist besonders, wenn Kinder in der Familie unter Arbeitslosigkeit leiden müssen. Hier einige Beispiele wie sich Arbeitslosigkeit auf Kinder auswirken kann:
. Verschlechterung der Erziehung
. Verschlechterung der Beziehung zum arbeitslosen Elternteil
. Konflikte zwischen Eltern und Kindern
. wenig Motivation durch die Eltern
Dieses erleben Kinder oft durch:
. Taschengeldverlust
. Teilnahme an Geselligkeiten bleibt ihnen versagt
. Kleidung und Ausgaben für Freizeitgestaltung halten mit Gleichaltrigen nicht stand
. Schamgefühl wegen der Arbeitslosigkeit der Eltern
. Furcht vor Spott
Weiterhin führt dieses zum:
. einbüßen des Gefühles der Geborgenheit
. Zukunftsängste der Kinder
. Resignation
. Rückgang der schulischen Leistungen
Im Extremsituationen bzw. Belastungen kommt es zum auftreten von Verhaltens- und Lernstörungen sowie zur Flucht aus der Familie.
Arbeitslosigkeit kann zum Teufelskreis werden, denn aus einem Problem wachsen immer mehr Probleme. Es wird eine Kette, welche dann nur noch durch fachliche Hilfe durchbrochen werden kann. Fachliche Hilfe kann sein Psychiater, Arbeitslosenhilfeverein, Selbsthilfegruppen und spezielle Beratungen.
6.2. ...auf die Betriebswirtschaft:
Durch die hohe Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung sinkt naturgemäß die Kaufkraft stark ab. Sicherlich muss der Arbeitslose weiterhin seine Grundbedürfnisse erfüllen, doch wird er deutlich weniger Luxusgüter nachfragen. Dies gilt ebenso für viele Arbeitnehmer, die vielleicht von Arbeitslosigkeit bedroht sind, und daher lieber Sparen als irgendwelche Güter zu konsumieren. Betriebswirtschaftlich führt dies zu einem deutlichen Umsatzrückgang verschiedener Wirtschaftsbereiche. Ein Beispiel ist der Einzelhandel, der bereits 1994 und 1995 einen Umsatzrückgang von jeweils 1% und 1996 sogar von 2% zu verkraften hatte. Lebensmittelgeschäfte, die hauptsächlich die Grundbedürfnisse befriedigen, konnten ein Plus von 0,3% verzeichnen, der aber sicherlich auf die leichte Bevölkerungszunahme in Deutschland zurückzuführen ist. Um mit dem stagnierenden oder gar rückläufigen Umsätzen dennoch einen Gewinn zu erwirtschaften, versuchen viele Unternehmen ihre Kosten zu senken. Daher tätigen Unternehmer verstärkt Rationalisierungsinvestitionen, entlassen Arbeitskräfte und Intensivieren die Arbeit mit der verbliebenen Belegschaft. Mehr Arbeitslose bedeuten ein weiteres Absinken der Kaufkraft und somit schließt sich ein Teufelskreis.
6.3. ...auf die Volkswirtschaft:
Volkswirtschaftlich führt die hohe Arbeitslosigkeit auch beim Staat zu niedrigeren Einnahmen. Weniger Lohnempfänger bedeuten primär weniger Steuerzahler und somit geringere Einnahmen. Darunter zu leiden hat auch die Sozialversicherung, die immer wieder durch diverse Defizite in den einzelnen Bereichen Schlagzeilen macht. Trotz der geringeren Staatseinnahmen bleiben die bisherigen Aufgaben und Ausgaben bestehen und erhöhen sich sogar noch. So musste der Staat 1996 zum Beispiel über 4,3 Mrd. DM Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit zahlen, damit diese ihren Verpflichtungen nachkommen konnte. Das Resultat ist zum einen eine höhere Kreditaufnahme des Staates bzw. ein Leistungsabbau des Staates, der allerdings nur schwer zu verwirklichen ist. Daher sind Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge, vor allem bei der Kranken- und Rentenversicherung geplant. Diese Maßnahme führt jedoch zu steigenden Lohnnebenkosten, die zur Zeit im internationalen Vergleich in Deutschland ohnehin schon an der Spitze liegen. Diese zusätzlichen Belastungen geben allerdings einen erneuten Anreiz zu Gunsten des Personalabbaus in Deutschland und somit schließt sich auch in diesem Bereich ein Teufelskreis.
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