Während der Schwangerschaft, der Geburt und im ersten Lebensjahr bilden sich bei jedem Menschen Urvertrauen oder Urmisstrauen in die Welt und die Bezugspersonen. Schon ab sechs bis sieben Monaten bindet sich ein Kind an seine Bezugspersonen. Verluste durch Beziehungsabbrüche durch diese ersten Bezugspersonen lösen Urangst und Trauer aus. Auch wenn ein Kleinkind nach einem solchen Verlust meistens wieder fähig ist, noch einmal eine Bindung einzugehen, bleibt es geprägt von dieser ersten Erfahrung des Verlassenseins. Wenn diese neuen Bezugspersonen dann wieder verloren gehen, muss sich das Kind vor weiteren Bindungen schützen, denn ein erneuter Verlust wäre zu schmerzhaft und zu unerträglich.
Vanessa, ein 5-jähriges Mädchen, wurde mit 2 Jahren wegen Vernachlässigung in ein Kinderheim platziert, mit 3 Jahren in eine Pflegefamilie, in der es misshandelt wurde, und soll nun, nach 2 Jahren in dieser misshandelnden Pflegefamilie, in eine neue Pflegefamilie oder in ein Heim umplatziert werden. Man stelle sich vor, wie viele schwere Enttäuschungen, Abbrüche und Verluste dieses Kind in seinen ersten 5 Lebensjahren erlitten hat. Vanessa hat die Persönlichkeitsstruktur eines deprivierten Kindes, das sich infolge von Verlustängsten nur schwer auf neue Beziehungen einlassen wird. Auf Grund seiner Verlusterfahrungen wird es u.a. unbewusst die Überlebensregel entwickeln:
"Beziehungen eingehen heisst Verluste erleiden, deshalb lasse ich mich auf keine Beziehungsangebote mehr ein." Aus dieser Verlustangst entwickelt sich eine zweite Problematik:
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