Während die ökonomischen und innenpolitischen Aspekte der Wiedervereinigung im wesentlichen von den Deutschen im Alleingang entschieden werden konnten, bedurfte es zur Bewältigung der außenpolitischen Fragen eines Verhandlungsrahmens, der nicht nur die beiden deutschen Staaten sondern auch die Vier Mächte einschloß. Der Grund dafür lag zum einen in deren Vorbehaltsrechten, die ihren Ursprung in der Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands gemäß der Erklärung vom 5. Juni 1945 der Siegerstaaten hatten und wegen des fehlenden Friedensvertrages nie vollständig aufgehoben worden waren. In den Pariser Verträgen zwischen der Bundesrepublik und den Westmächten vom 23. Oktober 1954 war dementsprechend ausdrücklich auf die \"Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung\" hingewiesen worden. Außerdem könnte ein Verlust der DDR das völlige Ende der Sowjetunion bedeuten, weil dadurch auch Ungarn und Polen zur vollständigen Eigenständigkeit bewegt werden könnten. Daß bereits Uneinstimmigkeit herrschte, hatte man ja schon in den Reaktionen Frankreichs auf den Zehn-Punkte-Plan gesehen. Mitterrands langjähriger Vertrauter Régis Debray drohte sogar mit einer Wiederbelebung \"der alten französisch-russischen Allianz\", falls ein wiedervereinigtes Deutschland zu sehr an Gewicht gewinnen sollte. Und der frühere französische Außenminister Jean François-Poncet brachte die Bedenken in Frankreich und anderen europäischen Ländern auf den Punkt, indem er auf die Gefahr der wirtschaftlichen und politischen Hegemonie einer Nation mit 80 Millionen Menschen, die den industriellen Koloß Europas bilden, hinwies. Für die britische Premierministerin Margaret Thatcher bestand die Bedrohung nicht in militärischer sondern wirtschaftlicher Hinsicht. In den USA dagegen betrachtete man die Vorgänge in Deutschland durchaus positiv. Die Wiedervereinigung, die man selber seit 1945 stets gefordert hatte, wurde nicht abgelehnt, sondern als Erfüllung eines langfristigen Ziels westlicher Politik nachdrücklich begrüßt. Präsident Bush und Außenminister Baker hoben lediglich die Notwendigkeit hervor, den Einigungsprozeß mit der konstruktiven Entwicklung der amerikanisch-sowjetischen Beziehungen in Einklang zu bringen; außerdem müsse die Vereinigung der beiden deutschen Staaten sich innerhalb der Institutionen von NATO und Europäischer Gemeinschaft vollziehen und die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte berücksichtigen. Vor allem Frankreich und Großbritannien blieben bezüglich einer möglichen deutschen Wiedervereinigung zurückhaltend, auch wenn Präsident Mitterrand eine später bei einem Besuch in der DDR einräumte, daß die Deutschen das Recht hätten, über ihren Wunsch nach Einheit selbst zu entscheiden. Die Sowjetunion wehrte sich massiv gegen die kommende Wiedervereinigung, da man ein Überschwappen auf die Nachbarstaaten befürchtete.
Am 13. Februar 1990 faßten die Vertreter des Warschauer Paktes und der NATO bei einer Konferenz in Ottawa den lange hinausgezögerten Entschluß, der Wiedervereinigung Deutschlands zuzustimmen. Bei den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen in den kommenden Monaten sollte über die Maßnahmen, die Durchführung und die Ermöglichung einer Wiedervereinigung Deutschlands beraten werden. Um die Sowjetunion umzustimmen, traf sich Bundeskanzler Kohl mehrmals mit Gorbatschow in dessen Jagdhütte im Kaukasus, wo auch der entscheidende Durchbruch erzielt werden sollte. Der UdSSR ging es hauptsächlich um Geld und darum, möglichst viel aus der Wiedervereinigung, die unabwendbar war, herauszuschlagen. Bundeskanzler Kohl zögerte nicht lange. Nachdem die umfangreichen Lebensmittellieferungen im Januar schon wesentlich zur Verbesserung der deutsch-sowjetischen Beziehungen nach den vorangegangenen Irritationen der Maueröffnung beigetragen hatten, bot sich nun eine weitere Chance, das Verhältnis zu entspannen und den Boden für Kompromisse in den schwierigen Fragen der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen zu bereiten. Der sowjetische Kreditbedarf auf 20 Milliarden DM in fünf bis sieben Jahren. Da die ernsthafte Gefahr bestand, daß Gorbatschow auf dem im Juli 1990 bevorstehenden Parteitag der KPdSU gestürzt werden könnte, wenn die UdSSR nicht zusätzliche Finanzmittel aus dem Westen erhielt, hatte Kohl indessen kaum eine andere Wahl, als den sowjetischen Wünschen zu entsprechen. Die Bonner Finanzhilfe für Moskau trug erwartungsgemäß wesentlich zur Lösung der äußeren Aspekte des deutschen Wiedervereinigungsprozesses bei. Noch im Juni bewegte sich der Kreml schrittweise auf eine Zustimmung zur NATO-Mitgliedschaft des wiedervereinigten Deutschland zu. Die Bundesregierung bot dafür eine deutliche Reduzierung der Stärke der Bundeswehr an, wobei Außenminister Genscher gegenüber Schewardnadse von einer Gesamtzahl von 350000 Mann sprach, während Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg eine Obergrenze von 370000 Mann befürwortete.
Der Abschluß der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen war nach der Einigung im Kaukasus nur noch Formsache. Am 17. Juli fand in Paris die dritte Runde der Außenministergespräche mit zeitweiliger polnischer Beteiligung statt. Es wurde festgelegt, die polnische Forderung nach einer endgültigen Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnischer Westgrenze in das Zwei-plus-Vier-Abschlußdokument aufzunehmen, das völkerrechtlich verbindlich sein würde. Um die letzten sowjetischen Truppen auch noch aus dem Land zu bekommen, mußte Deutschland noch einmal Milliarden DM an Entschädigungen und Transportkosten leisten
Botschafter Wladislaw Terechow präzisierte am 5. September die sowjetischen Vorstellungen. Die finanziellen Forderungen beliefen sich demnach auf 3,5 Milliarden DM Stationierungskosten für die Zeit von 1990 bis 1994, 3 Milliarden DM Transportkosten, 11,5 Milliarden DM für den Bau von 72000 Wohnungen einschließlich der notwendigen Infrastruktur mit Kindergärten, Läden, Apotheken usw., 500 Millionen DM für ein Programm zur Weiterbildung und Erziehung sowie bis zu 17,5 Milliarden DM für die Rückgabe der sowjetischen Immobilien.
Am 12. September endeten die Verhandlungen mit der Unterzeichnung des endgültigen Vertrages. Deutschland bekam außerdem die Souveränität zurück.
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