Spieglein, Spieglein ... der Blick auf\'s Meinungsbarometer ist auch den Grünen zur Gewohnheit geworden.
Eine Einschätzung von Fritz Karmasin
Dem Einzug der Grünen ins Parlament ging ein jahrelanger Prozeß der ökologischen Sensibilisierung und Artikulation, des Aufbaus formaler Strukturen, der Konsoliderung und Koordination voraus. Daher ist es interessant, das gesellschaftliche Umfeld zu beobachten, aus dem die Grünbewegung ihren Ausgang nahm und auf das sie selbst wieder zurückwirkte.
Bei der Nationalratswahl 1983 waren bereits 15% der Bevölkerung positiv gegenüber den noch zersplitterten grün-alternativen Parteien eingestellt. Demgegenüber lehnten damals 28% solche Gruppierungen explizit ab. Diese Globalurteile geben einen ersten Anhaltspunkt über die Stärke des grün-alternativen WählerInnenpotentials in den Anfängen. Ein beachtlicher Bevölkerungsanteil zweifelt aber zu diesem Zeitpunkt an der Seriosität, der Problemlösungs- und Umsetzungskompetenz der Neo-Parteien.
Es sind vor allem jüngere StädterInnen unter 30, mit höherem Bildungsgrad und aus mittelständischen Familien, die den Grünen positiv gegenüberstehen. Schon in dieser frühen Phase deutet einiges auf die Beziehung zwischen Grüner Orientierung und Lebensalter hin. Der Zusammenhang mit höheren Einkommensklassen bestätigt die These postmaterialistischer Werteentwicklung: Je höher der materielle Wohlstand, desto eher gibt es Offenheit für Parteien, die Entfaltungswerte wie Umweltschutz und Bürgerbeteiligung repräsentieren.
Was das Bildungsniveau anbelangt, zeigt sich, daß Personen mit höherer Bildung stärker über kognitiv orientierte Kommunikation mit ihrer Umwelt in Verbindung treten: Sie zeigen aktives Informationssuchverhalten und entwickeln mehr Verantwortung für gesellschaftliche Belange.
Seit den Anfangsjahren hat sich die Einstellung zu Grünen Themen ebenso wie die Akzeptanz der Parlamentspartei deutlich verändert. Der Zeitvergleich zeigt, daß die \"Salonfähigkeit\" der Grün-Alternativen in den letzen 13 Jahren gestiegen ist. Während 1988 noch immer 27% den Grünen ablehnend und nur 19% positiv gegenüberstanden, hat sich 1996 das Verhältnis von Ablehnung (22%) und Zustimmung (20%) fast ausgegelichen. Eine differenzierte Betrachtung (s. Tabelle) untermauert, daß die Grünen notwendiger Bestandteil der Gesellschaft geworden sind und daß gleichzeitig auch der Vorwurf der fehlenden politischen Umsetzbarkeit, des weltfremden Agierens entkräftet wird.
Gleichzeitig ist die Bevölkerung der Ansicht, daß die Grünen eine wichtige Funktion innehaben, weil die Großparteien keineswegs von sich aus in der Lage sind, die Probleme zu lösen oder gar besser zu lösen.
Nach einem Höhepunkt der Sensibilität für Grünes Gedankengut Mitte der 80er Jahre (um Hainburg) sind heute unter Grün-SympathisantInnen folgende Grundeinstellungen charakteristisch:
. Ein Verdrängen globaler Bedrohungen (Ozonloch, Klimaveränderung).
. Nach wie vor sind Sensibilität und Aktionsbereitschaft bei konkreten, abgrenzbaren Anlaßfällen (Kraftwerksbau, Gentechnologie) gegeben.
. Man beginnt, Politik und Wirtschaft zu vertrauen (\"die müssen ohnehin für Mindeststandards sorgen\") bzw. Verantwortung zu delegieren, bei gleichzeitigem Rückgang der Bereitschaft, sich selbst zu engagieren bzw. zu solidarisieren. Bei Kaufentscheidungen stechen Preis und Gefälligkeit eines Produkts ökologische Überlegungen aus - nicht zuletzt, weil deren Mindesterfüllung vorausgesetzt wird. Dies bedeutet, daß die alleinige Kompetenz der Grünen in Ökofragen nicht mehr gilt.
Gefordert wird von den Grünen eine Schwerpunktsetzung auf Sozialpolitik, Umweltschutz und Demokratisierung, sowie neue Ideen in die Politik zu bringen. Während für die deklarierten Grünen Demokratie, Soziales und neue Ideen vordringlich sind, streichen potentielle WählerInnen eher die Umweltkompetenz hervor. Dies verdeutlicht die Herausforderung für die Partei, ihr Themenspektrum auszuweiten und damit die traditionelle Rolle bzw. Funktion hinter sich zu lassen, was auch bedeutet, daß die Kompetenzen der Grünen in diesen Bereichen den BürgerInnen erst vermittelt werden müssen.
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