Noch bis vor kurzem hielt man die Pyramiden von Giseh für die ältesten Bauwerke der Welt. Neuste Forschungsergebnisse jedoch beweisen, dass die Megalith-Tempel auf Malta mindestens 500 Jahre wenn nicht sogar 1.000 Jahre älter sind als die berühmten Pyramiden von Giseh. Riesige tonnenschwere Felsblöcke wurden beim Bau dieser Tempel verwendet - selbst mit der heutigen Technik wäre das kein leichtes Unterfangen. Wie man vor 6.000 oder 7.000 Jahren diese enormen Lasten mit primitiven Hilfsmitteln bewegte und sogar mehrere Meter anhob, ist bis heute ein Geheimnis.
Malta ist ein lebendiges Geschichtsbuch der europäischen Geschichte. Dies verdankt der aus den Inseln Malta, Gozo und Comino bestehende Archipel zwei besonderen strategischen Bedingungen: Er liegt an der engsten Stelle des Mittelmeeres zwischen Europa und dem afrikanischen Kontinent. Und er besitzt einen der größten und geschütztesten Naturhafen dieser Erde. Diese beiden Faktoren machten Malta seit den ersten Tagen der Seefahrt zur idealen \"Kontrollstation\" im Mittelmeer. Phönizier, Karthager, Römer, Byzantiner, Araber, Normannen, Kastilianer, der Johanniterorden, Franzosen und Engländer - sie alle waren Herren der Insel und hinterließen ihre Spuren.
Entsprechend verzeichnet die Chronik der Insel viele berühmte Besucher: Odysseus wurde hier von der Nymphe Calypso, Urahnin aller verführerischen Frauen, in Gefangenschaft gehalten, Apostel Paulus verschlug es als Schiffbrüchigen auf die Insel. Römische Kaiser machten auf ihren Feldzügen gegen Karthago mit ihrer Flotte hier Station, und Napoleon übernahm 1798 kampflos von den Johanniterrittern die Herrschaft. Schließlich verbrachte Lord Nelson hier eine sicher nicht ganz uninteressante Zeit mit Lady Hamilton, einer der schillerndsten Damen der europäischen Geschichte.
Die Zeugen dieser langen Vergangenheit begegnen historisch Interessierten auf Schritt und Tritt. Ohne falschen Glitzer und ohne touristischen Tand. Es überrascht deshalb nicht, wenn Malta vor allem solche Menschen anzieht, die ihre Ferien auch dazu benutzen möchten, die Wurzeln unserer gemeinsamen Geschichte und ihrer selbst zu entdecken. Besonders faszinierend: Die jungsteinzeitliche Megalith-Kultur.
Bei den früheren Tempelbauten - etwa bei der Anlage von Ggantija auf Gozo - wurden die Riesenblöcke noch roh und unbehauen aufeinandergeschichtet. Später dann - zum Beispiel bei der Anlage von Hagar Quim - wurden die riesigen Steine fein säuberlich behauen und fugendicht aneinander- und übereinandergeschichtet. Unfassbar: Diese schwere Arbeit wurde mit einfachen Flintsteinen, Obsedian und anderen primitiven Werkzeugen vorgenommen. Metall war bekannt, aber diese urzeitliche, feminin ausgerichtete Kultur scheint aus kultischen Gründen auf die Verwendung von Metall verzichtet zu haben.
Noch erstaunlicher ist die unterirdische Tempelanlage von Hal Saflieni. Das so genannte Hypogäum war bei seiner Entdeckung eine kulturgeschichtliche Sensation. Diese vier Stockwerke tiefe Anlage ist über mehrere Jahrhunderte hinweg mit Flint und Obsedian aus dem Fels herausgehauen worden. Das Hypogäum war nicht nur Kultstätte und Begräbnisstätte - es wurden die Gebeine von über 7.000 Menschen gefunden. Offenbar diente es auch der Ausbildung von Priesterinnen. Viele einmalige Fundgegenstände deuten darauf hin. Heute vor allem im Museum für Archäologie in Valetta zu bewundern.
Um das Jahr 2000 v. Chr. enden jäh die Spuren dieses geheimnisvollen Volkes - mitten in der Blüte seiner Kultur. Ob fremde Eroberer mit metallenen Waffen das friedliche Volk vernichteten oder ob eine Epidemie ausbrach, ist bis heute ungeklärt.
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