Finanzmittelverwendung (Vermögen) = Finanzmittelherkunft (Kapital)
Def.: Die Kapitalstruktur, d.h. das Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital, kann die Rentabilität des Eigenkapitals beeinflussen. Die Rentabilität des Eigenkapitals nimmt mit wachsender Verschuldung, also zunehmendem Fremdkapitalanteil, so lange zu, wie eine positive Differenz zwischen der Rendite der zusätzlich durchgeführten Investitionen und deren Fremdkapitalkosten besteht. Man nennt diesen Effekt Leverage-Effekt. Gelegentlich spricht man auch von der Hebelwirkung wachsender Verschuldung auf die Eigenkapitalrentabilität.
Der Leverage-Effekt wird häufig in einer sehr einfachen Form gesehen und gebraucht. Und zwar geht man bei dieser naiven Sicht des Leverage-Effektes von folgenden Voraussetzungen (Prämissen) aus:
. der Eigenkapitaleinsatz wird als konstant angesehen
. die Höhe des eingesetzten Fremdkapitals ist variabel
. die Rendite der bei einem zusätzlichen Kapitaleinsatz durchzuführenden Investitionen sind konstant
. der Sollzinssatz für das zusätzliche Fremdkapital ist konstant
. der Sollzinssatz liegt unter der Investitionsrendite
Wir wollen zunächst die ökonomischen Konsequenzen der genannten Voraussetzungen aufzeigen und die Voraussetzungen dann unter Beachtung praktischer Erfordernisse modifizieren.
Es ist zu fragen, wie eine Änderung des Fremdkapitaleinsatzes bei Beachtung dieser Voraussetzungen die Eigenkapitalrentabilität beeinflußt.
Um dieser Frage nachzugehen, seien die folgenden Bezeichnungen gewählt:
Symbole:
C = Gesamtkapital r = Investitionsrendite (= GKR)
EK = Eigenkapital if = Fremdkapitalzinssatz (= FKZ)
FK = Fremdkapital Re = Eigenkapitalrentabilität (= EKR)
G = Gewinn
genereller Zusammenhang:
. GKR > FKZ: EKR wächst mit wachsender Verschuldung
. GKR = FKZ: unabhängig vom Verschuldungsgrad ist EKR = GKR = FKZ
. GKR < FKZ: GKR > 0: EKR fällt mit wachsender Verschuldung vom positiven Satz in
negative Bereiche
GKR 0: EKR wird mit wachsender Verschuldung immer negativer, je höher
der prozentuale Anteil des FK am Gesamtkapital ist
Vorteil durch kostengünstiges FK die EKR zu erhöhen, hat sich
in einen Nachteil verwandelt: negativer Leverage-Effekt
Für den Bruttogewinn Gbr (Kapitalgewinn, Gesamtertrag) einer Periode, bei dem die Fremdkapitalzinsen noch nicht abgezogen sind, muß gelten:
Kürzt man den Bruttogewinn um die Fremdkapitalzinsen, so ergibt sich folgender Nettogewinn:
(2) Gn = EK r + FK r - FK if
= EK r + FK (r - if )
Wenn man den Nettogewinn Gn auf das eingesetzte Eigenkapital bezieht, erhält man die Eigenkapitalrentabilität Re (EKR):
Beispiel:
Die Unternehmensleitung erwartet alternative Investitions- bzw. Gesamtkapitalrenditen
r1 = 15%, r2= 10 % und r3= 5 %. Der Fremdkapitalzinsatz soll 7 % betragen. Wie wirkt sich in diesen drei Fällen die Kapitalstruktur, angegeben durch das Verhältnis von Fremd- zu Eigen-kapital, auf die Rentabilität Re des Eigenkapitals aus?
Investitionsrendite
Kapitalstruktur
(FK/EK)
r1 = 15%
r2 = 10%
r3 = 5%
0 / 1 Re = 15% Re = 10% Re = 5%
1 / 1 Re = 23% Re = 13% Re = 3%
2 / 1 Re = 31% Re = 16% Re = 1%
3 / 1 Re = 39% Re = 19% Re = -1%
4 / 1 Re = 47% Re = 22% Re = -3%
Anm.: mit if = 7% = Fremdkapitalzins (FKZ)
Diese Tabelle zeigt, daß die Eigenkapitalrentabilität bei steigendem Einsatz von Fremdkapital nur dann wächst, wenn der Sollzinssatz unter der Rendite r liegt. Liegt die interne Verzinsung dagegen unter den Fremdkapitalkosten, dann läßt zunehmende Kreditfinanzierung die Eigenkapitalrentabilität stark absinken. Dabei kann es zu negativen Eigenkapitalrentabilitäten kommen, d.h. zu einer Dezimierung der Eigenmittel durch die Verluste.
Praxisfremde Annahmen (Kritik)
Diese Handlungsanweisung, mehr und mehr Fremdkapital einzusetzen, ist für praktische Zwecke offensichtlich unbrauchbar. Sie resultiert aus den praxisfremden Annahmen des Leverage-Effekts in seiner naiven Form, wonach
1. Fremdkapitalzinssatz und Investitionsrendite bei zusätzlichem Kapitaleinsatz konstant bleiben und
2. die Investitionsrendite auch bei zunehmendem Fremdkapitaleinsatz über dem Fremdkapitalzinssatz liegen muß.
Nimmt man beispielsweise an, daß der Fremdkapitalzinssatz mit steigendem Verschuldungs-grad FK/EK wegen des zunehmenden Ausfallsrisikos steigt, so ist davon auszugehen, daß die Eigenkapitalrentabilität zunächst steigt, und zwar mit abnehmenden Zuwachsraten, sodann ein Maximum erreicht, wenn if = r gilt und schließlich abnimmt, wenn in dem Bereich if > r eintritt.
EIGENKAPITALRENTABILITÄT UND VERSCHULDUNGSGRAD
BEI STEIGENDEM FREMDKAPITALZINSATZ
Es ergibt sich also die Notwendigkeit, die Voraussetzungen des Leverage-Effekts in seiner naiven Form zu überprüfen, um durch eine realistischere Fassung der Grundannahmen zu einer besseren, auch in der Praxis verwertbaren Entscheidungsregel zu kommen.
. Investitionsrendite wird
- anfangs steigen bis zum "Betriebsoptimum" (Kostendegression)
- später fallen (Preisverfall, Preis-Absatz-Funktion, Kostenprogression)
. Fremdkapitalzins wird
- mit zunehmender Verschuldung steigen
direkte Finanzierung:
. Ableitung Finanzkapitalbedarf aus Zahlungsvorgängen
Zahlungsvorgänge abgeleitet aus
realen Vorgängen (Bestellung, Auftragseingang, ... )
Anfangsereignisse Zahlungsvorgänge als Folgeereignisse
Übergangsfunktionen
unter Einbeziehung von Verweilzeitverteilungen (time lay)
Entscheidend werden: Grenzinvestitionsrendite und Grenzfremdkapitalzins
Der optimale Verschuldungsgrad und damit der höchste Gesamtgewinn ist dort realisiert, wo Grenzfremdkapitalzins gleich der Grenzinvestitionsrendite (FKZ = GKR)!
(vor diesem Maximumspunkt bringt jede weitere Kreditaufnahme noch einen zusätzlichen Gewinn, nach diesem Punkt vermindern die dann anfallenden Grenzverluste zunächst den Gewinn und führen den bei weiterer Kreditaufnahme zu einem Verlust)
Verschuldungsgrad =
Rendite: Gewinn, Ertrag in Verhältnis zum eingesetzten Kapital im Jahresablauf
GKR =
EKR =
UR =
FK-Zinssatz =
Beispiel :
if (=FKZ) = 6% optimale Verschuldungsgrad bei Re (= EKR) = 6%
FKZ Kredit Kredit
kumuliert Grenz-
ertrag Zinsen
Grenz-
kosten Grenz-
gewinn
(-verlust) Gesamt-
gewinn
(-verlust)
(1) (2) (3) = (2) (4) (5) (6)= (4)-(5) (7) = (6)
2%
3%
6%
9%
10%
12% 100.000
100.000
100.000
100.000
100.000
100.000 100.000
200.000
300.000
400.000
500.000
600.000 6.000
6.000
6.000
6.000
6.000
6.000 2.000
3.000
6.000
9.000
10.000
12.000 4.000
3.000
0
-3.000
-4.000
-6.000 4.000
7.000
7.000
4.000
0
-6.000
Der Gewinn steigt auf 7.000 DM bei einer Gesamtkreditsumme von 200.000 DM.
Durch weitere Aufnahme von 100.000 DM Kredit bleibt das Ergebnis gleich, weil in diesem Bereich der durch die zusätzliche Investition anfallende Ertrag gleich den für den Kredit zu zahlenden Zinsen ist. Bei einer weiteren Kreditaufnahme sind die zu zahlenden Schuldzinsen höher als der Ertrag. Das Gesamtergebnis fällt, bei einer Kreditsumme von 500.000 DM erreicht es Null und wird dann negativ.
Der Gesamtgewinn erreicht dort sein Maximum, wo der Grenzertrag von 6% gleich den Grenzkapitalkosten (FK-zinsen) von 6% ist.
if (= FKZ) = 6%
FK Re (= EKR)
EK
r = 12% r = 6 % r = 4 % r = 0% r = -8%
Fall 1
Fall 2
Fall 3
Fall 4
Fall 5 0
0,1
1
9
12%
12,7%
18%
66%
+ 6%
6%
6%
6%
6% 4%
3,8%
2%
-14%
- 0%
-0,7%
-6%
-54%
- -8%
-9,7%
-22%
-134%
-
Fall 4d: eine negative EKR von 54% bedeutet, daß von dem Eigenkapital (10.000 DM)
5.400 DM verbraucht werden, also noch 4.600 DM EK vorhanden sind
Fall 4e: liegt die negative EK-verzinsung über 100% (hier: -134%), so bedeutet dies, daß
Vermögen in Höhe von 134% des EK verbraucht wurde,
hier: 13.400 DM von 10.000 DM,
das Vermögen ist also um 3.400 kleiner geworden als das FK:
Vermögen = 100.000 - 13.400 = 86.600 DM
Fremdkapital = 90.000 DM
Überschuldung
Fall a Fall b Fall c Fall d Fall e
Gesamtertrag
= 12.000 Gesamtertrag
= 6.000 Gesamtertrag
= 4.000 Gesamtertrag
= 0 Gesamtertrag
= -8.000
Kapital abs. rel. abs. rel. abs. rel. abs. rel. abs. rel.
Fall 1
GK
- FK
100.000
-
12.000
-
12%
-
6.000
-
6%
-
4.000
-
4%
-
0
-
0%
-
-8.000
-
-8%
-
EK 100.000 12.000 12% 6.000 6% 4.000 4% 0 0% -8.000 -8%
Fall 2
GK
- FK
100.000
-10.000
12.000
-600
12%
6%
6.000
-600
6%
6%
4.000
-600
4%
6%
0
-600
0%
6%
-8.000
-600
-8%
6%
EK 90.000 11.400 12,7% 5.400 6% 3.400 3,8% -600 -0,7% -8.600 -9,7%
Fall 3
GK
- FK
100.000
-50.000
12.000
-3.000
12%
6%
6.000
-3.000
6%
6%
4.000
-3.000
4%
6%
0
-3.000
0%
6%
-8.000
-3.000
-8%
6%
EK 50.000 9.000 18% 3.000 6% 1.000 2% -3.000 -6% -11.000 -22%
Fall 4
GK
- FK
100.000
-90.000
12.000
-5.400
12%
6%
6.000
-5.400
6%
6%
4.000
-5.400
4%
6%
0
-5.400
0%
6%
-8.000
-5.400
-8%
6%
EK 10.000 6.600 66% 600 6% -1.400 -14% -5.400 -54% -13.400 -134%
Fall 5
GK
- FK
100.000
-100.000
12.000
-6.000
12%
6%
6.000
-6.000
6%
6%
4.000
-6.000
4%
6%
0
-6.000
0%
6%
-8.000
-6.000
-8%
6%
EK 0 6.000 0 0% -2.000 - -6.000 - -14.000 -
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