Am 7. Oktober 1989 wird die DDR genau 40 Jahre alt, und auf dem Titelblatt der SED beeinflußten Zeitung \"Neues Deutschland\" prangt in großen Lettern: \"Die Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik wird auch in Zukunft das Werk des ganzen Volkes sein\". Dies sollte sich bewahrheiten, jedoch anders als von der Partei beabsichtigt. Der Tag begann mit Aufräumungsarbeiten mehrerer Umzüge vom Vorabend. In Ostberlin wurde beispielsweise eine Fackelzug mit über 100 000 Jugendlichen von der SED organisiert, die Erich Honecker ihre Liebe und Treue demonstrierten. In Dresden hingegen hatten sich hunderte Aktivisten wahre Straßenschlachten geliefert.
Währenddessen bereitete sich Erich Honecker in Ostberlin darauf vor, mehr als 4000 geladene Gäste aus der DDR und über 70 ausländische Delegationen zu empfangen, unter ihnen auch eine sowjetische Abordnung mit Michael Gorbatschow an der Spitze. Die SED-Führung hoffte, vom Glanz des mit großem internationalen Renommee ausgestatteten Generalsekretärs der KPdSU zu profitieren. Doch Gorbatschow war auch ein Hoffnungsträger für die ostdeutschen Dissidenten, welche fühlten, daß nur er dem Reformprozeß in der DDR zum Erfolg verhelfen konnte. Zuerst beschränkten sich Honecker und Gorbatschow nur auf den Austausch von Nettigkeiten, jener zog es außer Betracht, die Flüchtlinge und die Demonstrationen zu erwähnen. Nach und nach wurde der KPdSU Generalsekretär deutlicher und kritisierte die Haltung der SED scharf. Nachdem Gorbatschow mit seinem Plädoyer für politische und ökonomische Reformen geendet hatte, pries Honecker aufs neue den Erfolg des Sozialismus in der DDR. Wiederum keine Erwähnung der Flüchtlinge, kein Satz über die Krise in seinem Lande, die er gar nicht wahrzunehmen schien. Anschließend erhob sich der sowjetische Generalsekretär abrupt, um anzudeuten, daß man das Treffen beenden möge. Offenbar gab es nichts mehr zu sagen.
Währenddessen hatten sich auf dem Alexanderplatz, unweit des Palastes der Republik, etwa 15000 bis 20000 Menschen versammelt. Auch in anderen Städten wie Jena, Dresden, Plauen, Karl-Marx-Stadt und Potsdam formierten sich die Demonstranten. Solange Gorbatschow den Feierlichkeiten in Berlin beiwohnte, verzichtete die Polizei auf jegliche Gewaltanwendung. Nach der abendlichen Abreise kündigte Stasi Chef Mielke die Humanität und ordnete drastische Maßnahmen an. Einheiten der Polizei und der Staatssicherheit, die auf dem Alexanderplatz so große Zurückhaltung geübt hatten, erwarteten die auf dem Heimweg befindlichen Demonstranten in den Straßen auf dem Prenzlauer Berg. Die Gewalt, die in der Stadtmitte angesichts der dortigen internationalen Medienpräsenz vermieden worden war, wurde nun abseits des Rampenlichts der Öffentlichkeit angewandt.
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