In Deutschland gibt es erhebliche Zweifel, ob Frankreich in der Lage sein wird, die Maastricht Kriterien zu erfüllen. Und das Zusammenspiel zwischen den aktuellen Schwierigkeiten der Regierung Juppe, für 1996 ein Budget vorzulegen, das den Namen Sparhaushalt verdient, und dem viel zu hohen Zinsniveau in Frankreich dürfte die Pessimisten in Bonn und Frankfurt bestärken. Umgekehrt herrscht in Frankreich der Eindruck vor, daß Deutschland die Währungsunion im Grunde nicht braucht, folglich also zu keinerlei Zugeständnissen an die Partner bereit ist. Die jüngsten Äußerungen der deutschen Wirtschafts- und Finanzminister und vor allem von Bundesbank-Präsident Tietmeyer werden in Paris als Versuch interpretiert, die Meßlatte für den Einstieg in die Währungsunion immer höher zu legen. Dabei steht die französische Bevölkerung nach den Ergebnissen einer Meinungsumfrage der Einheitswährung inzwischen positiver gegenüber als die Deutschen.
Bundeskanzler Kohl trat der Meinung, daß Deutschland die Meßlatte für den Einstieg in die Währungsunion höher legen wolle, um so die Einheitswährung zu verhindern oder zu verzögern, mit den Worten entgegen, er habe gar keinen Zweifel, daß Deutsche und Franzosen den Weg zur gemeinsamen Währung zusammen gehen würden. Kohl ging es nicht darum, die Latte höher anzulegen, vielmehr mußte er gerade mit Blick auf das jüngste Herbstgutachten der Forschungsinstitute betonen, daß für beide Regierungen eine Aufweichung der Stabilitätskriterien nicht in Frage komme. Die Institute hatten vorgeschlagen, auf eine feste Schuldengrenze zu verzichten und bei dem Budgetdefizit nur die strukturelle und nicht die konjunkturelle Komponente zu berücksichtigen.
Frankreich versucht durch einen Kraftakt die Sanierung der angeschlagenen Sozialversicherung durchzuführen und sie wieder auf finanziell solide Beine zu stellen. Bemerkenswert ist dabei, daß sich Juppe erstmals nicht mit einem Griff in die Taschen der Steuerzahler bescheidet, sondern zusätzlich wirkliche Sparmaßnahmen vorstellt. Hinzu kommen strukturelle Veränderungen in der Funktionsweise des Sozialversicherungssystems. Insgesamt reichen die finanziellen Auswirkungen des Maßnahmenkatalogs weiter als die von Juppe selbst ursprünglich formulierten Ziele.
Wollte der Premier zunächst den Fehlbetrag der Sozialversicherung im Jahr 1996 auf 30 Mrd. FF halbieren und 1997 den Ausgleich der Konten erreichen, ist nach den nun vorgesehenen Planungen für 1996 ein Defizit von nur noch 17 Mrd. FF zu erwarten. Im Jahr darauf soll das System gar einen Überschuß von 12 Mrd. FF erwirtschaften.
So macht Frankreich derzeit einen großen Schritt in Richtung Maastricht. Nachdem die Abgeordneten dem Juppe-Plan und seiner schnellen Umsetzung im Wege von Dekreten zustimmten, sind nun die Voraussetzungen geschaffen, das Budgetdefizit im nächsten Jahr auf vier und 1997 schließlich auf drei Prozent zu reduzieren.
Die OECD behauptet jedoch, daß weder Deutschland noch Frankreich die Kriterien erfüllen, die nötig sind für den Eintritt in die geplante Europäische Währungsunion. In beiden Ländern werde der Haushalt ein Defizit aufweisen, das voraussichtlich mehr als drei Prozent des BIP beträgt. Mitte April 1996 hatte bereits der Internationale Währungsfonds vorhergesagt, daß Deutschland und Frankreich die Schuldenkriterien des Maastrichter Vertrages 1997 nicht erfüllen würden. In Deutschland sei zudem mit einer Gesamtverschuldung von 61,1 Prozent des BIP zu rechnen. Damit würde Deutschland auch das zweite Kriterium nicht erfüllen.
Allein den Maastrichter Vertrag für das Heulen und Zähneklappern bei den notwendigen Sparmaßnahmen verantwortlich zu machen, wäre jedoch eine falsche Einschätzung der Situation. Die Sanierung der öffentlichen Haushalte wäre auch ohne Maastricht durchzuführen. Nicht die Währungsunion und der Euro sind Giftpillen für die Erholung der europäischen Volkswirtschaften, sondern die in der Vergangenheit geduldete Geldverschwendung - von großzügigen Subventionszahlungen an kränkelnde Industrien bis hin zu einem nicht mehr bezahlbaren System der sozialen Sicherung.
Ein vorzeitiges Begräbnis der Währungsunion liefe auf eine politische Bankrotterklärung hinaus: Die Politiker könnten sich in diesem Fall eigentlich nur noch eingestehen, daß die Sparmaßnahmen wieder einmal nur halbherzig verwirklicht wurden. Doch geht es ausschließlich darum, eine grundlegende Änderung des wirtschaftspolitischen Kurses durchzuführen, um im internationalen Wettbewerb noch mithalten zu können.
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