Wie bereits erwähnt hatten "Glasnost" und der wirtschaftliche Niedergang eine politisierende Wirkung auf das Volk. Gorbatschows Ziel - die Erhaltung des Machtmonopols der KPdSU -, das sich beispielsweise in der bis 1990 beschränkten Versammlungsfreiheit und der Erhaltung der verfassungsrechtlich verankerten Monopolstellung der Partei zeigte, schuf eine immer größere Opposition, die sich in Interessengruppen, Bewegungen und Parteien manifestierte. Im Gegensatz zu der fast elitären Demokratischen Bewegung der 70er Jahre handelte es sich in den Demokratiebewegungen Ende der 80er Jahre um "spontane Massenerscheinungen" wie bei dem erwähnten Streik oder bei den Massendemonstrationen 1990 anlässlich der Wahlen zum Volksdeputiertenkongress. In wirklichen Parteien organisierten sich die einzelnen Bewegungen allerdings erst Anfang der 90er Jahre - und auch dann blieb die Mitgliederzahl wegen der schlechten Erfahrungen der Sowjetbürger mit den organisierten Institutionen der UdSSR verhältnismäßig gering. Bei den Wahlen traten die einzelnen Parteien in Blöcken auf (...), um den gemeinsamen Kandidaten die Chancen zu erhöhen.
Zusammenfassung
Im Prinzip hatte Amalrik also recht, wenn er den unteren Schichten Protestbewegungen nur als Folge wirtschaftlicher Schwächung zutraut. In dem oben beschriebenen Streik zeigt sich jedoch, dass innerhalb des Volkes durchaus Verständnis gegenüber Demokratie und Politik vorhanden war. Unmittelbar systemauflösend war dieses Verständnis - darin stimmen Realität und Prognose überein - jedoch nicht. Insgesamt kann man sagen, dass eine Demokratisierung der Bevölkerung in größerem Maße eintraf als von Amalrik vorhergesagt. Dass sie dennoch keine unmittelbar umstürzendende Bedeutung hatte, lag erstens an dem Misstrauen in weiten Teilen der Bevölkerung gegen Parteien im allgemeinen und andererseits in der noch vorhandenen Furcht vor dem Regime.
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