Thales von Milet war einer von den Sieben Weisen, die sich durch ihre Lebensweisheiten und ihre politische Führungskraft einen Namen machten. Ganz bekannt wurde zum Beispiel sein Ausspruch "Erkenne dich selbst", der in griechischer Schrift auf dem Eingangsportal zum Orakel von Delphi steht. Heute zählt man ihn zu den Begründern der Philosophie. Aber auch schon Aristoteles erkannte damals, daß ihm eine Art Vaterrolle für die historische Entwicklung der Philosophie zustehe. In Verbindung mit Thales wird von Platon eine Anekdote überliefert, die gern als Einstieg in den Philosophieunterricht über die Antike verwendet wird: In Gedanken vertieft soll Thales einst von einer Magd beobachtet worden sein, als er in einen Brunnen fiel. "Typisch Philosophen", meint die Magd darauf, "wollen die Weisheit mit Händen greifen, aber begreifen nicht einmal, was vor ihren Füßen abläuft". Aber Thales war ein Universalgenie. Er fiel nämlich nicht in den Brunnen, sondern er stieg hinein, um einen besseren Ausblick auf den Himmelskörper zu haben. Er war gewissermaßen ein leidenschaftlicher Sternenbeobachter, entdeckte sie als Navigationsmittel, und darf zurecht als erster Astronom, Mathematiker und Kosmologe angesehen werden.
Der Philosoph Thales aber machte sich viele Gedanken über das Arche - Problem. Er sah den Urstoff, die Gestalt, aus der alle Dinge hervorgehen und in die sie wieder vergehen, im Wasser, genauso wie die Philosophen seiner Zeit sich bei der Suche nach dem Arche immer wieder auf die Materie beriefen und so die vier Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft, als solche entdeckten. Um Thales jedoch richtig zu verstehen, sollte man sich sein Arche nicht als Element, denn die Materie des Wassers muß schließlich auch entstehen, sondern vielmehr als Prinzip vorstellen, das ihm beim Beobachten der Meereswogen ergriffen haben muß- unterliegen sie doch analog zur Ordnung der Materie gleichzeitig einem ständigen Entstehen und Vergehen.
Im Zusammenhang mit Thales' Prinzip des Wassers muß man auch seine zweite Erkenntnis verstehen, daß alles voll von Göttern sei. Auch hier darf man seinen Götterbegriff nicht zwangsläufig mit einem Mythos oder dem Gott, so wie wir ihn heute kennen, gleichsetzen. Thales sieht darin lediglich etwas "Unmenschliches", das das Eigenleben der Materie kontrolliert. Diese Denkweise ist charakteristisch für die Vorsokratiker. Man betrachtet die Dinge nämlich immer aus der Sicht des Menschen und versucht, die Erfahrungen des eigenen Lebens ihnen zu übertragen. Da wird dem Magneten schon mal schnell eine Seele zugesprochen, weil er Eisen anzieht, und Anziehung bisher immer als Eigenschaft des Lebens verstanden wurde. Diese anthropomorphe Denkweise bezeichnet man gemeinhin auch als Hylozoismus.
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